„Die Strukturen hier funktionieren gut“

ADZ-Gespräch mit Dr. Daniela Vladu, Leiterin des Departements für Deutsche Sprache und Literatur an der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg

Die Linguistin Dr. Daniela Vladu leitet seit 2016 das Departement für Deutsche Sprache und Literatur in Klausenburg. Foto: UBB

Zwischen den Vorlesungen herrscht reges Leben im zweiten Stock der Strada Horea 7 – während Dozentinnen noch letzte Instruktionen auf Deutsch geben, bildet sich das Stimmengewirr der Studierenden eher aus rumänischen und ungarischen Wörtern. Deutsch hat kaum jemand hier als Muttersprache – dennoch studieren etwa 200 Jugendliche in Klausenburg/Cluj Napoca Germanistik in deutscher Sprache.
Bereits seit 1872 wird hier Germanistik betrieben; zunächst an der ungarischen Franz-Joseph-Universität, ab 1919 an der rumänischen König-Ferdinand-Universität. Inzwischen ist die Babeș-Bolyai-Universität eine vielsprachige Hochschule; von den verschiedenen Studiengängen, die in deutscher Sprache angeboten werden, ist die Philologie der beliebteste. Mit Daniela Vladu sprach ADZ-Redakteurin Veronika Zwing.

Frau Dr. Vladu, Sie lehren seit 2002 am Departement für Deutsche Sprache und Literatur an der Babeș-Bolyai-Universität (UBB). Welche Veränderungen konnten Sie in dieser Zeit feststellen?
Ich war in dieser Zeit nicht ununterbrochen in Klausenburg, aber auf jeden Fall ist festzustellen, dass die Anzahl der Studierenden gesunken ist im Laufe der Zeit. Ich kann das aber nicht eindeutig als positiv oder negativ bewerten, denn zu uns kommen vor allem Schulabsolventen mit sehr guten Sprachkenntnissen – es hat sich vielleicht herumgesprochen, dass hier wirklich nur auf Deutsch unterrichtet wird. Insofern haben wir eine kleine, aber feine Gruppe Studierender. Im Nebenfach entscheiden sich immer weniger für Germanistik, bzw. gehen diejenigen, die das studieren wollen, vielleicht an andere Universitäten, wo auf Rumänisch unterrichtet wird. Die Anzahl der Studierenden im Hauptfach ist aber seit Jahren konstant und zeigt inzwischen sogar einen leichten Aufwärtstrend – wir sind also optimistisch.

Wenn Sie die heutige Situation damit vergleichen, wie Sie Deutsch gelernt bzw. Germanistik studiert haben, können Sie da Veränderungen feststellen?
Ich habe die Sprache ab dem Kindergarten gelernt, und was sich sicher verändert hat, ist, dass damals der allergrößte Teil der Kinder Muttersprachler waren. Sie haben von uns Rumänisch gelernt, wir von ihnen Deutsch – aber vor allem wurde auch in den Pausen und eigentlich immer Deutsch gesprochen, was heute an den Kindergärten und Schulen nicht mehr der Fall ist. Es ist eine sehr gute Sache, dass das Bildungsministerium die deutschsprachigen Schulen unterstützt, aber es sind dort eben kaum mehr Muttersprachler, was man auch daran merkt, dass die Sprachkompetenz etwas gesunken ist.

Auch die Sprache selber ist heute anders – nämlich viel mehr am Westen orientiert. Unsere Lehrer, und auch die anderen Kinder, waren aus der deutschsprachigen Minderheit, sodass wir dieses Deutsch gelernt haben, das von den Dialekten hier geprägt ist. Wir verwenden deshalb ja auch noch viele Regionalismen, wie „sich Rechenschaft geben“ oder „Aufboden“, und viele andere typische Formulierungen. Heute haben die Lernenden viele deutsche oder österreichische Lehrer, sie lernen dadurch ein gutes, authentisches Deutsch – aber auf der anderen Seite geht natürlich auch etwas von der Siebenbürger Seele verloren.

Hier an der UBB gibt es die „Deutsche Linie“, innerhalb derer einige Studienrichtungen auf Deutsch angeboten werden. Wie geht die Uni damit um, dass es kaum noch muttersprachliche Studierende gibt?
Es kommen ja viele Studierende von den deutschsprachigen Schulen und haben daher keine so viel schlechteren Sprachkenntnisse als wir damals – ich würde sagen, etwa 20 Prozent unserer Studierenden haben ein ausgezeichnetes Deutsch, auch etwa auf den Europastudien oder Wirtschaftswissenschaften ist das so. Es gibt aber auch Möglichkeiten, um während des Studiums die Deutschkenntnisse zu verbessern, etwa durch Sprachkurse am Institut für Deutschsprachige Lehre und Forschung (IDLF), das zur Universität gehört. Oder durch Aufenthalte in Deutschland, beispielsweise mit einem DAAD-Stipendium.

Müssen die Studierenden über ein bestimmtes Sprachniveau verfügen, um hier studieren zu können?
Ja, hier an der Germanistik Klausenburg müssen sie entweder ein anerkanntes Zertifikat vorweisen oder eine Aufnahmeprüfung bestehen. Es gibt viele Institute für Germanistik in Rumänien, die weitaus mehr Studierende haben als wir hier in Klausenburg – weil viele von ihnen auch Studienanfänger ohne Deutschkenntnisse aufnehmen, während wir diese Prüfung verlangen. Dadurch sichern wir ab, dass die Kurse auf Deutsch abgehalten werden und die Studierenden diesen auch folgen können. Die Master- und Promotionsstudiengänge sind bereits offiziell deutschsprachig, dieses Jahr wird auch der Bachelorstudiengang als deutschsprachiger Studiengang akkreditiert. Von den 12 Lehrenden, die wir hier am Institut sind, sind auch drei Muttersprachler aus Deutschland und Österreich.

Gibt es für Studierende auch außerhalb der Kurse Angebote von Seiten der Universität, um sich mit der Sprache, Kultur, Literatur und so weiter zu beschäftigen? 
Da gibt es einiges – beispielsweise befindet sich gerade eine Gruppe auf einer Studienreise in Bad Kissingen, und dieser Tage findet auch der Linguistik-Workshop statt – beides wird jedes Jahr organisiert. Neben diesen wissenschaftlichen Veranstaltungen gibt es auch beispielsweise Lesungen von Autoren und Autorinnen in der Österreich-Bibliothek, oder einen jährlichen Info-Abend zur beruflichen Zukunft unserer Studierenden, der wie andere Veranstaltungen von unseren ausländischen Lektorinnen organisiert wird. Überhaupt verdanken wir vieles weniger der Universität als dem Engagement von Kolleginnen, wie etwa auch die „Erzähl-Akademie“.

Außerdem bekommen wir manchmal Besuch von Gruppen aus dem Ausland – im Sommersemester waren Germanistik-Studierende des Macalester College in Minnesota auf Besuch, im April kommt eine Gruppe aus München – dann werden Workshops, Ausflüge etc. organisiert, bei denen die Studierenden sich untereinander austauschen können. Neben diesen Angeboten von uns gibt es das Goethe-Zentrum, das Veranstaltungen in deutscher Sprache anbietet und wo die Studierenden sich mit deutschsprachigen Medien versorgen können. 

Wie ist es um die internationale Vernetzung der Germanistik bestellt? Gibt es da Kooperationen?
Allerdings – insgesamt sind es, glaube ich, dreizehn. Da ist natürlich das EU-Programm Erasmus+, mit dem unsere Studierenden nach Deutschland oder Österreich gehen können, was den Sprachkenntnissen sicher nicht schadet. Es gibt auch Plätze an der Sorbonne in Paris, wo die Studierenden, die später Deutsch unterrichten wollen, Kurse zu Fremdsprachendidaktik besuchen. Oder die Germanistische Instituts-Partnerschaft (GIP), die wir lange mit der Justus-Liebig-Universität Gießen geführt haben und bald mit der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder eingehen. Dann gibt es eine Kooperation mit der Universität Flensburg, oder das internationale Vladimir-Admoni-Programm, von dem unsere Doktorandinnen profitieren.

Wie schätzen Sie die Rolle einer Auslandsgermanistik wie der in Klausenburg ein?
Wenn ich die Studierenden im ersten Jahr frage, warum Sie sich für das Germanistik-Studium entschieden haben, ist die häufigste Antwort: „um Deutsch zu lernen“. Dabei sollten sie das schon können! Aber der Punkt ist: Sie lernen hier viel mehr als nur die Sprache, sie beschäftigen sich auch mit Linguistik, Literaturwissenschaft, Landeskunde, Kulturwissenschaft... viele unserer Studierenden werden später Übersetzer oder gehen an die Schulen, da benötigen sie dieses breite Wissen. In der Forschung haben wir durch die reiche deutschsprachige Literatur aus Rumänien eine besondere Position, weil wir zu deren Erforschung geradezu prädestiniert sind – das bildet auch einen Schwerpunkt unserer Abteilung für Literaturwissenschaft. Auch in der Linguistik oder Übersetzungswissenschaft können rumänisch- oder ungarischsprachige Germanisten Phänomene erforschen, zu denen rein deutschsprachige Germanisten keinen Zugang haben. Und natürlich geht es auch darum, das deutsche kulturelle Erbe hier in Siebenbürgen zu erforschen und zu erhalten.

Inwiefern könnten sich Ihres Erachtens die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Germanistik noch verbessern – oder, anders gesagt: Welche Wünsche hätten Sie an das Christkind? 
Ich würde sagen, die Strukturen hier an der Universität sind etabliert und funktionieren gut – beispielsweise ist die UBB im „Shanghai-Ranking“ unter den besten 800 Universitäten weltweit und als beste Rumäniens gelistet. Aber: Zu einer Verbesserung unserer Arbeit würde sicher beitragen, wenn Bürokratie und Hierarchien abgebaut würden, das kostet einfach viel Zeit und Energie. 

In der Forschung gibt es zu kritisieren, dass mehr Wert auf Quantität als auf Qualität gelegt wird – belohnt wird, wer viel publiziert, nicht, wer zu relevanten Inhalten forscht und hochqualitative Texte publiziert. Für solche müssten auch Ressourcen geschaffen werden, finanziell, aber auch zeitlich: Man kann nicht zwischen zwei Unterrichtsstunden schnell mal ein bisschen Wissenschaft betreiben.

Was ich mir noch wünschen würde, wäre bessere Unterrichtsqualität an den Schulen, damit die Studierenden ein höheres Sprachniveau mitbringen – auch hier wäre wichtig, dass diese besser finanziert werden, sowohl was die Ausstattung als auch die Gehälter der Lehrenden betrifft. Natürlich ist Talent und Leidenschaft fürs Unterrichten wichtig, aber angemessene Bezahlung würde sicher zur Motivation beitragen.
 


Neben Germanistik werden an der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg folgende Studiengänge in deutscher Sprache angeboten: 

  • Betriebswirtschaft 
  • Geografie
  • Informatik
  • Internationale Beziehungen und Europastudien 
  • Journalismus
  • Kindergarten- und Grundschulpädagogik 
  • Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung
  • Ökologie und Umweltschutz 
  • Tourismusgeografie


Nähere Informationen unter: www.ubbcluj.ro/ge/