Durch Zusammenarbeit können wir gemeinsam mehr erreichen

Gespräch mit dem neuen Präsidenten der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer (AHK Rumänien)

Volker Raffel: „Ich glaube, das Rumänien auch dazu beitragen kann, dass Europa wettbewerbsfähiger wird.“ Foto: e-on


Vergangenen Monat hat die Deutsch-Rumänische Industrie- und Handelskammer (AHK Rumänien) in ihrer Mitglieder-Vollversammlung einen neuen Präsidenten gewählt: Volker Raffel, CEO bei E.ON Romania. Er folgt in dieser Funktion auf Andreas Lier (BASF). Volker Raffel ist seit 2021 aktiv in die Aktivitäten der Kammer eingebunden, als er in den Vorstand gewählt wurde. Seitdem trägt er kontinuierlich zu Initiativen und zur Entwicklung der deutsch-rumänischen Business Community bei. Er ist der fünfte Präsident der AHK Rumänien seit ihrer Gründung im September 2002, nach Karl-Josef Baum, Dr. Radu Merica, Dr. Drago{ Anastasiu und Andreas Lier. Über seine Pläne und Ziele, aber auch die Einschätzung Rumäniens als Kooperationspartner im aktuellen wirtschaftspolitischen Kontext, spricht er mit ADZ-Redakteur Șerban Căpățână.

Herr Raffel, herzlichen Glückwunsch zur Wahl als neuer Vorstandsvorsitzender der AHK Rumänien. Wie fühlen Sie sich in dieser Rolle?

Mit einer neuen Rolle kommt eine neue Verantwortung und davor hat man immer etwas Respekt. Aber gleichzeitig bin ich auch voller Zuversicht. Ich kenne die AHK schon, ich war seit vier Jahren im Vorstand. Deswegen weiß ich, was sie tut und was mich erwartet. Es ist natürlich eine große Freude, weil ich merke, dass Deutschland und Rumänien eine wirklich gute gemeinsame Geschichte haben und weil gerade in den letzten Jahren auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit stark wächst. Damit kommen viele spannende und wichtige Aufgaben. Aber natürlich geht nicht alles von alleine. Wenn man das als Präsident der AHK unterstützen kann, dann freue ich mich darüber. 

Ist Rumänien auch jetzt, im aktuellen politisch-wirtschaftlichen Kontext, noch immer ein Fokus für die deutsche Wirtschaft und für deutsche Investoren?

Rumänien ist und bleibt interessant. Wir haben alle immer wieder besondere politische Konstellationen, ein Wahljahr, eine schwierige Regierungsbildung. Das ist in Demokratien nichts Besonderes. Es ist eher ein gutes Zeichen, dass es die demokratische Auseinandersetzung gibt und dass es dann am Ende hoffentlich auch eine Lösung gibt. 

Für die Zukunft sehe ich hier großes Potential. Rumänien hat sich weg entwickelt von der verlängerten Werkbank der 90er Jahre, als sich viele Firmen darüber gefreut haben, dass die Lohnkosten hier gering waren. Derzeit wird auch immer mehr Forschung und Entwicklung getrieben, vor allem im IT-Bereich. Das macht beispielsweise auch E-ON in Rumänien für die gesamte Gruppe. Insofern ist es nicht mehr nur Fertigung, sondern alle Bereiche der Wirtschaft sind in Rumänien für Deutschland interessant. Deswegen achten wir als AHK darauf, dass wir auch rumänischen Spielern den deutschen Markt öffnen. Wir glauben, dass man in Kooperation weiter kommt. 

Glauben Sie, dass die geopolitischen Probleme in unserer näheren oder weiteren Umgebung das Interesse der deutschen Unternehmen dämpfen? 

Wir erleben weltweit, dass sich die großen Kontinente derzeit eher entkoppeln als zusammenkoppeln. Aber was ist die richtige Antwort darauf? Dass wir weiter als Europa nicht abgeschlossen und abgeschottet sein wollen, dass wir aber trotzdem versuchen, unsere Unabhängigkeit zu stärken. Viele sagen zurecht, dass die Barrieren, die wir innerhalb Europas noch haben, quasi auch wie Zölle sind, die unsere Wirtschaft behindern. Wenn wir das abbauen, dann können wir noch viel mehr gemeinsam erreichen. Das heißt: die europäische Zusammenarbeit zwischen europäischen Staaten ist für mich jetzt der neue Fokuspunkt. So zum Beispiel, dass wir nicht mehr jede Technik, jedes Medikament oder jede Bauregelung in allen 27 Ländern genehmigen lassen, sondern dass wir das in Zukunft zunehmend europaweit machen können, dass wir ähnliche Vorgehensweisen haben. Das alles kann die Kosten für jedes Produkt deutlich verringern und damit bringt es auch einen Vorteil für die Kunden. In diese Richtung sehe ich unsere Zukunft: eine Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit. 

Unsere Hauptrolle als AHK ist sicherlich, dass wir auch die aktuelle Situation in Rumänien analysieren und unsere Stellungnahme dazu abgeben, in Deutschland und umgekehrt. Alles, was der Zusammenarbeit hilft, ist unsere Aufgabe.

Als Vorsitzender haben Sie sicher bereits einige Pläne und Strategien in Sicht.

Erstmal glaube ich, dass die AHK Rumänien gut aufgestellt ist. Was das Team macht, ist richtig und gut und deswegen entwickelt sich die AHK so gut. Wir sehen Rumänien weiterhin sehr attraktiv im Bereich IT, Cybersecurity, Forschung und Entwicklung, Lebensmittelerzeugung, aber auch in Bereichen wie Infrastruktur oder Green Energy Transition. Das sind alles Felder, in denen wir sehen, dass Rumänien sehr großes Potenzial hat und große Investoren anzieht. Verteidigung kommt auch noch dazu. Die Energieunabhängigkeit Rumäniens ist auch ein starkes Argument. Wir wissen ja alle, dass derzeit die europäische Wettbewerbsfähigkeit leidet, weil Energie zu teuer geworden ist. Rumänien mit seinem Gas oder Strom ist deshalb auch besonders interessant. 

Als Zusatzfokus sehen wir das Thema Digitalisierung – eine Herausforderung, sowohl für Deutschland, als auch für Rumänien. Die öffentliche Verwaltung ist viel zu wenig digitalisiert, obwohl es in den beiden Ländern viel IT-Know-How gibt. 

Wie sehen Sie die derzeitige wirtschaftliche Situation Rumäniens?

Ich gucke einmal auf die Situation, in der sich Rumänien gerade heute befindet: Rumänien hat ein Budgetdefizit, welches schnellst-möglich gelöst werden muss. Wenn das nicht geschieht, dann verlieren alle diejenigen, die heute Investitionen in Rumänien finanzieren, das Vertrauen. Und da in Rumänien im Moment der Staatshaushalt etwa 90 Prozent für Gehälter ausgibt und 10 Prozent für Zinskosten, bleibt kein Geld für Investitionen, außer es kommt von außen. Es wäre desaströs, wenn der Staat nicht mehr investieren könnte!

Wenn das Vertrauen leidet, heißt das auch höhere Zinskosten für Kredite. Somit wird das Problem für den Staatshaushalt nochmal größer. Noch ist es lösbar, schwierig genug, wie wir sehen. Aber wenn wir warten, dann wird es noch mal größer. 

Wie muss man es lösen? Da gibt es natürlich Ideen, beispielsweise durch Steuererhöhung. Das hat aber wiederum den Nachteil, dass es das Wirtschaftswachstum eher verringert, und somit hat man wieder weniger Staatseinnahmen. Das heißt: das Risiko von Steuererhöhung ist immer, dass der Effekt verpufft. 

Was wir dringend brauchen, damit eben nicht nur Finanzgeber Vertrauen haben, sondern damit auch rumänische Firmen, ausländische Firmen, alle Investoren Vertrauen haben, ist, die Staatsausgaben wieder in Ordnung zu bringen, die Verwaltung muss effizienter und die Bürokratie wieder auf Normalmaß reduziert werden. Denn Bürokratie heißt nicht nur, dass der Staat oder die Firmen viele Kosten haben, um die Papiere fertig zu machen, die man braucht – sie verlangsamt auch alle Prozesse, verlangsamt - und verhindert sogar – Investitionen. Und das ist gerade das, was wir nicht brauchen. Wenn wir die Bürokratie verringern, dann haben wir die Chance, dass das Wirtschaftswachstum wieder schneller wird. Das ist die wirkliche Lösung für das rumänische Problem.
Ich weiß, dass die politischen Entscheidungen, die zu treffen sind, schwierige  sind. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Einsicht und der gemeinsame Wille da sind, die Probleme zu lösen. Denn schließlich wissen auch die, die die Regierung bilden: wenn sie das Problem nicht lösen, wird auch das politische Problem größer. 

Was würden Sie der rumänischen Politik empfehlen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln?

Man spricht ja stets über diese Begriffe Vorhersehbarkeit und Stabilität. Das ist für Investoren überaus wichtig.

Ein weiteres Element ist beispielsweise die Anhörungen bei Gesetzesänderungen: manch-mal werden sie ganz vergessen, manchmal nur formal und sehr oft in viel zu kurzer Zeit gemacht. Effizient wäre es, noch vor dem Inkrafttreten zu diskutieren und nicht erst später im Parlament, wenn eine Notverordnung benötigt wird. 

Außerdem eine klare Aufteilung von Verantwortung. Nur ein Beispiel: im Energiebereich ist das Energieministerium gleichzeitig die Institution, die die Politik macht, aber auch Aktionär von Firmen, die auf diesem Markt agieren. Man ist also gleichzeitig Spieler und Schiedsrichter. Das ist etwas was als Konstruktion Misstrauen mit sich bringt!

Ein drittes Beispiel: der Staat schuldet in verschiedenen Sektoren Geld, was er nicht zahlt. Ein glaubwürdiger Staat muss aber ein zuverlässiger Staat gegenüber den Akteuren sein. Eine saubere, klare „Good Governance“ und Rechtsstaatlichkeit bringen mehr Vertrauen, und das hilft mehr als jedes wirtschaftliche Stimulationsprogramm. 

Hier glaube ich, dass Rumänien auch eine Chance hat, weil das ja kein Ding der Unmöglichkeit ist. Wenn alles sauber gemacht wird, wird es dem Wirtschaftswachstum helfen, es werden mehr EU-Gelder ins Land kommen. Da bin ich auch zuversichtlich, dass diese Probleme von der neuen Regierung noch angegangen werden. Es besteht aber die Not, diese Probleme zu lösen und es ist besser, dass wir sie jetzt lösen, als dass sie später doppelt so groß werden. 

Nachdem Sie in einigen Jahren Ihr Amt ablegen werden, wie würden Sie die AHK Ihrem Nachfolger gerne überlassen?

Man sollte wissen, dass die AHK Rumänien auch weiterhin eine ernst zu nehmende Stimme ist. Wir sind parteipolitisch neutral. Trotzdem geben wir klare Botschaften, was für die wirtschaftliche Entwicklung notwendig ist. Genau das möchte ich nochmal verstärken. Diese Rolle der AHK – neutral, aber wichtige Stimme zu sein – bei der Lösung der Probleme, die wir in der Zusammenarbeit haben, das ist mir wichtig zu betonen. 

Hier geht es nicht darum, dass die Wirtschaft sozusagen sich ihre Interessen sichert, sondern es geht um Folgendes: Durch Zusammenarbeit können wir gemeinsam mehr erreichen. Alle Probleme, die wir haben, können wir gemeinsam besser lösen. Wirtschaftliche Zusammenarbeit ist nicht nur ein Verhandlungsspiel um Lösungen, sondern gemeinsam können wir mehr erwirtschaften, können wir mehr bauen, können wir mehr Dienstleistungen erbringen und am Ende haben wir alle was davon. Eine gut laufende Wirtschaft, eine gut laufende wirtschaftliche Kooperation zwischen den Ländern in Europa, wo wir so vieles miteinander teilen, wird am Ende der Bevölkerung viel mehr bringen, wird im Staatsbudget etwas bringen, wird auch Wirtschaftswachstum bringen. Wenn wir das nicht erreichen, werden die Probleme nur größer.

Welches sind die konkreten Bereiche, die Sie als AHK-Vorsitzender jetzt im Fokus haben?

Vielleicht können wir noch einmal kurz darauf zu sprechen kommen, dass auch Rumänien viel exportiert nach Deutschland: IT Services, Fabrikfertigung oder in der Landwirtschaft beispielsweise. Ich sehe hier noch viel Potenzial, wo auch die Rumänen noch mehr exportieren können. Ich glaube, dass Rumänien dazu beitragen kann, nicht nur selber wettbewerbsfähiger zu werden, sondern dass Rumänien auch dazu beitragen kann, dass Europa wettbewerbsfähiger wird. Beispielsweise durch die gute Energie-Situation, aber auch dadurch, dass noch so viel Potenzial für weiteres Wachstum hier ist. 

Wir sehen auch eine Zeit, wo viele Investitionen endlich stattfinden, wir sehen die Infrastruktur wachsen. Wir sehen die Autobahnen endlich entstehen. Das alles ist eine Basis dafür, auf das wirtschaftliches Wachstum aufsetzt. 

Wir erleben auch, dass der rumänische Teil immer stärker wird. Wir sehen immer mehr Firmen, immer mehr Investitionen in allen Bereichen. Es ist keine Einbahnstraße. Wenn ein Investor aus Deutschland hierher kommt, schafft er erstmal Arbeitsplätze, Wachstumsinvestitionen, er bringt Know-How – und all das bleibt ja hier und davon können die rumänischen Unternehmen profitieren. 

Ich bin fest davon überzeugt: zusammen kommen wir wirklich weiter und können die Herausforderung von außerhalb Europas an die Brust nehmen. Wenn wir uns jetzt auch noch untereinander streiten und trennen und jeder glaubt, dass er ohne Partner noch weiter kommt, da täuschen wir uns. Jeder von uns 27 Mitgliedstaaten hat in der Welt weniger Chancen, gehört zu werden, als wenn wir uns zusammentun und einigen.

Deswegen ist es natürlich mein Ziel, dass wir als AHK noch mehr Mitglieder haben und noch mehr Wirtschaftsaustausch zwischen Deutschland und Rumänien entsteht. Ich glaube, dass es schon heute eine Erfolgsgeschichte ist – und die möchte ich gerne fortsetzen.