Ein Altmeister, der schon lange weiß, was ihn künstlerisch ausfüllt

Marius David wollte keine Vernissage, schlug sie aber auch nicht ab

Der Künstler

Zwei der ältesten Mitglieder der Rumänischen Künstler-Kammer in Hermannstadt unter sich: Maler Marius David (links) und Zeichner Stefan Orth. Fotos: Klaus Philippi

Hermannstadt – Fünf Stühle waren hinter dem Tisch in der am besten dafür geeigneten Ecke der Rumänischen Künstler-Kammer-Galerie (UAP) am Großen Ring/Piața Mare in Hermannstadt/Sibiu aufgestellt worden, doch Marius David scheute es, darauf Platz zu nehmen. Das Feierliche der Nachmittagsstunde am Dienstag, dem 28. Mai, zu Ehren seiner Ausstellung „Fluid“ gab ihm ein, sich vor seinem zahlreichen Publikum nicht niederzusetzen. Zumal er an der räumlichen wie rednerischen Spitze der dicht besuchten Veranstaltung rechts wie links von jeweils zwei Expertinnen und Experten flankiert war, deren fachliches und menschliches Lob er unbedingt gebührend im Stehen empfangen wollte. Den Anfang machte Hausherr Dr. Florin Viorel, der als Hermannstadts UAP-Vorsitzender Kritikerin Dr. Iulia Mesea vom Brukenthalmuseum die Einführung in die eigentliche Materie der Expo überließ, und anschließend wie alle anderen Zuschauer und Zuhörer auch dem lauschte, was Bildhauer Ioan Cândea und Grafikerin Anca Serfözö betreffend ihre künstlerische Anerkennung und Wertschätzung für Altmeister Marius David von Mensch zu Mensch in ein paar Worte fassten: der 1986 in Iași diplomierte Bildhauer der bronzenen Statue von Hermann Oberth in Hermannstadt und jener von Emil Cioran in Rășinari erzählte davon, Marius David oft auf Vernissagen reden gehört zu haben. „Er hörte nie auf, doch hatte alles, was er mitteilte, Konsistenz.“ Als Grafik-Lehrerin am städtischen Kunstgymnasium, die den 47 Jahre lang auch im Unterrichten bestandenen Maler von „Fluid“ selber früh als Schülerin zu schätzen gewusst hatte, konnte Anca Serfözö die Anmerkung von Ioan Cândea nur bestätigen. Es gäbe Schüler in den Lyzeums-Klassen des Kunstgymnasiums, die ihrerseits noch von Rentner Marius David gelernt hätten und ihm raunend nachsagen, er wäre „eine ambulante Bibliothek“ gewesen. Die ersten Worte, die Marius David zuletzt als der Gefeierte selber sprach, kamen ihm bedächtig über die Lippen, weil „Sie alle mich in eine Situation gebracht haben, die ich nicht hätte malen können.“ Seine Bilderreihe „Fluid“, die gestalterisch an seine Ausstellung in der Abteilung des Brukenthalmuseums für Zeitgenössische Kunst im Februar 2022 anknüpft, wäre nämlich „nichts Exzessives, nichts Kapriziöses“, sondern schlicht und einfach eine Beschäftigung mit wiederkehrenden Erinnerungen. Den „Strömungen um uns herum, die uns verunsichern statt beruhigen“ und dem seiner Ansicht nach gesellschaftlich kaum noch spürbaren „Wunsch zum Schönen“, der das Feld dem breiten Drang „zum Grotesken, zum Hässlichen, zur Misere“ überlassen habe, setzt Senior Marius David das Malen von archetypischen Augenblicken wie dem Vorüberziehen einer „Licht und Schatten“ generierenden Wolke ent-gegen. Im Unterschied zum in der Zeit Flüchtigen der Aufmerksamkeit heischenden Welt ist ein Verblassen der auf Leinwand gebannten Erinnerungen von Marius David ausgeschlossen. „Wer das Fließen geschmolzenen Gusseisens sehen kann, jene helle und glänzende Flut, die zu gefrieren scheint, wird verstehen, was das Fließende ist und wie es einen beim Malen inspirieren kann.“ Die Hermannstädter UAP-Galerie, durch die vor der Ausstellungs-Präsentation aus einem Lautsprecher bescheiden die unsterbliche „Air“ aus Johann Sebastian Bachs Orchester-Suite Nr. 3 hallte, zeugt noch bis zum ersten Junitag davon.