Klassik-Begeisterte haben einen Grund zur Freude: Morgen beginnt die 23. Auflage des Internationalen Festivals „George Enescu”. Vom 2. bis 24. September werden – hauptsächlich in Bukarest – rund 3000 Künstler im Rahmen von 80 Konzerten auftreten. Die Festspiele werden in diesem Jahr erstmals von den Dirigenten Zubin Mehta als Ehrenpräsident und Wladimir Jurowski als künstlerischer Direktor geleitet.
Zu den geladenen Ensembles zählen das Orchester der Mailänder Scala, das Orchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia und das Royal Concertgebouw Amsterdam, unter den Dirigenten finden sich namhafte Persönlichkeiten wie Antonio Pappano, Daniele Gatti, Riccardo Chailly und Michail Pletnjow. Der Pianist Lang Lang hat zwar vor einigen Wochen abgesagt – als Solisten werden jedoch erstmals Berühmtheiten wie die Mezzosopranistin Magdalena Kozena, der Kontratenor Philippe Jaroussky, der Bariton Thomas Hampson und die Pianistin Khatia Buniatishvili auftreten. Die Liste der exzellenten Musiker, die in Bukarest konzertieren werden, umfasst des Weiteren die Geiger Nikolaj Znaider, Joshua Bell, Renaud Capuçon, David Garrett und Peter Frank Zimmermann, die Cellisten Mischa Maisky und Gautier Capuçon, die Pianisten Nikolai Luganski und Boris Beresowski. Elf Preisträger des Enescu-Wettbewerbs kommen als Solisten hinzu.
Mit mehreren Ereignissen öffnet sich die diesjährige Auflage für den Bereich Multimedia. Projektionen in der Regie von Carmen Lidia Vidu begleiten zum Beispiel das Eröffnungskonzert mit der konzertanten Aufführung der Oper „Oedipe” von Enescu durch das London Philharmonic Orchestra, den Chor der Philharmonie „George Enescu“ und den Radio-Kinderchor sowie Paul Gay als Oedipe und einer internationalen Besetzung unter der Leitung von Wladimir Jurowski (Sala Palatului, 2. 9., 19.30 Uhr, Live-Übertragung im Fernsehen TVR). Was die Musik des wichtigsten rumänischen Komponisten und Festival-Namensgebers George Enescu angeht, stehen weitere 36 seiner Werke auf dem Festivalprogramm, die höchste Anzahl in der Festivalgeschichte.
In der beliebten Konzertreihe „Große Orchester der Welt“ in der Sala Palatului spielen unter anderen die Geigerin Anne-Sophie Mutter mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck (8. 9., 19.30 Uhr) und das Israel Philharmonic Orchestra unter Zubin Mehta mit dem Geiger Leonidas Kavakos (17. 9., 19.30 Uhr, Live-Übertragung auf dem „Festivalplatz“ vor dem Athenäum). Einen musikalischen Genuss mit Werken von Enescu, Ravel und Debussy verspricht das gefeierte (ehemalige) Musikerpaar Charles Dutoit und Martha Argerich, begleitet von dem Royal Philharmonic Orchestra (12. 9., 20 Uhr, Live-Übertragung auf dem „Festivalplatz“). Ein Ereignis ist auch das Konzert der Münchner Philharmoniker unter Waleri Gergijew mit dem zweiten Klavierkonzert von Rachmaninow (Solist: Daniil Trifonow) und der vierten Sinfonie von Bruckner, die einst von den Münchnern unter Sergiu Celibidache meisterhaft interpretiert worden ist (9. 9., 19.30 Uhr).
Große Stars können auch im Rumänischen Athenäum im Rahmen von Soloabenden und Kammerkonzerten erlebt werden, so zum Beispiel der Bariton Dmitri Chworostowski, begleitet von Ivari Ilja mit russischer Musik (22. 9., 16.30 Uhr) oder der weltweit gefeierte Tenor Jonas Kaufmann, der gemeinsam mit seinem ehemaligen Lehrer Helmut Deutsch – er selbst eine Koryphäe der Liedbegleitung – den Zyklus „Die schöne Müllerin“ von Schubert zu Gehör bringt (17. 9., 16.30 Uhr). Interessante Programme umfasst auch die Reihe „Konzerte um Mitternacht“ im Athenäum. So interpretieren die Ensembles „en Chordais“ und „Constantinopole“ sowie der Chor „Anton Pann“ das Stück „Die musikalischen Reisen des Marco Polo“, eine Auswahl alter Werke, die der griechische Komponist Kyriakos Kalaitzidis aus der Folklore verschiedener Länder gesammelt hat (16. 9., 22.30 Uhr, es gibt noch Karten!).
Eine Premiere ist die Reihe „Musik des 21. Jahrhunderts“, die einen Rahmen für zeitgenössische Musik bietet und unter anderem Werke von Sir James MacMillan, Rodion Schtschedrin, Jörg Widmann und Rolf Martinsson erklingen lässt. Auch hier musizieren bekannte Künstler, etwa der Dirigent und Geiger Dmitri Sitkowetski mit dem Orchester der Philharmonie „George Enescu” (9. 9., 13 Uhr, Radio-Saal, es gibt noch Karten!) und das mehrfach preisgekrönte, junge Klausenburger Quartett „Arcadia“ (21. 9., Radio-Saal). Eine Besonderheit ist, dass die Komponisten selber im Rahmen des „Internationalen Komponistenforums“ miteinander und mit dem Publikum ins Gespräch treten werden (der Eintritt zu den sechs Veranstaltungen ist frei, eine Anmeldung ist jedoch erforderlich).
Das Festivalprogramm wird von zahlreichen Freiluftkonzerten auf dem „Festivalplatz“ (George-Enescu-Platz in Bukarest) ergänzt, sowie von einer interaktiven Ausstellung über Mathematik und Musik unter dem Titel „Imaginary”, die von der Freien Universität Berlin und der NGO Imaginary realisiert und bereits in 50 Ländern gezeigt worden ist. Zwölf Festivalkonzerte werden in anderen Städten des Landes über die Bühne gehen: in Großwardein/Oradea und Jassy/Iaşi am 8. 9., in Klausenburg/Cluj und Ploieşti am 14. 9., in Bacău und Temeswar/Timisoara am 20. 9., und in Hermannstadt/Sibiu jeden Abend vom 10. bis 13. 9. sowie am 18. 9. Hervorzuheben sind die Konzerte von Maxim Vengerov (Geige) und Vag Papian (Klavier) in Temeswar (20. 9., 19 Uhr) und Hermannstadt (22. 9., 19 Uhr).
Bei so viel exzellenter Klassik und einem Programm, das mit den Festspielen in Salzburg und Luzern durchaus vergleichbar ist, werden Kritikpunkte auch in diesem Jahr nicht ausbleiben. Um einiges vorwegzunehmen: Bukarest hat immer noch keinen neuen Konzertsaal, sodass die publikumsreiche Konzertreihe der „Großen Orchester“ wieder in der Sala Palatului veranstaltet wird, in der man trotz vieler technischer Besserungen die musikalischen Feinheiten in ihrer gesamten Bandbreite nicht wahrnehmen kann; es gibt aber leider auch Städte, die einen neuen, guten Konzertsaal haben, aber keine offiziellen Enescu-Festivalkonzerte (wie zum Beispiel Kronstadt/Braşov). Abgesehen von diesen Minuspunkten (und unerfreulichen Dauerbegleitern wie dem Applaus zwischen den Sinfonie-Sätzen und der Vielfalt von Smartphone-Geräuschen) ist das Enescu-Festival die größte Feier der klassischen Musik in Rumänien und ein Kulturereignis von Weltrang. Dass die meisten Konzerte der Promis ausverkauft sind, sollte keine(n) wundern – aber enttäuscht muss man auch nicht sein, denn für viele Musikabende guter Künstler gibt es noch Karten. Außerdem werden einige Konzerte live auf dem „Festivalplatz“ in Bukarest übertragen, sowie von Radio România Muzical (Frequenzen, Programm und Live-Stream unter www.romania- muzical.ro), vom staatlichen Fernsehen TVR und in ausgewählten Kinos im ganzen Land. Aktuelle Informationen gibt es unter www.festival enescu.ro