Die personelle Aufstellung der Veranstaltung zu früher Nachmittagsstunde am Donnerstag, dem 5. Mai, in der Ökumenischen Bibliothek des Kultur- und Begegnungszentrums „Friedrich Teutsch“ der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) war an Mehrsprachigkeit kaum zu überbieten: Historikerin und Forscherin der Rumänischen Akademie Dr. Manuela Marin (Jahrgang 1980) traf mit den in überwiegender Mehrheit aus der protestantischen Kulturlandschaft in Deutschland stammenden Gast-Studierenden des Ökumene-Semesters an der Lucian-Blaga-Universität Sibiu (ULBS) zusammen und artikulierte im deutschen Hermannstadt auf Englisch einen Vortrag über religiöse Praktiken im kommunistischen Rumänien, das die Gläubigkeit seiner eigenen Bevölkerung politisch aus der Öffentlichkeit und womöglich gar dem Privatleben der einzelnen zu bannen versuchte.
„Banishing Faith. Religion, Politics and Religious Practice in Communist Romania“ lautete die Überschrift des Gastvortrages von Dr. Manuela Marin, worin „die lange Tradition der Zusammenarbeit der Orthodoxen Kirche Rumäniens mit der politischen Macht“ angeschnitten, zum Schluss aber auch die „Konsequenz“ erklärt wurde, dass „religiöse Praktiken“ der Mehrheitskirche Rumäniens von ihren Gläubigen – vor allem den jüngeren unter ihnen – bis heute „nicht verstanden“ würden.
Als Kuratorin des Nationalen Museums Klausenburg/Cluj-Napoca für die Geschichte Transsylvaniens (MNIT) und Team-Mitglied des Forschungsprojektes „Participatory Approach for Roma Inclusion“ an der ULBS unter Leitung von Theologe Dr. Stefan Tobler wusste Dr. Manuela Marin genau, in was für Beziehungen zueinander sie Begriffe wie „Securitate“, „Regierung“, „Delegation“, „Patriarch“,„Dekret“ und „Kirche“ stellen wollte.
Dass es im kommunistischen Rumänien einzelnen gesetzlich verboten war, von einer christlichen Glaubensgemeinschaft zu einer anderen zu konvertieren, sollte einer Handvoll Leadern erleichtern, das religiöse Leben im ganzen Land unter Kontrolle behalten zu können.
Die Securitate übrigens, so Historikerin Dr. Manuela Marin, war „nicht gedacht, um den Staat zu verteidigen, sondern um die Regierung zu verteidigen“. Seine lokalen Inspektoren hatte der kommunistische Geheimdienst auch und vor allem im Terrain der Orthodoxen Kirche Rumäniens (BOR) stationiert – „ohne sie ging nichts“ und „offiziell war es nicht erlaubt, eine Kirche zu betreten“. Dennoch „wollte das Regime sich die BOR nicht zum Feind machen“, unterstrich Dr. Manuela Marin in Hermannstadt.
Von der Politik des Sowjet-Regimes nämlich habe das Regime des kommunistischen Rumänien „gelernt, dass Gewalt und Religion miteinander nicht funktionieren“. Trotzdem saßen mehr als 2000 Priester der BOR von 1945 bis 1989 in Gefängnissen ein. Spannend, sich vor Augen zu führen, dass einige wenige von ihnen versucht hatten, „die Freiheit der griechisch-katholischen Gläubigen“, deren Kirche durch politisches Dekret bei Strafe strengstens verboten worden war, „zu schützen.“
Pikant auch, 35 Jahre später von Forscherin Dr. Manuela Marin darüber unterrichtet zu werden, dass Delegierte der neu-protestantischen Kirchen Rumäniens dem USA-Kongress 1987 die „lügnerische Kunde von der religiösen Freiheit in Rumänien“ überbrachten, um die Dauer der vertraglich vereinbarten Klausel Rumäniens als von den USA bevorzugtes Land um ein weiteres Jahr zu verlängern.
Und nicht gänzlich unbedeutend jener Einwand von Dr. Alexandru Ioniță, Priester der BOR, der von ehemaligen Securitate-Inspektoren zu erzählen weiß, die ihren persönlichen Geheimdienst-Aufträgen mit Fokus auf Berichterstattung der genauen Kirchgänger-Zahlen loyal nachgingen, parallel dazu aber auch Geistliche privat zu sich nach Hause baten, um ihrerseits unter Ausschluss des Argwohns kommunistischer Kontroll-Organe eines der Sakramente der BOR zu empfangen.
Anschließend an den Vortrag von Dr. Manuela Marin entgegnete Theologe und Kirchengeschichtler Dr. Alexandru-Marius Crișan, der sich mit unter das Publikum in der Ökumenischen Bibliothek des Teutsch-Hauses der EKR gemischt hatte, auf Nachfrage, dass Erzbischof Nicolae Corneanu (1923-2014) den Klerus der BOR bis heute polarisiert.
Ihre „Fundamentalisten“ erachteten es bis heute als unbotmäßig, den Namen des rumänisch-orthodoxen Klerikers ins Feld zu führen, der nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 als einer der Ersten seiner Berufung einräumte, mit der Securitate zusammengearbeitet zu haben, und später der von 1948 bis 1990 politisch verbotenen Griechisch-katholischen Kirche Rumäniens ihre Bischofskirche im Banater Lugoj, die der BOR gutgeschrieben worden war, ohne gerichtlichen Prozess wieder rückerstattete.
Dass Erzbischof Nicolae Corneanu sich zudem im Mai 2008 von einem griechisch-katholischen Priester während eines Kirchweihfests in der Temeswarer Elisabethstadt Brot und Wein reichen ließ, brächte die „Fundamentalisten“ der BOR nach wie vor gegen ihn auf.
Dr. Manuela Marin ergänzte den Kommentar ihres Branchen-Kollegen Dr. Alexandru-Marius Crișan um einen weiteren Interpretations-Schlüssel, demzufolge „der Fundamentalismus im Kommunismus sehr stark gefördert wurde“.