Vergessen Sie die Törzburg, wenn sie ein Faible für das Okkulte haben. Vampire und Dämonen finden Sie dort sicher nicht. Wenn Sie eine Hochburg des Spiritismus suchen, fahren Sie in das sonnenreiche Câmpina und besuchen Sie das „Schlösschen“ der Iulia Haşdeu, ein Erinnerungsbau, den der untröstliche Vater Bogdan Petriceicu Haşdeu für seine einzige und viel zu früh verstorbene Tochter Iulia errichten ließ.
Ein rumänischer Patriot aus Bessarabien
Abgesehen von seiner Bedeutung als Geisterschloss erinnert das dort eingerichtete Museum an den bedeutenden Gelehrten Haşdeu. Verdient machte er sich um die Erforschung der rumänischen Sprache und Geschichte, aber auch vor Kontroversen, seien sie politischer, künstlerischer oder wissenschaftlicher Natur, schreckte er nicht zurück. Geboren vor 180 Jahren am 26. Februar 1838 im bessarabischen Cristineşti bei Hotin, östlich von Czernowitz/Cernăuţi, führt ihn sein Studium u.a. nach Charkow, später nach München. Als Offizier in russischen Diensten nimmt er am Krim-Krieg teil. Allerdings quittiert er diesen ungeliebten Dienst bald, um sich in Jassy/Iaşi niederzulassen, wo er als Journalist, Lehrer und Bibliothekar tätig ist. Als Literat muss er sich wegen unmoralischer Passagen im Roman „Duduca Mamuca“ vor Gericht verantworten. Er weiß sich so geschickt zu verteidigen, dass er freigesprochen wird.
Schließlich übersiedelt er 1863 nach Bukarest, wo er, hochgelobt für seine Arbeit als Direktor des Nationalarchivs von 1876 bis 1900, bereits 1877 für seine Verdienste in die Akademie von Bukarest gewählt wird. In diesem Kontext wird er 1884 von Karl I. trotz seiner anti-monarchischen Einstellung beauftragt, ein etymologisches Wörterbuch der rumänischen Sprache, das „Etymologicum Magnum Romaniae“, zu erstellen, ein gewaltiges Unterfangen. In sechs Jahren können vier Bände publiziert werden. Zu wenig, nach dem Geschmack des Königs, der Haşdeu auch wegen dessen mittlerweile tragischen Lebensumständen von dieser Aufgabe entbindet. Trotz grundsätzlicher politischer Gegnerschaft ist Haşdeu dem König für seine Unterstützung dankbar, gerüchteweise wollte er sogar sein Schloss der Krone vermachen.
Anders als die Sprachforscher, die das Rumänische nur aus dem Lateinischen ableiten, kann Ha{deu verschiedene Substrate, ältere Schichten des Dakischen nachweisen. Die späteren Einflüsse vor allem des Slawischen versucht er allerdings in ihrer Bedeutung zu marginalisieren, wohl wegen seines bessarabischen Hintergrunds. Sein extrem rumänischer Patriotismus bewirkt eine ablehnende Haltung gegenüber slawischen, aber auch jüdischen, wie überhaupt fremden, d.h. auch westeuropäischen Einflüssen auf Sprache und Geschichte. Dennoch gibt es eine durchaus freundschaftliche Korrespondenz und Zusammenarbeit z.B. mit dem berühmten deutschen Romanisten Hugo Schuchardt, der den entsprechenden Lehrstuhl an der Universität in Graz innehat (zu ihrer aufschlussreichen deutsch-französischen Korrespondenz: http://schuchardt.uni-graz.at/id/person/1720). Für seine sprachvergleichenden Studien sammelt Haşdeu Volkserzählungen und lernt so in Roşia Montană Iulia Faliciu kennen und heiratet sie 1865 in Bukarest. Die einzige Tochter wird 1869 geboren, die er in Verehrung für seine Frau ebenfalls Iulia nennt.
Tragisches Ende eines Wunderkindes
Auf Iulia lastet von Anfang an die Forderung, den Ruhm der aus einem Bojarengeschlecht stammenden Familie zu mehren. Bereits als Kleinkind von zwei bis vier Jahren rezitiert sie Gedichte, spricht Deutsch und Französisch, muss in kürzester Zeit die Prüfungen der Grundschule absolvieren, um die Höhere Schule, das Hl. Sava-Gymnasium/Colegiul Naţional „Sfântul Sava” in Bukarest zu besuchen. Infolge eines Ehestreits – ein Seitensprung, den Haşdeu in Briefen zutiefst bedauert – flieht die unversöhnliche Gattin samt der nun elfjährigen Tochter zunächst nach Kronstadt/Braşov, später ganz nach Paris.
Offiziell, um das Talent der Tochter zu fördern. Deren Ziele sind ehrgeizig, das Lernprogramm ist immens. Nicht zuletzt wegen der finanziellen Lasten fühlt Iulia sich verpflichtet, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Teilweise gelingt das auch. Sie ist die erste Rumänin, die bereits im Alter von 16 Jahren an der Sorbonne studiert, musisches Talent in Gesang und Klavierspiel beweist sie ebenso. Einen Schatten wirft der Tod ihres Idols Victor Hugo 1885 voraus, dessen Verlust sie nahezu aus der Bahn wirft. Sie schläft zu wenig, will unbedingt ihre Dissertation zu Ende bringen, koste es was es wolle. Das feuchte Pariser Klima tut sein Übriges, sie erkrankt unheilbar an Tuberkulose. In Briefen an den zunehmend besorgten Vater nimmt ihr Wille zum Erfolg verzweifelte Formen an. Aufenthalte in Italien und der Schweiz sind vergeblich, todkrank kehrt sie nach Bukarest heim und stirbt dort kurz vor Vollendung ihres 18. Lebensjahrs. Der große Haşdeu ist ein gebrochener Mann, konnte er seine Tochter doch nicht zur Umkehr bewegen.
Und sie bewegt sich doch
Haşdeu widmet sich nun zunehmend dem Andenken an seine Tochter, publiziert ihre Gedichte und Schriften. Auf dem Bellu-Friedhof in Bukarest bestattet er seine einbalsamierte Tochter in einer Gruft, die eher einem esoterischen Tempel gleicht (zum Bellu-Friedhof, Aida Ivan, ADZ, 17. März 2013). Statt der herkömmlichen christlichen Embleme, flankieren Sphingen einen Globus, erscheint das allsehende Auge in der Pyramide, alles Symbole der Freimaurer, die sich später auch an der Burg wiederfinden. Aber das ist Haşdeu nicht genug. In spiritistischen Sitzungen sucht er den Kontakt zu seiner Tochter, ähnlich der Königin Elisabeth von Wied, die nahezu zeitgleich im Zuge der Văcărescu-Affäre dem Spiritismus verfällt. Haşdeu verfasst sogar ein Buch „Sic cogito”, das 1891 erscheint, über die Wissenschaft der Seele. Geister morsen oder senden ganz konkrete Pläne, lassen sich nicht sehen, aber fotografieren. Ein wenig scheint es, als seien die neuen technischen Apparate nur neue Werkzeuge der Magie. Aus der Zeit von 1890 bis 1903 existieren 101 Protokolle von Spiritismus-Sitzungen, in denen Haşdeu, oft selbst als Medium, Kontakt nicht nur zu seiner Tochter, sondern auch zu seinen Vorfahren aufnimmt. Zahlreiche rumänische Persönlichkeiten, auch Wissenschaftler, nehmen daran teil.
Bereits sechs Monate nach Iulias Tod, im März, glaubt Ha{deu ein Zeichen von ihr zu erhalten. Sie diktiert ihm ihre Botschaft in die Feder. „Ich bin glücklich, ich liebe dich, wir sehen uns wieder, das sollte genug sein.“ Aber dies ist erst ein Auftakt, bald wird sie ihm Pläne senden, wie „ihr Haus“ zu errichten sei. Nach einem Besuch bei dem befreundeten Arzt Dr. Constantin Istrati, auch ein Freund des Spiritismus in Câmpina, wird hier ein Standort für das zukünftige Schloss gefunden.
Ab 1894 entsteht der exzentrische Burg-Tempel, der Haşşdeu zur Selbstdarstellung seiner Familie, mehr aber noch als Brücke in andere Welten dient. Über dem stolzen Familienwappen „pro fide et patria“ findet sich Galileis „E pur si muove“… und sie bewegt sich doch“ auf der steinernen Eingangstür – in diesem Kontext durchaus zweideutig. Sphingen, das Auge der Vorsehung, der Dreiklang der Bauelemente, selbst dreieckige Stühle (Dreifuß) gibt es, die der Verbindung zum Jenseits dienen.
Aber die Burg war trotz allem auch Wohnhaus. Wenn man heute das Haus durch den Seitenflügel betritt, findet man sich im bürgerlichen Interieur des frühen 20. Jh. wieder, samt französischen Möbeln, Jugendstilvasen oder -spiegeln, aber auch einem deutschen Kachelofen mit Motiven aus der Oper „Falstaff“. Vorhanden ist auch das Arbeitszimmer von Ha{deu mit zahlreichen Belegen seiner Schriften. Das Zimmer seiner Tochter (eher ihr Gedächtnis-Zimmer, das Calla-Lilienmotiv der Tapete erinnert an ihren vorzeitigen Tod) birgt zahlreiche Erinnerungen an Paris, ihre Puppe, auch ihr Tagebuch.
Demonstrativ werden die Ahnen in Portraits, selbst als Wanddekor, zur Schau gestellt. Und natürlich gibt es einen akribisch recherchierten Stammbaum, der – und dies macht den Verlust des Vaters doppelt spürbar – mit dem Tod der Tochter endet.
Doch nichts bereitet auf den eigentümlichen Anblick vor, den der „Dom“ bietet, wenn man durch eine Seitentür das Kernstück des Hauses betritt. Auf einer zentralen, aber niedrigen Säule lastet eine gelb und himmelblau bemalte Stahlkonstruktion. Leitern führen zu Balustraden und einer den Raum durchquerenden luftigen Brücke, auf der eine Jesusfigur, ein Werk des Bildhauers Casciani, thront. Darüber wölbt sich heute eine mit einem gold-roten Labyrinth ausgemalte Kuppel. Dies wohl eine 1990 bei der Restaurierung vorgenommene Neuerung, denn Ion Luca Caragiale berichtet anlässlich seines Besuchs hier noch über ein blaues Sternenzelt, aus dessen Mitte wieder das Gottesauge herabblickt. Gegenüber dem ursprünglichen Eingang verjüngt sich die Halle in drei schmale Nischen, von denen zwei als Bibliothek fungieren. In der mittleren steht unter dem Fenster nur Iulias altes Klavier. Legenden halten sich hartnäckig, das nachts hier Pianotöne zu hören seien.
Die „Dunkelkammer/camera obscură“ liegt versteckt und erscheint eher unscheinbar. Hier hat man die spiritistischen Schriften von Haşdeu, seine „Arbeitsmittel“ wie Kamera, Fotos, Gaslicht, Dreifuß – kurz die „Ghostbuster-Ausstattung“ des 19. Jh., zusammengetragen. Geholfen hat dies alles wenig, die späten Porträts zeigen einen frühzeitig gealterten Mann. 1902 stirbt ihm auch die zweite Iulia, seine Frau. Nun scheint sein Lebenswille völlig erloschen. Meist lebt er nicht im Schloss selbst, sondern in einem der einfachen Gebäude dahinter, wie Fotografien aus seiner letzten Zeit belegen. Aber fünf weitere Jahre wird er noch aushalten müssen, bis der Tod ihn 1907 endlich von seinem Leid erlöst und er auf dem Bellu-Friedhof neben Frau und Tochter bestattet wird.
Bald ranken sich um das verfallende Gemäuer, für das sich kaum ein Erbe zuständig fühlt, Legenden, von denen heute das restaurierte Burg-Museum profitiert. Aber nicht nur Besucher hegen ein Faible für diesen „romantischen“ Ort. Auch die lokalen Hochzeitsgesellschaften scheint die traurige Geschichte nicht davon abzuhalten, hier fröhlich für ein Foto zu posieren.