Gedenkfeier zur Russlanddeportation in Schandern

Beispielhaftes Engagement eines Jugendlichen aus Sathmar

Friedhof Schandern: Jugendliche legen einen Kranz beim Denkmal der Russlanddeportierten nieder. Fotos: László Ilyés

Schandern – „Ich habe keine Verwandten mehr in Schandern, da sie ausgewandert sind, und meine Familie besitzt dort auch keinen Grund mehr. Trotzdem besuchen wir regelmäßig den Friedhof in Schandern, um unsere verstorbenen Angehörigen zu ehren. Ich fühle mich Schandern sehr verbunden und mag den Ort sehr. Deshalb finde ich es schade, dass in Schandern keine Gedenkfeier organisiert wird, wie in anderen Ortschaften. Ich habe beschlossen, dass auch in Schandern so etwas stattfinden sollte“, erklärt Florian Galiger, Schüler des deutschen Johann-Ettinger-Lyzeums in Sathmar. Der 16-Jährige organisierte in dem ehemaligen sathmarschwäbischen Dorf Schandern/[andra eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Russlanddeportation.
Florian ist Mitglied der Deutschen Jugendorganisation Sathmar Gemeinsam und tanzt seit fast zehn Jahren in der Tanzgruppe der Jugendorganisation und des Ettinger-Lyzeums. Im Januar 1945 wurden 134 Sathmarer Schwaben aus Schandern in die ehemalige Sowjetunion deportiert, von denen sechs während der fünfjährigen Zwangsarbeit starben. „Ich weiß nicht mehr genau, wann ich das erste Mal von der Russlanddeportation gehört habe. Ich war etwa neun oder zehn Jahre alt. Vielleicht habe ich es in der Familie erfahren, von meinem Großvater, oder während einer Gedenkfeier in Sathmar“, erinnert sich Florian.

Seit Mitte November bereitete er die Veranstaltung vor und war in ständigem Kontakt mit Zoltán Tatár, dem römisch-katholischen Pfarrer von Bildegg/Beltiug, da Schandern zur Pfarrei in Bildegg gehört. In Schandern findet jeden dritten Sonntag im Monat ein Gottesdienst auf Ungarisch statt. Mit Unterstützung des Pfarrers organisierte Florian für den 5. Januar eine deutschsprachige Messe in der Kirche Hl. Erasmus in Schandern.

„Ich sprach mit Mitgliedern der Jugendorganisation Sathmar Gemeinsam und lud sie ein, die Lieder gemeinsam zu singen. Vom Pfarrer bekam ich die Lesungen und einige Fürbitten, während der Kantor aus Bildegg die Kirchenlieder auswählte. Ich erstellte Liederhefte und teilte Lesungen, Fürbitten und andere Texte unter den Jugendlichen auf“, berichtet Florian. Er organisierte Singproben mit den Jugendlichen, wobei ihn Maria Schmidt, Musiklehrerin und Leiterin des Air-Chors des DFD Sathmar, unterstützte. Zusammen mit seiner Familie backte Florian Kuchen für die Teilnehmer. „Die Jugendorganisation Gemeinsam unterstützte mich mit guten Ideen und Ratschlägen, und meine Eltern standen mir immer zur Seite. Sie stellten zum Beispiel die Anstecker für die Veranstaltung her“, erzählt Florian.
Am 5. Januar begann die deutschsprachige Messe um 12 Uhr. Auch der Kirchenchor aus Bildegg sang die Lieder mit. Nach der Messe las Florian Texte über die Deportation auf Deutsch vor, während Henriette Bence-Schlachter, Vorstandsmitglied der Jugendorganisation Gemeinsam, die Texte auf Ungarisch präsentierte. Die Informationen hatte Florian aus dem Buch „Und keiner weiß wa-rum“ von Helmut Berner und Doru Radosav ausgewählt und zusammengestellt. Evelyn Biro, Schülerin des Ettinger-Lyzeums, trug die Erinnerungen von Martin Ditzig, einem ehemaligen Deportierten aus Schandern, vor. Währenddessen wurden Kerzen für die verstorbenen Deportierten sowie deren Angehörige angezündet.

Der Pfarrer segnete Wasser für die Gläubigen, und anschließend zogen die Jugendlichen, begleitet von Florians Familie, singend von der Kirche zum Denkmal für die Opfer des Zweiten Weltkriegs und der Deportation auf dem Friedhof. Dort sprach der Priester zu den Anwesenden, bevor gemeinsam ein Vaterunser gebetet wurde. Das „Heimatlied der Sathmarer Schwaben“ und das „Russlandlied“ wurden gesungen, während Florian die Namen der deportierten Personen aus Schandern vorlas. Zum Abschluss legten Vertreter der Jugendorganisation Gemeinsam und die Familie Galiger Kränze am Denkmal nieder.

Nach der Zeremonie lud die Familie Galiger die Teilnehmer zu Kuchen und warmem Tee ein und verteilte die Anstecker. Die Veranstaltung wurde live übertragen, sodass auch ausgewanderte Schwaben aus Schandern die Gedenkfeier online verfolgen konnten. Paul Kaiser, Vorstandsmitglied der Heimatortsgemeinschaft Schandern in Deutschland, bedankte sich im Namen der HOG bei Pfarrer Zoltán Tatár und Florian Galiger. „Viele ältere Menschen sagten mir, dass die Gedenkfeier sie tief berührt habe. Selbst aus Österreich und Amerika erhielten wir positive Rückmeldungen“, betonte er.

Auch Thomas Erös, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Sathmarer Schwaben und der Oberwischauer Zipser, äußerte sich zur Gedenkfeier: „Die Kirche als Ort der Erinnerung und das Gedächtnis der Menschen sollten ein Mahnmal dafür sein, dass solch unendliches Leid der Menschheit nie wieder widerfährt. Die Verluste und das Leid unserer Vorfahren sind mit nichts aufzuwiegen.“
Florian Galiger ist fest entschlossen, die Gedenkfeier zur Russlanddeportation der Schanderner Schwaben auch in Zukunft zu organisieren. „Ich finde es wichtig, dass die Jugendlichen von der Russlanddeportation erfahren. So können sie die Geschichte ihrer Vorfahren besser verstehen, damit solche Fehler nie wieder passieren“, resümiert der 16-Jährige.