„Gedichte muss man lesen, laut lesen!“

Vorstellung der Audio-Anthologie im Spiegelsaal

Die versammelte Poesie-Schülergruppe im Spiegelsaal. Dritte v.l. Beatrice Ungar, Chefredakteurin der HZ, moderierte die Veranstaltung; neben ihr: Gabriela Rist. Bildmitte: Dichterin Christel Ungar, dritte v.r. Tita Mihaiu. Fotos: Aurelia Brecht

Der jüngste Teilnehmer, Marc Rist-Ilyes, amüsiert mit dem Gedicht „Die Sache mit den Klößen“ von Erich Kästner.

Hermannstadt - Heutzutage für Gedichte zu begeistern, ist schwer. Beim Bildungsprojekt „Audio-Anthologie“, dessen Ergebnisse am Samstag, den 7. Dezember im Spiegelsaal des Hermannstädter Forums vorgestellt wurden, scheint es aber gelungen zu sein: Sieben von zehn Schülerinnen und Schüler der Klassen sechs bis zwölf des Johann-Ettinger-Lyzeums in Sathmar/Satu Mare präsentierten gemeinsam mit Christel Ungar, Journalistin bei der deutschen Akzente-Sendung von TVR 1 und selbst Dichterin, die Früchte ihrer Arbeit.
Zwei CDs mit Gedichten von Goethe, Schiller, Eichendorff, Heine, Rilke, Kästner und Lasker-Schüler lassen die nächsten Schülergenerationen künftig in die Welt deutscher Poesie eintauchen. Auch Gedichte von Carmen Elisabeth Puchianu und Christel Ungar sind auf den CDs zu hören.

Gabriela Rist, Projektinitiatorin, nannte als Initialzündung des Projekts den Umstand, dass es heutzutage in den Schulen nur noch wenig Raum für das Rezitieren von Gedichten gebe. Man setze den Schwerpunkt oft auf das Interpretieren der Texte. Betonung und Aussprache blieben auf der Strecke. So sei es zur Projektidee gekommen.

Im Rahmen des Projekts, das bereits vor 2020 begann, führte Christel Ungar zwei längere Workshops durch: Überraschend sei am Anfang gewesen, dass die Jugendlichen immer wieder gesagt hätten, man habe in der Schule nie auf diese Art und Weise mit ihnen über Gedichte gesprochen, so Christel Ungar. Am Ende des ersten Workshops hätten die erstaunten Schülerinnen und Schüler das besprochene Gedicht alle fast auswendig gekonnt – ohne es bewusst auswendig gelernt zu haben. Das sei ein Aha-Moment gewesen, in denen sie gemerkt hätten, dass es gar nicht so schwer sei, ein Gedicht zu lernen. Lernen kann eben auch spielerisch sein.

Bei der Präsentation im Spiegelsaal hatten alle beteiligten Jugendlichen ihr Lieblingsgedicht im Gepäck – mit einer kurzen Erklärung, warum ihnen das Gedicht am besten gefallen hatte. Anschließend kamen die Texte zu Gehör. Wa-rum ihnen das jeweilige Gedicht besonders gefallen hatte, beantworteten die Schülerinnen und Schüler auf verschiedene Art und Weise: Mal hatte es einen Bezug zur eigenen Lebensrealität, mal war es leicht interpretierbar, oder es war das Spiel mit den Worten oder der Betonung. Auch die Komik und die Spiegelung menschlicher Verhaltensweisen nannten die Jugendlichen. „Ich habe gelernt, wie man Gedichte auf verschiedene Arten interpretiert und wie man sie mit der eigenen Stimme lebendig macht“, sagte eine der Schülerinnen zum Abschluss der Veranstaltung.
Am Projekt beteiligt waren die Schülerinnen und Schüler Evelyn Biro, Iulia Bör, Stefania Dorvasi, Bianka Fatura, Florian Galiger, Bernadett Lupcsa, Daniel Maroscsak, Rebeka Szilágyi, Andrei Verses-Bud und Paul Mirel Vîrlan. Ausgewählt hatte die Gedichte im Vorfeld der Workshops Tita Mihaiu, Deutschlehrerin am Brukenthalgymnasium in Hermannstadt, Referentin des Zentrums für Lehrerfortbildung in deutscher Sprache in Mediasch sowie Autorin von Lehrbüchern.

Entstanden ist das Projekt auf Initiative der deutschen Jugendorganisation Sathmar mit Unterstützung des Kulturverbands Sathmarense und des Kreisforums Sathmar. Finanziert wurde es vom Bundesministerium des Innern der Bundesrepublik Deutschland. Die Anthologie wird in Zukunft als unterstützendes Lehrmaterial in den Bereichen Aussprache und Diktion dienen. Deutschsprachige Schulen können die CDs beim Sathmarer Forum bestellen. Bei den Jugendlichen besteht weiterhin Interesse, sodass ein weiterer Poesie-Workshop organisiert werden wird.