Man trifft nicht jeden Tag einen Fotografen, der Mick Jagger und Keith Richards von den Rolling Stones, einer der berühmtesten Rockbands aller Zeiten, fotografiert hat, der Musiker Jerry Lee Lewis, Dolly Parton, Joni Mitchell und Tom Petty porträtierte und Schauspieler wie Morgan Freeman und Sir Ian McKellen auf Film verewigte. Aber wenn man es tut, kann es beeindruckend wirken. Jim Herrington ist diese Woche in Kronstadt/Brașov beim Alpin Film Festival (AFF) zu Gast, einem Festival, das Bergkultur durch Film, Literatur, Fotografie und Konferenzen fördert. Der amerikanische Künstler hat beim AFF über seine Leidenschaft für Fotografie, Klettern, Geschichte und Geschichten gesprochen. Die Diskussion ging von seinem Projekt „The Climbers“ (die Kletterer) aus, in dem er Schwarz-Weiß-Porträts ikonischer Bergsteiger erstellte, die zwischen den 1920er und den 1970er Jahren anspruchsvolle Klettertouren auf der ganzen Welt bewältigten. Von Fred Beckey, Riccardo Cassin, Kurt Diemberger bis hin zu Reinhold Messner, Royal Robbins, Sonia Livanos, Gwen Moffat und Chris Bonington sind 60 Alpinisten im Buch zu sehen. Die Bilder des Bildbands, der bedeutende Auszeichnungen gewann, sind derzeit im Großformat vor dem Geschichtsmuseum am Alten Marktplatz/Piața Sfatului ausgestellt und können dort bis Mitte Oktober betrachtet werden.
Der leidenschaftliche Fotograf, der sich bereits als Kind diese Kunst aneignete, ist selbst ein begeisterter Bergsteiger. Seine Neugier und sein Interesse für diese eigenwilligen Individualisten hat ihn zuerst zu amerikanischen Alpinisten in die Sierra Nevada, Kalifornien, geführt, deren Kulisse viele Künstler, Sänger, Poeten und Filmemacher inspirierte. Langsam entwickelte sich das Projekt auf internationaler Ebene und Herrington reiste auf mehrere Kontinente, um seine Protagonisten zu treffen. Die meisten waren damals bereits über 90 Jahre alt. Manche waren noch in guter Form, andere bereits schwach. Der Autor fotografierte sie nicht etwa neben Gebirgen, wie die meisten Fotografen Kletterer darstellen. Sie sind in ihrem Alltag, zu Hause oder an Orten zu sehen, die ihnen wichtig sind.
Augen verraten eine Geschichte
Herrington lässt seine Protagonisten in die Kamera blicken und gibt somit dem Zuschauer die Möglichkeit, in ihren Augen ihre ganze Lebensgeschichte zu sehen, ja die Geschichte des Bergsteigens selbst. „Die Bilder sind ein Blick in die Vergangenheit und zeigen, was diese Menschen für die Geschichte des Bergsteigens bedeuten, sie würdigen die Errungenschaften vergangener Klettergenerationen”, sagt Dan Dinu, Naturfotograf und Autor des Films „România salbatic˛” (Wildes Rumänien), der vielseitigste Natur-Dokumentarfilm unseres Landes.
Jede Falte, jedes Detail in ihren Gesichtern oder an den Händen wird auf meisterhafte Weise abgelichtet, sodass die Leidenschaft und Entschlossenheit dieser Visionäre ganz in den Vordergrund gerät. Dennoch will „The Climbers“ nicht einfach nur ein Buch über Bergsteiger sein, sondern über das Älterwerden. Während der zwanzig Jahre, in denen er an diesem Projekt gearbeitet hat, kam immer wieder die Frage auf, was es eigentlich bedeutet, seiner Leidenschaft bedingungslos nachzugehen. Diese Art zu leben hat „vielleicht ihre Finanzen ruiniert, Ehen und Beziehungen zerstört… sie waren sich der Gefahren bewusst, die jede neue Tour mit sich brachte“. Und dennoch sind sie weiter auf Berge gestiegen. Und jetzt blicken sie darauf zurück und lassen uns, die Zuschauer, mit der Frage des Wertes der Mühe und Anstrengungen zurück, die man in Sachen investiert - und was am Ende übrig bleibt.
Verbunden durch die Leidenschaft
So wie seine Protagonisten, verfolgt auch Herrington seine Leidenschaft. Erst war es die Leidenschft für Fotografie und Musik bzw. Musiker, danach für Fotografie und Bergsteigen. Zwei Jahrzehnte hat er an diesem Buch gearbeitet, hat es selbst finanziert, manchmal das letzte Geld investiert. Und trotzdem hat er es nie aufgegeben, auch in den dunkelsten Momenten nicht, als er es einfach nur noch hasste. Und er ist in der Zeit gewachsen, hat viel über Leben und Tod, über Inbrust und Opfer gelernt und sagt sehr zusammenfassend und überzeugt: „Genieße jedes Sandwich, denn es könnte dein letztes sein!” Nicht nur für Extremsportler sei jeder Tag ein Geschenk, sondern jeder habe eine begrenzte Zeit auf Erden und sollte diese daher genießen. „Es klingt zwar wie ein Gruß auf einer Weihnachtskarte, ich empfinde es aber so.”
Natürliches Licht und minimales Equipment
In seiner bald fünfzigjährigen Karriere hat Jim Herrington ausschließlich auf Film fotografiert und arbeitet hauptsächlich mit natürlichem Licht. Zu seiner Philosophie gehört es auch, wenig Technik zu den Drehs mitzunehmen, die Sensibilität der Umgebung zu erkennen und einfache, kreative Lösungen zu finden, um gute Fotos zu machen. „Ich suche beim Fotografieren kein Geheimnis, hoffe aber, auf eines zu stoßen.“ Und er nimmt sich nichts Bestimmtes vor, lässt sich auf die Situation und Personen ein, wie er sie beispielsweise mit dem italienischen Alpinisten Armando Aste erlebte. Sie haben einen wunderbaren Tag zusammen verbracht, die Liebe für die Berge geteilt, obwohl keiner die Sprache des anderen kannte. „Verbindungen können kurz, aber tief sein. Auch fünf Minuten können etwas bedeuten”, erklärt Herrington.
Vielleicht wird auch die kurze Zeit in Kronstadt für den amerikanischen Fotografen etwas bedeuten und er wird sie in einem wunderbaren Bild festhalten. Danach, zu Hause, plant er die Erfahrungen seines Lebens in einem Buch festhalten.
Der Bildband „The Climbers“ kann unter theclimbersbook.com virtuell durchblättert oder bestellt werden. Informationen zum Fotografen sind auf jimherrington.com zu finden.