Hermannstadt – Byzantinische Fresken und Ikonen, so schön sie von Menschenhand auch wiederentdeckt, restauriert oder ganz neu gemalt sein mögen, haben etwas sehr Dogmatisches an sich. Streng und starr ist das Kanon-Regelwerk, dem sie in der Orthodoxie wie in keinem anderen konfessionellen Zweig des Christentums fromm zu entsprechen haben. Mit ein wenig Offenheit aber ist es durchaus möglich, ein Christusbild, eine Darstellung von Mariä Verkündigung, ein neutestamentarisches Gleichnis oder eine Pietŕ nach artistischer Maßgabe des profanen 21. Jahrhunderts auszugestalten, ohne dass dabei die religiöse Konnotation zu kurz kommt. „Es geht doch!“, bestätigte am ersten Märztag in Hermannstadt/Sibiu Dr. Adrian Stoleriu, Dekan der Fakultät für Bildende Kunst und Design an der George-Enescu-Universität Ia{i. Er war eigens zur Vernissage der Ausstellung „Iconoferestre“ von Klausenburger Marian Furtun˛ in der Abteilung des Brukenthalmuseums für Zeitgenössische Kunst angereist – aus dem „Osten“, wie Kurator und Interim-Direktor Dr. Alexandru Constantin Chituță zielsicher anmerkte. Stellvertretend für die Ergänzung durch den „Westen“ eingefunden hatte sich aus Großwardein/Oradea Virgil Bercea, seines Zeichens Bischof der Griechisch-katholischen Kirche Rumäniens und enger Freund von Marian Furtun˛. „In meinem Büro habe ich eine Pietŕ von ihm hängen, und alle Leute sagen, sie wäre die schönste!“, so der alles andere als herrisch diktierend auftretende Kleriker über das Werk des Ausstellenden.
Seine Strichführung mit dem in Acrylfarben getauchten Pinsel auf Holz in großen bis sehr großen Maßen ist schlank, bis zum Exzess langgezogen und modern. Sie enthebt die biblischen Personen der Wirklichkeit jeder menschlichen Epoche der Erdgeschichte, bleibt dabei dem Paradox des Heiligen in einer stark säkularisierten Welt verhaftet und widersetzt sich nicht dem byzantinischen Gebot zur Schlichtheit des Äußeren mit dem Zweck, hinter Kleid und Antlitz seelischen Reichtum erahnen zu lassen. Marian Furtun˛ bricht den Codex nicht, aber er erlaubt sich die künstlerische Freiheit, ihn dem 21. Jahrhundert anzugleichen. Bischof Virgil Bercea erkennt darin nichts als die Bewahrheitung für das Credo von Vincent Van Gogh: „Ich träume davon, zu malen, und male sodann den Traum.“ Eine Interpretations-Hilfe, mit der Marian Furtună selber auch voll und ganz einverstanden ist. Auch seine Bilder würden „die Energie des Betrachters aufnehmen“ und nicht nur ihre eigene „dem Betrachter übertragen“.
Mindestens noch bis zum vorletzten Sonntag im April, wenn eine Woche nach dem orthodoxen Osterfest vergangen sein wird, steht die Ausstellung „Iconoferestre“ in Hermannstadt ihren Besuchern genauso einladend wie auch das erlösende Tor zum Glauben an die Auferstehung offen. Schade einzig und allein, aber irgendwie auch kaum anders zu erwarten, dass kein rumänisch-orthodoxer Kleriker der Region sich zum Besuch der Vernissage bequemen wollte. Die Vorgabe Rumäniens größter Kirche, jeden Kontakt zur Westkirche möglichst zu meiden, erklärt wohl das Verwenden vieler Texte von Papst Johannes Paul II. im Ausstellungskatalog. Aber alles nur halb so schlimm, wo doch in Kurator Dr. Chituță, Alumnus der Fakultät der Lucian-Blaga-Universität für Orthodoxe Theologie um die Ecke, die Bereitschaft Rumäniens Orthodoxer Kirche zur Ökumene nicht außen vor blieb. Marian Furtună für seinen Teil hat jedenfalls auch schon einige Kirchen in Großwardein, Großkarol/Carei, Sächsisch-Regen/Reghin und Zillenmarkt/Zalău mit seiner Kunst von innen bereichern dürfen. Wahrscheinlich Kirchen griechisch-katholischer Zuordnung.