Kaum ist die Urlaubszeit vorbei, sind Rumäniens Politiker erneut von der Wahltanzwut befallen worden. Nachdem sie sich im Mai gleich den Chorisantes des 14. und 15. Jahrhunderts vor und nach den Lokal- und Europawahlen im Wahn der Ich-Erlöse-Rumänien-Psychose fast zu Tode gewunden haben, stellte sich eine nur von verkappten Wahlplakaten, die auf allen Straßen des Landes anzutreffen sind, unterbrochene Ruhezeit ein. Nach der von der „Wahlepidemie“ des Jahres 2024 gegönnten Verschnaufpause schlägt der Wahlkampagne-Virus erneut zu und der wilde Reigen gewinnt an Geschwindigkeit und Lautstärke, bis dann alle im Dezember nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sich über das Weihnachts- und Neujahrsfest erschöpft und geschlaucht auskurieren können. Dann wird die von den Wahlen erregte Epilepsia Saltatoria für die nächsten vier Jahre erst mal in Vergessenheit geraten.
Um das Narrenhaus im Griff zu behalten, braucht es kompetente Leute. Wir können uns erinnern wie „hervorragend“ die Wahlen im Mai 2024 über die Bühne gelaufen sind. Menschenmengen auf urbanen Stränden, gebildet aus Säcken mit Wahlzetteln, durften sich kostenlos in der prallen Sonne eine urlaubsreife Bräune zulegen. Wenn mal dem einen oder anderen dabei schlecht wurde, lag es nur daran, dass zu wenig Wasser konsumiert wurde (obwohl die Rumänen zu jeder Uhrzeit in den Medien auf diese Gefahr hingewiesen werden) und dass man halt unverantwortlich in den gefährlichsten Stunden nicht die Sonne mied. Mit Sicherheit wird die Durchführung der beiden Wahldurchgänge im Dezember viel schwieriger zu organisieren sein. Wir wissen ja seit der Amtszeit von Präsident Băsescu, dass es im Winter nicht wie im Sommer ist. Die Arbeit der rumänischen Wahlbehörde kann mit den Herausforderungen eines Herkules verglichen werden. Davon ausgehend muss und kann man Toni Greblă, den Vorsitzenden der rumänischen Wahlbehörde, verstehen, der sich seit seiner Amtseinsetzung im März 2023 eine fünfzigprozentige Einkommenserhöhung genehmigt hat. Natürlich geschah dieses nicht absichtlich, sondern es war dem „Erbe“ seines Vorgängers zu verdanken. Greblă selber, der wie die Jungfrau zum Kind kam, zahlt nun als Beispiel seiner Rechtschaffenheit in monatlichen Raten die insgesamt 24.000 Euro, die er zu viel erhalten hat, an seinen Arbeitgeber zurück. Wenn man überlegt, dass dieser aus seinen vier unterschiedlichen staatlichen Renten, die er bezieht, pro Jahr ungefähr 80.000 Euro erhält, dürfte ihn eine Monatszahlung, die einem Drittel seines von der Wahlbehörde empfangenen Lohns gleichkommt, wobei dieser bei ungefähr 6000 Euro monatlich liegt, nicht wirklich schmerzen.
Geschenke, die keine sind, aber ihren Zweck erfüllen
Es wäre keine rumänische Wahlkampagne, wenn sie nicht sogenannte „Wahlgeschenke“ mit sich bringen würde. Zwei derartige Maßnahmen machten die Musik in den rumänischen Nachrichten der letzten Wochen: die Neuberechnung der Renten und die Finanzamnestie. Wenn auch bei der Neuberechnung der Renten nicht alles so rund lief wie von der Regierung angedacht, dürfte die Maßnahme ihren Zweck erfüllen. Die meisten rumänischen Rentner, der größte Pool an Wählern der an der Macht befindlichen Sozial-Demokraten (PSD), haben eine durchschnittliche Rentenerhöhung von 130 Euro erhalten. Bei einer Durchschnittsrente von 450 Euro im Jahr 2024 ist die besagte Erhöhung mehr als spürbar. Dazu kommt, dass alle Renten unter 3000 Lei nicht mehr besteuert werden. Den Gebern, die so tun als ob sie dieses aus eigener Tasche zahlen würden, auch wenn nun, nur für die Zahlung der ersten Tranche der erhöhten Renten, zusätzliche 600 Millionen Lei notwendig sind, soll im Dezember in der Wahlkabine gedankt werden. Für die prozentual in Folge der Neuberechnung eher wenigen unzufriedenen Rentner wird man mit Sicherheit in den nächsten Wochen eine zufriedenstellende Lösung finden. Welche Kosten damit verbunden sein werden, wird sich noch zeigen. Zur Zeit der Verfassung dieses Beitrags befindet sich bei der Regierung eine Finanzamnestie in Arbeit. Wie diese konkret aussehen wird, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Natürlich hat diese nichts mit der vor der Türe stehenden Wahlkampagne zu tun, sondern soll der Regierung verhelfen, mehr Einnahmen für den Staatshaushalt zu generieren, um dadurch das viel zu hohe Haushaltsdefizit unter Kontrolle zu halten.
Plakate, Plakate, Plakate und ein Buch
Im Sommer hält alles still, weil alles reist. Auch die Wahlkampagne, die offiziell gar nicht begonnen hat, denn erst nach langem Hin und Her konnte sich die Regierungskoalition auf die Termine im November/Dezember einigen (24. November erster Urnengang Präsidentschaftswahlen, 1. Dezember Parlamentswahlen, 8. Dezember zweiter Urnengang Präsidentschaftswahlen). Wären da nur nicht die überdimensionierten Plakate mit politischen Botschaften, die ja keine Wahlkampagne sind (sic!). „Beispielhaft“ hat Nicolae Ciucă, General und Ex-Premier, zugleich auch Vorsitzender der an der Regierung beteiligten Liberalen (PNL), das gehandhabt. Man dürfte sich erinnern, dass in den Jahren um 2010 niemand in Rumänien so viele Bücher schrieb, wie die wegen Korruption inhaftierten Politiker und Finanzmagnaten. Nur zur Erinnerung: laut eines Berichts der Kontrollbehörde des Justizministeriums von 2016 soll Gigi Becali, der offensichtliche Probleme mit der korrekten rumänischen Sprache hat, fünf Bücher geschrieben haben, wobei er für das Verfassen einer wissenschaftliche Abhandlung, ohne auch nur ein Buch zur Dokumentation heranzuziehen, nicht mehr und nicht weniger als sieben Stunden gebraucht haben soll. Das Verfassen von Büchern zu Wahlkampagnezwecken kennt man in Rumänien seit Klaus Johannis’ „Pas cu pas“ (Schritt für Schritt). Das Buch sagt so wenig wie Rumäniens Präsident in den Jahren seiner beiden Mandate (eine mögliche Erklärung für den heutigen antiquarischen Wert von 3,50 Lei des Buches). Nicolae Ciucă erhob dieses zu Kür. Nicht weniger als 2 Millionen Euro sollen die Liberalen in die Werbung für das Buch des Generals a.D. „Un ostaș în slujba Țării“ (Ein Soldat im Dienst für das Land) investiert haben. Die Investigativjournalisten von snoop.ro haben nachgewiesen, dass es sich dabei natürlich um Gelder der öffentlichen Hand handelt und dass im November sich die Summe verdoppeln soll. Über das Buch kann noch nichts gesagt werden, da es noch niemand in die Hände bekommen hat. Offiziell sollte es öffentlich Anfang September vorgestellt werden, ob dieses aber noch geschehen wird, ist meiner Ansicht nach sowohl für den angeblichen Autor wie auch für das Publikum egal. Versprochen wird es jedenfalls auf der dafür aufgestellten Homepage. Die 400 Großplakate mit Ciucăs Bildnis haben das Land so überflutet, dass diese im Netz zur neuen Maßeinheit für Entfernungen erhoben worden sind: die Entfernung Hermannstadt-Klausenburg wird nicht mehr in Kilometern ausgedrückt sondern in „Ciuci“. Angesichts dieser Summen kann man sich nur wundern, wenn man hört, dass sich rumänische Verleger beklagen, dass der Büchermarkt in Rumänien noch immer massiv leidet.
Nicht so sehr präsent, aber doch nicht zu übersehen, sind die gelben Plakate des Nationalpopulisten George Simion. Der AUR-Vertreter verspricht im sogenannten Simion-Plan nicht mehr und nicht weniger, als dass unter seiner Obhut eine Million Wohnungen für Sozialbedürftige bei einem Preis von 35.000 Euro gebaut und an die entsprechenden Familien verkauft werden sollen. Wenn man sich den Immobilienmarkt in Rumänien ansieht, ist dieses Versprechen eine ebensolche Fata Morgana wie das Buch des Generals. Interessierte durften sich sogar auf Wartelisten eintragen. Dass dadurch nur die Kontaktdateien der Partei hinsichtlich der Wahlkampagne erweitert werden sollen, haben die wenigsten derer, die sich gemeldet haben, eingesehen, doch dieses hat mit der mangelnden politischen Bildung in Rumänien zu tun und steht auf einem anderen Blatt.
Die dritte, die uns auf fast jeder Straße von blauen Plakaten entgegenlächelt ist Elena Lasconi. Nachdem sich die Ex-TV-Moderatorin und Bürgermeisterin von Câmpulung Muscel in Folge der katastrophalen Wahlergebnisse der USR im Mai den Vorsitz der Partei sichern konnte, stellt sie sich nun dar als „Die Seele einer Nation, die Zukunft einer Generation“. Aus Lasconi kann man zurzeit nicht wirklich schlau werden. Einerseits tritt sie als Vertreterin der Progressisten auf, andererseits gehören mehr als traditionalistische Aussagen ihrerseits zur Tagesordnung. Welche Wählerschaft sie genau anzusprechen versucht, ist nicht wirklich klar. Wahrscheinlich alle und keinen. Ob die Rechnung aufgehen wird, wird sich im Dezember zeigen. Die wichtigste Voraussetzung, die sie eventuell mitbringen dürfte: dass sie amtierende Bürgermeisterin ist und so die Tradition der zu Präsidenten aufgestiegenen Bürgermeister ungebrochen weiter geführt würde.
Man muss zugeben, dass die Tabellenführer der Sonntagsfrage, der Unabhängige Mircea Geoană und der amtierende Premier Marcel Ciolacu dieses Werbemittel bis jetzt gemieden haben. Einerseits braucht es Ciolacu nicht, da er sich von Amts wegen zurzeit die meiste und wichtigste Sendezeit sichern kann und außerdem sitzt er am Hebel mit dem Geld für die Wahlgeschenke, oder wie er es sagen würde: er sichert verantwortungsvoll die finanzielle Zukunft des Landes. Mircea Geoană hingegen, in die rumänische Geschichte als derjenige eingegangen, der für eine Nacht Präsident war, wird anscheinend von keinem seiner Gegenkandidaten ernst genommen. Auch wenn er noch in den Umfragen führt, ist es schwer vorstellbar, dass er sich im Wahlkampf ohne aktiven und großen Parteiapparat, der ihm zurzeit fehlt, durchsetzten kann.
Der Form wegen Kontrahenten
Ungewissheit entsteht, sagt man, wenn die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Anders in Rumänien. Hinter dem Rücken der Wähler haben sich Linke und Rechte schon längst die Hand gegeben. Eigentlich glauben viele Rumänen, dass sie sich vor einem abgekarteten Spiel befinden. Bestes Beispiel dafür war der Parteitag der Sozialisten, wo die liberalen Regierungspartner durch den Kot gezogen wurden. Im gleichen Ton antworteten diese hauptsächlich in den Online-Medien. Wenige Tage später erklärten Vertreter beider Parteien, dass es sich um Wahlkampagne-Äußerungen handeln würde und dass man nicht alles so meint, wie man es sagt, aber der Anschein des Wettbewerbs müsse gewahrt werden.
Aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, er tut es manchmal, warnt vergangene Tage Präsident Klaus Johannis, dass die kommenden Monate „turbulent“ sein werden, dass er nicht mit einem „ruhigen Ende“ seiner Amtszeit rechne, dass er sich „Besonnenheit“ wünsche und dass er sich aus dem Wahlkampf zurückhalten werde. Wer hätte auch anderes erwartet.