Beim Frühjahrsempfang des Kronstädter Forums gab es diesmal Jazz als musikalische Einlage. Die Veranstalter hatten mit Michael Acker (Kontrabass), seit drei Jahren in Wien aktiv, einen gebürtigen Kronstädter und einen bekannten Namen in der rumänischen Jazzszene, gewinnen können. Am Klavier spielte Andrei Petrache – einer der begabtesten Pianisten und Komponisten der jungen Generation. Die Beiden hatten bereits gemeinsam gespielt, aber der Kronstädter Auftritt als Duo stellte eine Premiere dar. Ihr Programm bestand aus Standards der 1940er und 50er Jahre sowie aus einer Eigenkomposition von Petrache. Selbst wenn das Publikum etwas zurückhaltend wirkte und der Zwischenapplaus für Solo-Einlagen, wie das sonst im Jazz üblich ist, ausblieb, so verlieh ihre Darbietung dem gut besuchten Empfang eine besondere musikalische Note.
Nach den Grußworten und der Festrede der Kronstädter Forumsvorsitzenden Olivia Grigoriu bot sich die Gelegenheit, kurz mit dem Pianisten und Komponisten Andrei Petrache über seine Pläne und den in der Zusammenarbeit mit dem Theater Bielefeld gesammelten Erfahrungen zu sprechen.
Eine Vorliebe für Jazz
Nach dem Abschluss des Bu-karester Nationalkollegs für Musik „George Enescu“ beendete Andrei Petrache 2021 seinen Bachelor-Studiengang für klassische Komposition in der Klasse von Univ. Prof. Dan Dediu. Zurzeit bereitet er seine Master-Prüfung vor; parallel dazu studiert er Dirigieren bei Cristian Mandeal an der Bukarester Musikhochschule. Zahlreiche nationale und internationale Preise, sowohl als Pianist als auch für seine Kompositionen, kann der 1998 in Bukarest geboren Musiker vorweisen. Auffallend ist seine Vielseitigkeit als Pianist: zunächst Klassik, dann Jazz in verschiedenen Bands und auch mit einem eigenen Trio, aber auch Pop, Rock, Weltmusik finden sich in seinem Repertoire wieder. Kurze Zeit war er Mitglied der Pop-Gruppe „Les Elephantes Bizarres“. Auf das neuste, noch nicht im Handel erhältliche Album der Band kann man neugierig sein, denn die Fusion verschiedener Musikstile ist wahrscheinlich mehr als ein reines Experiment.
Wie intensiv und wie zeitraubend sei es, sich als Pianist vorzubereiten und zu üben, war eine Frage, die Andrei zu einem „Geständnis“ bewegt: es seien zu viele Übungsstunden notwendig, um unter anderem als Solist auch eine hohe technische Virtuosität zu erreichen und beizubehalten, um dabei noch Zeit für andere Beschäftigungen zu finden. Das sei auch einer der Gründe gewesen von der Darbietung klassischer Stücke zum Jazz zu wechseln. „Ich fühle den Jazz als passender, mich musikalisch am Klavier auszudrücken“, sagt er, so dass nun auch Tage ohne Klavierstudium vergehen.
Ein besonderes Musiktheater-Projekt in Bielefeld
Dieselbe Vielfalt weisen seine Kompositionen auf. In der Vorstellung des rumänischen Musikers als Gast des Theaters Bielefeld heißt es: „Andrei hat bisher über fünfzig Werke unterschiedlicher Stilrichtungen (klassisch, Neue Musik, Jazz) sowohl in instrumentalen als auch in vokalen Gattungen komponiert, darunter auch Elektronische Musik und solche, die auf die Bereiche Filmmusik und Choreografie abzielt.“ Das deutsche Theaterensemble hatte ihn 2021 zusammen mit Sebastian Molina Villarroel (ein junger Student und Komponist aus Chile, der in Deutschland lebt) beauftragt, eine Kammeroper in zwei Akten zu komponieren. Diese Zusammenarbeit bezeichnet Petrache als eine schöne und wertvolle Erfahrung. Libretto und Regie des Stückes „Der Besucher“ stammen von Robert Lehmeier. Die Besetzung bestand aus fünf Solisten, einem dreistimmigen Frauenchor und einem Orchester mit acht Instrumentalisten. Beratend zur Seite stand ihnen Cathy Milliken. Andrei übernahm die Musik für den zweiten Akt, Sebastian fiel der erste Akt zu. In rund einem halben Jahr war die Arbeit trotz Corona-Pandemie erfolgreich beendet, so dass im April des Vorjahres die Uraufführung im Foyer der Rudolf-Oetker-Halle stattfinden konnte. „Es sind zwei junge Komponisten, die einen recht erkennbaren und sehr sicheren Stil zu komponieren haben“, bescheinigt ihnen Cathy Milliken.
„Der Besucher“ ist im Rahmen der Bielefelder Aktionswochen gegen Rassismus aufgeführt worden. Es geht dabei um „Rassismus in einer feinen Gesellschaft“, um Vorurteile und Scheinheiligkeit, die bei einer zufälligen Begegnung zwischen einer Schwarzen Person und einer deutschen bürgerlichen Familie im Foyer eines Theaters (identisch mit dem Aufführungsort) zum Ausdruck kommen, wobei sich alles unnötig kompliziert, als sich diese Hauptperson als homosexuell erweist, was zu extremistischen Äußerungen in seinem Umfeld führt. Das Verhalten gegenüber Fremden, Ängste, Voreingenommenheit und persönliche Freiheit werden auf die Bühne gebracht und regen zum Nachdenken an. Andrei Petrache hat seinen Beitrag gebracht, dass dieses mutige Projekt mit Bezug zum Tagesgeschehen erfolgreich umgesetzt werden konnte. Uta Jostwerner findet dafür im „Westfalen-Blatt“ folgende Schlussfolgerung: „ Wer unvoreingenommen und mit offenen Ohren dieser Musik lauscht, wird seine Freude daran finden. Für Menschen, die bislang mit dem Genre Oper keine oder wenige Berührungspunkte hatten, sei das Stück ausdrücklich empfohlen.”