„Wir sind nicht Engelchen wie bei Botticelli, die auf Wolken sitzen und Violine spielen!“ – so unmissverständlich auf die Pauke hauen hatte man ihn bislang nicht hören können, den seit nun schon über zwei Jahren interimistisch beschäftigten Direktor des Brukenthalmuseums. Anders jedoch der Redeton vom Chef am Donnerstagmittag, dem 30. Januar, im hintersten Parterre-Teilraum des Museums. Doppelmanschetten trägt Dr. Alexandru Constantin Chituță sowieso immer, Hermannstadt kennt ihn ausschließlich als Wähler feiner Zwirne in schneidigen Farbkombinationen; doch das, was der Brukenthalpalais-Hausherr am vorletzten Januar-Tag vom Stapel ließ, war alles andere als ein diplomatisches Statement. Aber ohne Einschränkungen berechtigt. „Hätte eine Bananenrepublik so einen Raub in Rumänien verübt, würden wir nicht im Rampenlicht gestanden haben“, ätzte Dr. Chituță betreffend den Diebstahl von Rumäniens goldenen Leihgabe-Exponaten dakischer Zeit aus dem „Provinciaal Museum van Drenthe“ (Drents Museum) in der holländischen Kleinstadt Assen.
Wobei er keinen Zweifel daran aufkommen ließ, mit seiner Kritik die systemischen und kulturpolitischen Mängel von daheim zu meinen. Da die rumänische Gesetzgebung sich nur geringfügig von jener in Staaten wie Italien oder Frankreich unterscheide, wäre es nicht mehr länger tragbar, Museen einfach so „wie Aschenbrödel des Kultursektors“ zu behandeln.
Nein, er war nicht wirklich gut aufgelegt, der Brukenthalmuseums-Teamleiter. Seinen persönlich präsenten oder online zugeschalteten Branchenkollegen aus Stadt, Region und Land dafür begegnete Dr. Chituță mit dem Gegenteil stiefmütterlicher Begrüßung. Kulturerbe aber, wovon man in der Breitengesellschaft erst im Augenblick des Verlusts überhaupt erfährt, ist der Kern des eigentlichen Problems – eine Kerbe, in die auch Alexandru Gavrila{, Direktor der Museums-Vereinigung von Bistritz, schlug. Und ein dem Artistischen ohnehin inhärentes Dilemma, auf das Robert Strebeli als ehemaliger Experte für Restaurierung am Bruken-thalmuseum und aktuell Direktor des Kreismuseums für Kunst in Baia Mare detailliert zu sprechen kam: „Als für Erhalt und Pflege Zuständiger schläft man grundsätzlich nicht gut, solange das ein oder andere Werk als Leihgabe woanders ausgestellt wird. Aus der Physik wissen wir, dass jedes Stück früher oder später zu existieren aufhört. An uns Fachleuten liegt es, diesen Zeitpunkt hinauszuschieben.“ Eine besonders heftige Schwierigkeit dabei? Dass Kunsträuber professionell vorgehen. Für den Diebstahl des wertvollsten Steins aus dem Mineralogischen Museum von Baia Mare vor elf Jahren reichten dem bis heute nicht gestellten Täter 17 Sekunden.
Trotzdem kann es in Rumänien auch gutgehen, und das über sehr lange Zeitspannen, wovon in Hermannstadt Stargeiger Alexandru Tomescu als Spieler einer Violine von Antonio Stradivari erzählte, die zum Staatsschatz zählt und seit 17 Jahren von ihm alleine zum Klingen gebracht wird. „Unversehrt und unverletzt, ich hoffe, sie bleibt es auch weiterhin.“ Eine Frage der Versicherung, die gleich anschließend Brukenthalmuseums-Mitarbeiter Adrian Luca näher beantwortete, ohne groß nach schonenden Worten zu suchen: „Ein Jahr mindestens“ dauere die Vorbereitung des Ausleihens eigener Exponate an Orte in der Fremde, und eine verdammt schwere Last wäre „immer die Versicherung“. Ausstellungen im Ausland jedoch sind „lebenswichtig, finde ich persönlich“, räumte Adrian Luca im Brukenthalmuseum ein. Von der bisher wichtigsten Erfahrung des barocken Palais am Großen Ring/Pia]a Mare in den Niederlanden, die sich von Juni bis Oktober 2016 am Het Noordbrabants Museum in der Provinz-Hauptstadt ´s-Hertogenbosch ereignete, schwärmte in höchsten Tönen Alexandru Sonoc als Laudator der Ausstattung am holländischen Partner-Haus. Nicht nur, dass dort sehr spezielle Wägen für das unbeschwerte Fortbewegen von Bildern gebraucht würden, nein. Auch „ihre Truhen zur Manövrierung von Bildern schützen vor Feuer, Sturz und hohem Druck“, wogegen „bei uns dafür noch die menschliche Kraft angewandt wird, ganz wie zur Zeit der Pharaonen“.
Auf einen Affront ließ Dr. Chituță es während des zwei Stunden langen Vortrags mit politischem Biss nicht ankommen. Trotzdem musste Emilian Gamureac, Direktor der Abeilung für Kulturerbe beim Kulturministerium, dem bestens über die gesetzliche Lage und ihre Hintergründe informierten Brukenthalmuseums-Leiter online zugeschaltet nüchtern Rede und Antwort stehen. Dem von Videokameras sehr gut überwachten Zentrum Hermannstadts steht zum Beispiel die Tatsache ausbaufähiger Fachpersonal-Entlohnung gegenüber, womit Restaurator Ioan Muntean einverstanden ist: Der Experte des Brukenthalmuseums für gründliche Bild-Überholung leiste „dieselbe Qualität wie ihm persönlich bekannte Kollegen in Frankreich“, habe sich aber „mit fünfmal kleinerem Gehalt als sie“ zu begnügen, so Dr. Chituță. Sehr hinderlich auch das Regelwerk an rumänischen Museen betreffend internationales Ausleihen von Exponaten ins Ausland, da „Verträge unsererseits stalinistisch von bis zu 15 Personen unterzeichnet werden müssen, während für das Museum im Ausland nur der Direktor unterschreibt.“ Beschädigtes Vertrauen, das der Brukenthalmuseums-Direktor ungerne auf die Kooperation mit der römischen Galleria Borghese überschwappen sähe, die Hermannstadt bereits zwei prominente Leihgaben für die Zeit um den nächstfolgenden Jahreswechsel versprochen hat. Auch könne es nicht sein, dass das Brukenthalmuseum sage und schreibe 20 Prozent des eigenständig erwirtschafteten Budgets für Sicherheit und Bewachung berechnen muss. Keine Frage außerdem, dass „wir den Eindruck kleiner Welt und großen Dramas haben“, wo „das in den Niederlanden geraubte Kulturerbe Rumäniens nicht gestohlen worden wäre, hätte es keinen Wert gehabt.“