„Luftwurzeln“ und „Augenblicke“ einer Berlinerin aus dem Banat

Schriftstellerin Edith Ottschofski gastierte im Erasmus Büchercafé

An Wahlberliner Oskar Pastior erinnernd, der von einem Ort schreibt, „wo mich jeder erkennt am fremden Zungenschlag“, entscheidet Edith Ottschofski sich für den Begriff „Freimat“. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – „Heumat“ findet Edith Ottschofski „nicht so belastet wie ´Heimat´“, weswegen sie als Autorin von Gedichten für die Lyrik-Reihe vom Pop Verlag Ludwigsburg auch ganz klar dem politisch weniger aufgeladenen Wortspiel statt seinem engen Ur-Begriff in korrekter Schreibweise den Vorzug gibt. Donnerstag dagegen, am 2. Mai, hatte sie nachmittags im Erasmus Büchercafé Hermannstadt/Sibiu während ihrer allerersten Lesung überhaupt in Siebenbürgen als 1964 in Temeswar geborene und März 1990 in das wiedervereinigte Deutschland emigrierte Philologin auch den Spruch auf der Zunge, der sich in Berlin bestimmt jedem aus dem Banat kommenden Menschen deutscher Muttersprache aufdrängt: „Selten red´ ich noch wie z´haus“. Wobei er Edith Ottschofski vor dem Tresen des Erasmus Büchercafés nicht einfach so urplötzlich entfuhr, sondern von ihr aus dem 144 Seiten zählenden Band „im wohlklang unverhohlen“ vorgelesen wurde, mit dem sie 2018 ihr Lyrik-Debüt beim Verlag von Traian Pop gab und Künstlerin Ilse Hehn als bildnerische Mit-Gestalterin auch für die vor zwei Jahren publizierte Gedicht-Sammlung „saumselige annäherung“ ins Boot geholt hat.

Anemone Latzina, Franz Hodjak, Herta Müller, Werner Söller und nicht zuletzt Oskar Pastior, den sie in Berlin mehrmals besucht hat, sind die bedeutendsten Namen in der Bibliothek von Leserin Edith Ottschofski, die ein gutes Stück weit weg von der bundesdeutschen Hauptstadt-Mitte wohnt, „viel S-Bahn“ fährt und ihre Eindrücke als kritisch aufgelegte Gesellschaftsbeobachterin in Waggons von Tram und Zug zu pointierten Porträts von Frauen und Männern im Band „saumselige annäherung“ verarbeitet hat. Versessen vom Stieren in das Smartphone Aufgesogene und sogar ein militärisch bekleideter Passagier und Holocaust-Leugner kommen darin vor. Und dass ihr vielsprachig fordernder Roman „Luftwurzeln“ (2016) „schwierig zu lesen ist“, aber mit melodischem Sprachgang besticht, räumte Edith Ottschofski am zweiten Maitag in Hermannstadt genauso ein. Ihre Lesung hatte sie mit Auszügen aus dem Lyrik-Band „Augenblicke. Clipe. Clins d´śil“ eröffnet, der 2021 vom Bukarester Verlag Casa de Pariuri Literare veröffentlicht wurde und mit übersetzerischem Zuarbeiten von Nora Iuga sowie Alain Jaidot entstanden ist. Edith Ottschofski und ihr „Hypersetzer“ in das Französische haben nicht nur Berlin als Wahlheimatstadt, sondern auch die Achtung für den Referenz-Wert der Handschrift von Ernst Jandl gemein. Drei Stück ihres dreisprachigen Sammelbands der Stärke von 28 Seiten hatte Edith Ottschofski dabei, und Gastgeber Jens Kielhorn empfahl als genauestens Bescheid wissender Inhaber vom Erasmus Büchercafé, die Gelegenheit zum Kauf nicht zu verpassen, da die Ausgabe nur noch mit etwas Glück am Online-Gebrauchtmarkt zu finden wäre. Edith Ottschofski selbst schließlich hatte zuvor bestätigt, dass ihr Gedicht-Band „der schaum der wörter“, 2010 vom Johannis Reeg Verlag Bamberg herausgegeben, vergriffen ist. Überall in Europa haben Kleinverlage es nicht einfach. Zum Schluss der Veranstaltung im Erasmus Büchercafé Hermannstadt dafür war großes Interesse an der Signierstunde von Edith Ottschofski zu beobachten.