Menschenrechte in Rumänien: Alte Probleme bleiben aktuell

US Department of States und Amnesty International beurteilen in ihren Jahresberichten die Lage in Rumänien 2022

Gewalt gegen Gefängnisinsassen und mangelnde Rechte für LGBTI-Personen sind nur zwei von vielen Bereichen, die zeigen, dass in Rumänien die Rechte aller Menschen nicht gleichermaßen anerkannt und respektiert sind. | Foto: piqsels.com

„Bedenken hinsichtlich der exzessiven Anwendung von Gewalt durch die Polizei blieben weit verbreitet“ und „Roma und LGBTI-Personen waren weiterhin systematischer Diskriminierung ausgesetzt“ – so lauten zwei der ersten aus dem Englischen übersetzten Statements, mit denen Amnesty International die Situation der Menschenrechte in Rumänien im Jahr 2022 beschreibt. Jedes Jahr beschreiben die unabhängige Menschenrechtsorganisation und das US Department of States (USDOS – Außenministerium der Vereinigten Staaten) die Menschenrechtssituationen in den Ländern der Welt und kritisieren, was es ihrer Einschätzung nach zu kritisieren gibt. Bei Menschenrechten geht es um die Freiheit und Würde jedes Menschen, die dabei festgelegten Rechte stehen jeder Person zu – einfach aufgrund ihres Menschseins. Viele altbekannte Probleme damit sind in Rumänien weiterhin aktuell, auch wenn man sie im tagtäglichen Leben nicht immer mitbekommt. Ein genauer Blick ist deswegen lohnenswert.

Polizeigewalt – vor allem in Gefängnissen


„Es gab glaubhafte Berichte von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) und den Medien, dass Polizei und Gendarmerie Roma, Asylsuchende, Minderheiten und andere Personen mit ausartender Gewalt – inklusive Schlägen – misshandelt haben“, berichtet die staatliche USDOS in ihrem Jahresbericht und führt einige Fälle aus den Vorjahren auf. Darunter einer von August 2021, als das Bukarester Oberlandesgericht sechs Polizisten wegen „Folter, illegalem Freiheitsentzug, missbräuchlichem Verhalten und Fälschung“ angeklagt hat.

Darüber hinaus stehen vor allem die Situation in den Gefängnissen im Fokus, welche laut der US-Organisation „nicht internationalen Standards genüge“ und zahlreiche Probleme beherberge. USDOS beruft sich auf einen Bericht des „Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ (CTP, ein Organ des Europarates), der aussagt, dass es in rumänischen Gefängnissen „eine beträchtliche Anzahl von Vorwürfen der Misshandlung von Gefangenen durch das Gefängnispersonal“ insbeson-dere im Gefängnis Giurgiu, aber auch im Gefängnis Craiova und in geringerem Maße in den Gefängnissen M˛rgineni und Gala]i gegeben habe. CTP „erhielt glaubwürdige Anschuldigungen, wonach Mitarbeiter des Gefängnisses von Giurgiu mehreren Häftlingen wiederholt Schläge auf die Fußsohlen zur Bestrafung verpasst hätten, eine Foltermethode, die als Falaka (Bastonade) bekannt ist“, berichtet USDOS.

Auch Amnesty berichtet von einer Umfrage, die „Bedenken wegen exzessiver Gewaltanwendung durch die Polizei sowie Missachtung des Rechts der Insassen auf wirksame Rechtsverteidigung“ in den Gefängnissen ergab. Die gewaltvolle Atmosphäre führe auch zu „einer geringen Zahl von Beschwerden über mutmaßlichen Missbrauch“. Das bedeutet, dass gerade wegen der ausgeübten Gewalt weniger Beschwerden ausgesprochen werden, weil die Insassen noch mehr Gewalt fürchten. Ein Teufelskreis.

Polizei schützt kaum vor gewalttätigen Männern

In einem solchen finden sich auch viele Frauen in Rumänien wieder. „Mehrere Menschenrechtsaktivisten berichteten, dass einige Polizisten versuchten, Überlebende von Vergewaltigung oder häuslicher Gewalt davon abzubringen Anklage gegen ihre Angreifer zu erheben. Außerdem weigerten sie sich in einigen Fällen, von Opfern eingereichte Strafanzeigen zu registrieren“, berichtet USDOS. Dies sei eine der Methoden, wie Frauen in Rumänien diskriminiert werden. 

Auch Amnesty erklärt, dass „die Zahl der gemeldeten Vorfälle von Gewalt gegen Frauen – darunter Femizide – hoch bleibt.“ USDOS ist konkreter und erklärt auch, dass der Staat nicht konsequent genug gegen solche Fälle vorgehe. Rechtlich bereits zur Verfügung stehende Mittel wie etwa die „einstweilige Verfügung“ – bei der sich der Täter der angegriffenen Person eine Weile lang nicht mehr nähern darf – würden nicht ausreichend und häufig für einen zu kurzen Zeitraum angewendet. 

Dafür stellt USDOS ein Beispiel vor: „Medienberichten zufolge tötete im Januar (Anm. d. Red.: 2022) ein Mann aus Bacău – der unter einer einstweiligen Verfügung stand – seine Partnerin. Die Frau hatte nach wiederholter Misshandlung eine einstweilige Verfügung erwirkt, gegen die ihr Partner wiederholt verstoßen hatte. Nach Angaben der Angehörigen des Opfers hatte die Frau zuvor die Polizei über die Verstöße des Täters gegen die einstweilige Verfügung informiert. Mehrere Journalisten bemerkten, dass die Polizei die wirksame Durchsetzung der einstweiligen Verfügung nicht überwacht habe“ – somit hatte der Staatsapparat die Frau im Stich gelassen, was ihr das Leben kostete.

Roma auf verschiedenen Ebenen benachteiligt

Ähnlich problematisch sehe die Situation bei der Volksgruppe der Roma aus. Dort kann Amnesty aber zumindest von einer positiven Entwicklung berichten: „Eine im Juni von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) veröffentlichte Umfrage in zehn Ländern zeigte in den meisten der untersuchten Länder – einschließlich Rumänien – einen Rückgang der durch Hass motivierten Belästigung und körperlichen Gewalt gegen Roma im Vergleich zu den Ergebnissen der FRA im Jahr 2016.“ 

Trotzdem seien „die rumänischen Roma weiterhin mit weit verbreiteter Armut, sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert, unter anderem in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wohnung und Beschäftigung.“ Dem stimmt auch die amerikanische Organisation zu. 

Dazu hat sie auch ein paar Beispiele parat: „Am 18. Juni (Anm. d. Red. : 2022) soll laut Medien und der NGO ‘European Roma Rights Center’ die Polizei einen Roma-Mann festgenommen und zur Polizeiwache in der Stadt Piatra Neam] gebracht haben. Ein Videoclip – der von einem Roma-Aktivisten in den sozialen Medien geteilt wurde – zeigte offenbar, wie der Mann die Polizeistation unsicher und mit einem blutigen Hemd und einem stark verletzten und geschwollenen Auge verließ und von seinen sichtlich verzweifelten und weinenden Kindern empfangen wurde. Der Mann rief später die Notrufnummer 112 an und sagte, er sei von der Polizei angegriffen worden. 

Polizeibeamte erklärten, ein Beamter habe den Mann zum Polizeipräsidium Piatra Neam] gebracht, wo er sie beleidigte und sich weigerte, sich auszuweisen. Als Antwort auf Medienanfragen erklärte die Polizeiinspektion des Landeskreises Neam] am 20. Juni, der Staatsanwalt habe ein Verfahren eröffnet und eine interne Untersuchung werde stattfinden, um die Fakten aufzuklären.“ 

Dort enden die Probleme jedoch nicht: „Roma werden im Strafjustizsystem diskriminiert. Einige Anwälte weigerten sich, Roma-Personen zu verteidigen, während Polizei, Staatsanwälte und Richter negative Stereotypen über Roma hegten“, stellt USDOS fest. Außerdem kritisiert die Organisation, dass „ein Mangel an Ausweisdokumenten viele Roma daran hindert, an Wahlen teilzunehmen, Sozialleistungen zu erhalten, Zugang zu Krankenversicherungen zu erhalten, Eigentumsdokumente zu sichern und am Arbeitsmarkt teilzunehmen.“

Diskriminierung von LGBTI-Personen

Auch beim Themas LGBTI-Personen und ihren Rechten hinkt Rumänien den meisten anderen Ländern der Europäischen Union hinterher. Amnesty sieht vor allem ein Hauptproblem: „Gleichgeschlechtliche Ehen und Partnerschaften blieben nicht anerkannt.“ Dazu kommt noch, dass „Rumänien die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2018, über die Notwendigkeit der Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften zur Gewährleistung der Freizügigkeit und des Aufenthalts für gleichgeschlechtliche Paare, weiterhin nicht einhält.“ 

Das bedeutet, dass Rumänien sich weigert, die EU-Richtlinien zur Gleichberechtigung homosexueller Paare in nationales Recht umzuwandeln, obwohl sie von der EU dazu angehalten sind.

Bittere Bilanz: Rumänien eines der Schlusslichter der EU

Damit nicht genug. In vielen weiteren Fällen kreiden die beiden Organisationen – insbesondere USDOS – zahlreiche Missstände in den verschiedensten Bereichen an: „Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten glaubwürdige Berichte über Vorfälle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung durch die Regierung, weit verbreitete schwere offizielle Korruption, fehlende Untersuchung und Rechenschaftspflicht für geschlechtsspezifische Gewalt – einschließlich, aber nicht beschränkt auf Gewalt in der Familie und in der Partnerschaft – sowie sexuelle Gewalt und Missbräuche, die auf Menschen mit Behinderungen in staatlichen Institutionen abzielen“, berichtet USDOS. „Rumäniens Bilanz bei der Umsetzung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gehört laut dem European Implementation Network und Democracy Reporting International zu den schlechtesten in der EU“, erklärt auch Amnesty. 

Dennoch wird in einem gewissen Rahmen – laut dem amerikanischem Ministerium jedoch bislang weitgehend erfolglos – dagegen vorgegangen: „Die Regierung unternahm Schritte, um Beamte, die Missbräuche begangen hatten, zu identifizieren, zu ermitteln, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen. Jedoch verfügten die Behörden nicht über wirksame Mechanismen, um dies zu tun, und verzögerten Verfahren wegen angeblichen Missbrauchs und Korruption durch die Polizei. Das führte dazu, dass viele der Fälle mit Freisprüchen endeten. Straflosigkeit für die Täter von Menschenrechtsverletzungen ist ein anhaltendes Problem.“