Die Bukarester Wertpapierbörse erlebte in der ersten Handelswoche im Mai die schlimmste Woche in diesem Jahr. Nicht einmal die kaum nachvollziehbaren Zoll-Entscheidungen in den USA haben der rumänischen Börse so stark zugesetzt wie der Ausgang des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen, die der rechtspopulistische Kandidat George Simion deutlicher für sich entscheiden konnte als der parteilose Rechtsextremist Călin Georgescu im November, der inzwischen wegen diverser gesetzlicher Verstöße von der Wahl ausgeschlossen wurde. Simion geht nun als Favorit gegen den parteilosen Oberbürgermeister der rumänischen Hauptstadt, Nicușor Dan, am 18. Mai in die Stichwahl. Aufgrund des Ausgangs der ersten Wahlrunde reichte der sozialdemokratische Premierminister, Marcel Ciolacu, seinen Amtsrücktritt ein. Der auch von der PSD unterstütze Koalitionskandidat Crin Antonescu war im ersten Wahlgang nur Dritter geworden, genauso wie Ciolacu selber bei der vom Verfassungsgericht annullierten Präsidentschaftswahl im vergangenen November. Die sozialdemokratischen Minister bleiben bis nach dem zweiten Wahlgang im Amt, wenn eine neue Regierung gebildet werden soll. Die Aussicht, dass ein extremistischer Präsident das Land leiten wird, gepaart mit dem Wechsel an der Regierungsspitze hat die Landeswährung ungeheuerlichem Druck ausgesetzt (dazu weiter unten) und der Börse die schlimmste Woche des Jahres beschert: Die rumänischen Indizes brachen im Durchschnitt um mehr als 4 Prozent ein.
Vertrauensverlust trifft Finanzwerte-Index am härtesten
Am besten entwickelte sich noch der Energiewerte-Index BET-NG, der nur 3,24 Prozent verlor. Damit fiel er vorerst unter die 1200-Punkte-Marke auf 1197,93 Punkte. Der ROTX ging um 3,6 Prozent zurück und fiel zwei Schwellen auf 36.865,14 Punkte. Der Hauptindex lag mit minus 3,8 Prozent ebenso unter dem Durchschnitt wie der BETPlus (minus 3,97 Prozent). Auch der BET schloss unter der vormals überbotenen Marke von 17.000 Punkten bei 16.483,58 Punkten. Am stärksten traf die Nervosität den Finanzwerte-Index BET-FI: Dieser verlor auf Wochensicht fast 5,4 Prozent und fiel auf 57.644,59 Punkte – deutlich unter der 60.000-Punkte-Marke der Vorwoche. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass das Finanzministerium versuchte, in der vergangenen Woche, 500 Millionen Lei zu borgen – und keine Geldgeber fand. Erst in einem zweiten Versuch schaffte das Ministerium es, 250 Millionen Lei zu höheren Zinsen als üblich zu leihen.
Ein Emittent mit Allzeithoch
Auch wenn 67 Emittenten Kursverluste verzeichneten und nur 6 Kursgewinne, gab es doch Lichtblicke auf Emittenten-Ebene. Allerdings betrifft dies mit der Erste Bank Group (EBS, 357,8 Lei, ISIN AT0000652011) gerade einen ausländischen Emittenten. Die Bank erreichte in Bukarest bei 359 Lei ein neues 52-Wochen-Hoch, gerade in der Handelswoche mit den größten Turbulenzen. Auf Wochensicht legte die EBS-Aktie mit 20,5 Prozent auch den einzigen zweistelligen Wochengewinn hin. Bei den Verlierern waren es 10 Emittenten, die Kursrückgänge zwischen 10,13 Prozent (Antibiotice – ATB, 1,792 Lei, ISIN ROATBIACNOR9) und 18,6 Prozent (Promateris – PPL, 5,25 Lei, ISIN ROPRLAACNOR7) erlebten. Eine bestimmte Branche, die vom abrupten Vertrauensverlust besonders stark betroffen wurde, lässt sich nicht anhand der höchsten Kursrückgänge ermitteln: Hier finden sich unter anderem zwei Maschinenbauer (Turbomecanica – TBM, 0,361 Lei, ISIN ROTBMBACNOR9 – und COMELF – CMF, 4,18 Lei, ISIN ROCMBFACNOR6), ein Finanzdienstleister (Transilvania Broker de Asigurare – TBK, 11,4 Lei, ISIN ROTBKAACNOR5) und der Verpackungshersteller Vrancart (VNC, 0,093 Lei, ISIN ROVRJUACNOR7). Da ist schon der Blick auf den Finanzwerte-Index BET-FI aussagekräftiger. Hier zogen vor allem Longshield Investment Group (LONG, 1,635 Lei, ISIN ROSIFDACNOR6) und der Fonds Proprietatea (FP, 0,342 Lei, ISIN ROFPTAACNOR5) den Index nach unten: Longshield Investment Group hat mit 19,45 Prozent die höchste Gewichtung im Index und verlor auf Wochensicht 7 Prozent. FP-Aktien haben zwar nur die fünftgrößte Gewichtung (15,89 Prozent), weisen aber den höchsten Verlust aus (minus 8,9 Prozent). Auch in diesem Fall kann es sich aber durch den erwarteten Management-Wechsel (ADZ berichtete) auch um andere Gründe für den Kursrückgang handeln.
Ausblick bleibt spannend
Jüngsten Umfragen zufolge hat sich der Unterschied des pro-europäischen Herausforderers Dan zum AUR-Chef und Favoriten Simion deutlich verringert und er gewinnt immer mehr prominente Unterstützung, sodass die weitere Entwicklung der rumänischen Börse spannend bleibt. Andererseits droht mit angekündigten möglichen Abstufungen durch internationale Ratingagenturen weiteres Ungemach.
Devisen
Der rumänische Leu geriet durch den Ausgang der ersten Wahlrunde der Präsidentschaftswahl unter enormem Druck. Medienberichten zufolge musste die Notenbank den Leu mit mehr als zwei Milliarden Euro stützen, nur um den Einbruch des Wechselkurses kontrollieren zu können. Am Ende fiel der Leu auf Wochensicht um 2,8 Prozent zur europäischen Einheitswährung – ein in jüngster Vergangenheit unerhörter Wert. Erstmals sprang der Euro am vergangenen Dienstag über die psychologisch wichtige Marke von 5 Lei. Bis Ende der Handelswoche wurde er bei 5,1165 Lei stabilisiert, mit einer Spitze am Donnerstag bei 5,1222 Lei. Wohlgemerkt, das sind die amtlichen Schlusskurse. Im Laufe des zwischenbanklichen Handelstages können die Kurse schon stärker ausschlagen. Der US-Dollar stieg in der vergangenen Woche 3,74 Prozent und notiert nun wieder über der 4,5-Lei-Marke. Gestern startete der Euro bei 5,1165 Lei, der US-Dollar bei 4,549 Lei in die neue Handelswoche.
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