Randbemerkungen: Wirrungen, Verwicklungen


Für Moskau ist jedwede Krise im Nahen und Mittleren Osten ein Glücksfall: dann schnellt der Ölpreis in die Höhe. Rund 30 Prozent des Haushaltseinkommens Russlands kommen aus Öl- und Gasexporten. Auch der beifallgeile Schauspielamateur Trump jubelt bei Nahostkrisen im Stillen, denn einerseits kann er die Militärlieferungen an den ihm unsympathischen Selenskyj (Trump denkt nur in persönlichen Kategorien) mit der Begründung stoppen, er könne einerseits keine Leerung der US-Arsenale akzeptieren – und was überschüssig wäre, müsse er an Freund Bibi Netanyahu abgeben, sonst gerate das militärische Gleichgewicht im Nahen und Mittleren Osten aus den Fugen. Bleibt also leider für die Ukraine nix übrig.

Putin kann niemand vorwerfen, er habe den im Januar im Kreml unterzeichneten Beistandsvertrag mit dem Iran übertreten, denn der sieht nur vor, dass im Fall des Angriffs auf eine der Seiten die andere dem/den Angreifer(n) keine (Militär-)Hilfe gewährt... Und Putins Russland liefert ja weder Waffen noch Munition an Israel – das tun großzügigerweise die US-Amerikaner. Und schwächen die Abwehrkraft der Ukraine, entblößen zudem Europa militärisch – was wiederum ganz im Sinn von Putin ist. Die leichtfertig hingeworfenen Thesen, dass Putin als Folge des Mittelostkriegs auf die Verliererschiene gelangt und dass ein Sieg Israels gegen den Iran den Sieg der Ukraine gegen Russland einleite, sind logisch haltlos. Andrerseits ist die im rechten Lager zirkulierende Idee genauso schwer zu untermauern, dass die Ukraine auf den Weg sei, mittels Dauer-Aufrüstung durch das Abendland eine Art „gepanzerte Faust“ oder „chinesische Mauer“ Osteuropas gegen den russischen Bären zu werden.

Nicht ganz abwegig ist es hingegen, die Aggressivität und militärische Schlagkraft Russlands in Osteuropa mit jener Israels im Nahen und Mittleren Osten zu vergleichen – allerdings mit dem Unterschied, dass Israel das Leben seiner Soldaten und Soldatinnen viel höher schätzt als Putin, dessen Vorgehen an eine zynische Aussage Maos erinnert, die aus der Zeit der Grenzzwischenfälle am Ussuri überliefert ist: „Wenn der Gegner eine Million unserer Soldaten tötet, stellen wir ihm eine weitere Million entgegen – bis dem Gegner die Munition ausgeht!“

Trump und Putin liefern sich auch ein Fernduell als Vermittler im Mittelostkonflikt. Dabei ist allerdings schwerlich vorstellbar, dass Israel je einen Putin als Vermittler zu akzeptieren bereit ist, denn Moskau stand am 7. Oktober 2023 an Seiten der Hamas, hat zudem eine lange Tradition engster Beziehungen zu Teheran (nicht zufällig sprechen die Ukrainer nicht von Drohnen, die sie nachts überfallen, sondern von „Shaheds“). Interessant für das Heute: Die Idee, sich als Vermittler anzubieten, hatte Putin. Öffentlich gemacht hat sie Trump, auf seiner True Social-Seite. Tatsache: Putin hat aus dem Israel-Iran-Konflikt leichte Image-Vorteile herausgeschlagen. Er scheint in 20-jähriger Herrschaft etwas gelernt zu haben: diplomatische Taktik. Damit scheint er auch Trump um den Finger zu wickeln. Dass sein Partner Iran jetzt auf der Verliererstraße steht – beim Atomprogramm, der Schrumpfung seines konventionellen Arsenals, des Einflussverlusts über die Milizen in Syrien, dem Libanon, im Gaza-Streifen – setzt allerdings auch die Achse Moskau–Teheran strategisch außer Gefecht.
Die Gefahr, dass ukrainische Operationen von Typ SpiderWeb Moskaus Hemmungen vor einem taktischen Nuklearschlag ausschalten, bestehe – so die Meinung westlicher Kanzleien. Daher der gedämpfte Enthusiasmus, als die Ukrainer russische taktische Flugzeuge tief in Sibirien kaputtbombten. Mit der Nukleardrohung hält Moskau (Besitzer von 2832 Nuklearsprengköpfen) den Westen im Schach.

Vorläufig droht Moskau bloß rhetorisch mit seinem kriegstauglichen Atomarsenal. Doch dem Kreml trauen oder gar ihn unterschätzen darf man nie.