Ein langer Tisch, ein holzgetäfelter Raum, immense Kronleuchter an der Decke. Im Großen Sitzungssaal von Schloss Cotroceni hat der rumänische Staatspräsident Klaus Johannis am 25. Oktober zum Abschluss seiner Amtszeit zum Empfang eingeladen. Mehrere Mitglieder des Präsidialamts sind anwesend, die 27 Mitarbeiter und Mitarbeite-rinnen des Demokratischen Forums der Deutschen aus Hermannstadt sitzen sich in zwei langen Reihen gegenüber. Am Tischende der Präsident.
Nur eine Jugendgruppe des Forums hatte ihn bisher auf Schloss Cotroceni besucht. Die Stimmung ist freundlich, ruhig, gesetzt. Mehr als eine Stunde dauert der Empfang. Der Präsident nimmt sich Zeit. Nicht nur für die Besucherinnen und Besucher, auch für seine Antworten. Er wägt ab, nachdenklich, wählt seine Worte. Nach zehn Jahren Amtszeit kann man Bilanz ziehen. Man merkt, das tut er auch – und steht offen Rede und Antwort. Alles darf gefragt werden: Wollte er schon immer Politiker werden? Wie viel Zeit hat er als Präsident für sich? Mit welchen Gefühlen verlässt er sein Amt? Dann geht es um Politikverdrossenheit, politische Bildung, um Fake News, um Ökumene in Rumänien, um die Situation der deutschen Minderheit auf der Lokalebene in Hermannstadt.
„Inwieweit hat es eine Rolle gespielt, als Angehöriger der deutschen Minderheit das Amt des Präsidenten zu bekleiden?“
Dies ist eine der Fragen, die ihm eingangs gestellt werden. „Ich habe immer gesagt, ich bin rumänischer Staatsbürger, ethnisch deutsch, und überzeugter Europäer.“ Es sei schwer, das von-einander zu trennen, weil alle Facetten zu ihm gehörten, so Johannis. Durch seine ethnische Zugehörigkeit habe er eine zweisprachige Schulbildung hinter sich – das habe ihm persönlich sehr geholfen. Durch seine Tätigkeit im Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) habe er einen sehr guten Einblick in die Minderheitenpolitik erhalten. Die Zeit als Bürgermeister von Hermannstadt habe ihm geholfen zu verstehen, wie eine Verwaltung funktioniert. Seiner Ansicht nach habe es durchaus eine Rolle für das jetzige Amt gespielt, dass er ethnisch deutsch ist: „Jemand, der aus der Mehrheit kommt, hat eine Sicht der Dinge, jemand der evident aus einer Minderheit kommt, hat eine andere Sicht der Dinge. Wobei in meinem Fall die Definition Minderheit nicht nur die ethische Zugehörigkeit meint – ich bin genauso Angehöriger einer christlichen Minderheit. Denn die meisten rumänischen Staatsbürger sind ja bekanntermaßen orthodoxe Christen. Das gibt einem ein gewisses Verständnis eher von unten als von oben her.“
Werden Länder wie Rumänien in Europa genug gehört?
Rumänien habe eine gute Position – in Europa, in der NATO und international. Rumänien und die anderen osteuropäischen Staaten würden als gleichberechtigte Partner angesehen: „Das heißt aber nicht, dass alle das tun müssen, was wir sagen. Man muss sich da auch selbst richtig einschätzen.“ Es gebe Partner und Freunde in Osteuropa, die davon ausgingen, dass sich alle an das, was sie sagen, anschließen müssten. Dem sei nicht so. Man müsse akzeptieren, dass man gehört werde, aber eben nicht immer das passiere, was man sich vorher vorgestellt habe: „Wie in jeder Runde, in der abgestimmt wird.“ Die Situation sei nicht immer so gewesen. Es habe in der europäischen Union früher durchaus Klassifizierungen gegeben – Länder ersten, zweiten, dritten Ranges. Das sei aber derzeit nicht mehr der Fall. In der NATO hätten alle verstanden, dass Rumänien in der Nähe der Ukraine liege: „Rumänien wird beachtet und geachtet“, sagt Johannis. Das sei wichtig zu betonen, weil es in Rumänien Politiker extremer Orientierungen gebe, die mit diesem Motiv Politik machten, dass das Land nicht genügend Anerkennung finde.
Wie schätzt der Präsident die derzeitige Lage in Bezug auf den Ukrainekonflikt ein?
Denn auch in unmittelbarer Nachbarschaft, in der Republik Moldau, spürt man den Einfluss Russlands. Kürzlich fand hier die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Die Präsidentin Maia Sandu führte parallel zur Wahl ein Referendum durch, mit dessen Hilfe der EU-Beitritt des Landes in der Verfassung verankert werden sollte. Sehr knapp erreichte das Referendum eine Mehrheit.
Ein ernster Moment ist daher der, in dem Johannis Bezug auf den Ukrainekrieg und zur räumlichen Nähe Rumäniens zum Konflikt nimmt: In Europa sei man so naiv gewesen zu glauben, es würde in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Krieg mehr geben, so Johannis. Die Sicherheits- und Außenpolitik sei auf eine solche Situation nicht eingestellt gewesen: „Die Einflüsse sind relevant, sehr negativ, und werden sich für sehr lange Zeit auswirken.“ Man stehe in Rumänien an der Seite der Ukraine. Es gebe aber negative Auswirkungen auf politischer, auf wirtschaftlicher und auf sozialer Ebene. Die Anspannung in der Bevölkerung sei spürbar. Für die Republik Moldau sei es noch schlimmer; die Wirtschaft sei schwach. Zudem habe das kleine Land viele ukrainische Flüchtlinge aufgenommen. Abschließend sagt er: „Die globale Weltarchitektur wird in absehbarer Zeit anders aussehen. Der Krieg in der Ukraine wird irgendwann zu Ende sein, der im Mittleren Osten hoffentlich auch. Und dann wird eine neue Welt gebaut. Und wenn wir uns nicht einigen, dann werden wir nicht an dem Tisch sein, wo sie gebaut wird, sondern dann werden andere über uns entscheiden.“
Wie schaut Klaus Johannis auf seine Zeit als Präsident zurück?
Darüber könne man Bücher schreiben, sagt Johannis. „Mit Höhen und Tiefen“ sagt er dann. „Aber die positiven Seiten überwiegen für mich“.
Zum Schluss das Gruppenfoto in der Halle von Schloss Cotroceni. Ein bisschen Abschied liegt in der Luft. Ein denkwürdiger Moment. Von Forumsseite freue man sich, bald wieder ein Mitglied im Hermannstädter Forum zu haben, sagt ein Vertreter der Forumsdelegation.