Wenn wir Menschen uns erholen und schlafen, gibt es Lebewesen, die genau dann anfangen aktiv zu werden. Mehr als die Hälfte aller Tierarten kommen in der Dämmerung oder in der Nacht aus ihren Verstecken, beginnen zu fressen, sich fortzupflanzen oder auszuschwärmen. Die Vorteile der Nacht sind, dass sie kühl ist, feucht und lichtarm, und die tagaktiven Fressfeinde schlafen um diese Zeit; sie ist für die „Nachtwandler“ also sicherer.
Um sich in der Nacht orientieren zu können, haben nachtaktive Tiere besondere Eigenschaften entwickelt. Sie können besser sehen oder besser hören oder auch besser riechen … Ohne seine künstlichen Hilfsmittel wäre der Mensch in diesen Fähigkeiten den Tieren weit unterlegen. Für ihn hat die Nacht gefühlsmäßig etwas Geheimnisvolles bis Gefährliches behalten, und das gemeinsame Nachtleben von Tier und Mensch ist nicht immer konfliktfrei. Missverständnisse und Fehlinterpretationen können durch gezielte Informationen ausgeräumt werden und tragen damit einen wichtigen Teil zur Erhaltung der Natur bei.
Eine andere Art von Wissensvermittlung
Das Museum Niederösterreich übernimmt im Haus für Natur eine bedeutsame Aufgabe: Flora und Fauna werden im Haus für Natur mit jährlich mehreren Ausstellungen beson-ders gut dargestellt. Großer Bedacht wird dabei auch auf die Bedürfnisse von Jugendlichen genommen, die nicht immer den gleichen Informationsstand haben wie in späteren Jahren und vielleicht auch eine andere Art der Wissensvermittlung interessant finden. Im Fall der Fledermäuse ist diese Aufbereitung doppelt sinnvoll, denn es zeigt sich, dass die Erwachsenen oft auch nicht viel mehr über Fledermäuse wissen als ihre Kinder ...
Einzigartig ist in St. Pölten die Kombination aus Museum und Zoo, mit Aquarien, Terrarien und dem Museumsgarten. Hier tummeln sich über vierzig lebende einheimische Tierarten. Die Ausstellung „Tiere der Nacht“ wurde vom wissenschaftlichen Leiter Dr. Ronald Lintner und dem Zoologen Michael Stocker kuratiert und von zahlreichen Veranstaltungen wie Diskussionsforen oder Wanderungen in Fledermausnächten mit Fledermausforscherin Katharina Bürger begleitet. Neben Uhus, Eulen Füchsen, Igeln… werden Fledermäuse wohl als die nachtaktiven Tiere schlechthin angesehen. Der Hauptakzent der Ausstellung ist denn auch auf diese Tiere gerichtet.
Höhepunkt: die TA-TA-TA-Station
Dabei ist Fledermaus nicht gleich Fledermaus. Allein in St. Pölten, der Hauptstadt Niederösterreichs, sind neunzehn verschiedene Fledermausarten bekannt: Mausohr, Kleine und Große Hufeisennase, Braunes Langohr, Abendsegler, Zwergfledermaus, Wasserfledermaus, Wimpernfledermaus, Mopsfledermaus … um nur einige zu nennen. Fledermäuse sind eine Meisterleistung der Evolution. Zur Orientierung haben sie die Echoortung entwickelt: Sie stoßen in einer für den Menschen unhörbaren Frequenz Ultraschalltöne aus, und durch das zurückkehrende Echo können sie in Bruchteilen einer Sekunde genau feststellen, welcher Art die vor ihnen befindlichen Gegenstände und Lebewesen sind und in welcher Entfernung sie sich aufhalten.
Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist die TA-TA-TA-Station. Mit TA-TA-TA-Rufen wird sichtbar gemacht, wie das Gehirn der Fledermaus diese Echotöne wahrnimmt: Je schneller die Rufe aufeinanderfolgen, desto präziser wird im Hirn der Fledermaus das Umgebungsbild erzeugt; der Rufer hat damit auf einem Bildschirm das Bild wie im Fledermausgehirn vor sich. Dass die Wahrnehmung perfekt funktioniert, zeigte sich einst bei einem (mittlerweile bekannten) Versuch: In einem vollkommen finsteren Raum wurden kreuz und quer dünne Drähte gespannt, und die umherfliegenden Fledermäuse stießen kein einziges Mal an einen der Drähte.
Fledermaus-Mythen Debunking
Die oft kolportierte Behauptung, dass sich die Fledermäuse im Haar der Frauen verfangen, ist im Reich der Sage anzusiedeln. Ebenso, dass Fledermäuse Blutsauger sind. Von den weltweit 1300 Fledermausarten leben nur drei von Blut, und diese leben ausschließlich in Mittel- und Südamerika. Der Vampir beißt vor allem Rinder, und als Risiko gilt dabei die Übertragung der Tollwut, die abgesaugte Blutmenge ist sehr gering. Die wahren Blutsauger in unseren Breiten sind Stechmücken – und von denen frisst eine Fledermaus auch tausend Stück und mehr pro Nacht.
Die Ausstellung im Haus für Natur trägt das ihre dazu bei, die Rufschädigung der Fledermäuse einzudämmen. Auf Schautafeln ist viel Interessantes über ihr Leben, ihre Ernährung, ihre Vermehrung und Brutstätten zu erfahren.
Lautlose Flieger, schmatzende Igel
Zu den bekanntesten Vögeln der Nacht gehören Eule und Uhu. Diese nachtaktiven Raubvögel können durch die Art ihres Gefieders lautlos fliegen und sich ihren Beutetieren – Ratten, Mäusen, Fröschen etc. – ungehört nähern.
Der Igel, ebenfalls ein nachtaktives Tier, benimmt sich hingegen gar nicht lautlos. Man hört ihn schnaufen oder fauchen, findet er etwas zu fressen, schmatzt er laut, hat er Schmerzen, kann er wie ein Baby schreien, und Igelmütter unterhalten sich mit ihren Babys, die ihrerseits laut zwitschern. Igel gehören beim Menschen wegen ihres putzigen Aussehens sicher zu den beliebtesten nachtaktiven Tieren. Bei Gefahr vertrauen sie auf ihre Stacheln und rollen sich ein. Das ist oft ihr Todesurteil, denn herannahende Autos beeindruckt das leider gar nicht, und so werden viele überfahren.
Von Rehen ist bekannt, dass sie in der Dämmerung auf Nahrungssuche gehen. Rehwild ist in der Dämmerung am stärksten aktiv. Wenn Rotwild die Straße überquert, kommen in kurzen Abständen mehrere Tiere hintereinander. Da sie durch das Scheinwerferlicht der Autos geblendet sind, bleiben sie reflexhaft stehen. Das kostet viele von ihnen das Leben; Rehe sind die am meisten in Unfälle verwickelte Wildtierart.
Viele Amphibien, Insekten, sogar Fische sind nachtaktiv.
Gefahr oder Hüter: der Mensch
Frei in der Natur lebende Tiere haben viele Strategien entwickelt, sie hören, sehen und tasten sich ausgezeichnet durch die Finsternis. Nur gegen ihren größten Feind, den Menschen, sind sie machtlos… Der Mensch kann aber auch ihr größter Freund sein, der große Anstrengungen zu ihrem Schutz und ihrer Gesundheit unternimmt. Dazu darf man mit Fug und Recht Aktivitäten wie die naturkundlichen Ausstellungen im Haus für Natur zählen. Die umfassenden Informationen werden stets auch für Kinder gut erlebbar ergänzt und aufbereitet, denn unser künftiger Natur- und Umweltschutz wird nur gelingen, wenn schon die Jugend interaktiv in die Materie einbezogen wird und erfährt, dass ein gutes Museum nichts Verstaubtes, langweilig Hingestelltes ist, sondern höchst interessantes Wissen vermittelt.
Das NÖ-Museum hat das Glück, nicht nur thematisch höchst professionell geleitet zu werden, sondern in Mag. Florian Müller zudem einen PR-Beauftragten zu haben, der mit freundlicher Hinwendung zum Besucher über die menschliche Schiene das Publikum zu gewinnen weiß.
Bis zum 8. Februar 2026 lockt das Haus für Natur in St. Pölten, Niederösterreich, mit einer ungewöhnlichen Erlebnis-Ausstellung. In „Tiere der Nacht“ kann man selbst „Fledermaus spielen“: In der TA-TA-TA-Station wird mit TA-TA-TA-Rufen sichtbar gemacht, wie das Gehirn der Fledermaus mit Echotönen ein Umgebungsbild erzeugt. Andere Tiere der Nacht sind lautlose Flieger – oder laut schmatzende, fauchende, schnaufende, wie ein Baby schreiende Zeitgenossen...