Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer – in Rumänien eine vage Aufgabe

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Information über für ihre Arbeitsverhältnisse relevante Tatsachen bzw. Entwicklungen. Darüber hinaus besteht sogar eine Pflicht des Arbeitgebers, sie in die Unternehmensabläufe und Entscheidungen, die die Beschäftigten betreffen, einzubeziehen. Der Fachbegriff lautet „Unterrichtung und Anhörung“. Was müssen welche Unternehmen tun?

Hintergrund

Die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer beruhen auf EU-Recht, genauer auf der Richtlinie 2002/14. Diese war u. a. die Folge der Schließung eines Montagewerks von Renault in Vilvoorde/Belgien, die 1997 ohne Einbeziehung der Belegschaft erfolgt war (die Arbeitnehmervertreter wurden zeitgleich mit der Presse über den Beschluss informiert), mehr als 3000 direkte Arbeitsplätze abgeschafft und zu einem internationalen Eklat geführt hatte. Daher wird die Richtlinie auch Vilvoorde-Richtlinie genannt.

Ihr Zweck sind u. a. die stärkere Einbindung der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation, die Absicherung angemessener Informations- und Anhörungsverfahren vor der Fassung schwerwiegender Entscheidungen und die Stärkung des Sozialdialogs.

Was besagt die Richtlinie?

Laut Richtlinie mussten die Mitgliedstaaten Unternehmen mit mindestens 50 oder Betriebe mit mindestens 20 Arbeitnehmern in ihrem Gebiet zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer zu folgenden Aspekten verpflichten:

  • jüngste und wahrscheinliche Entwicklung der Tätigkeit und der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens/Betriebs
  • Situation, Struktur und wahrscheinliche Entwicklung der Beschäftigung im Unternehmen oder Betrieb
  • geplante antizipative Maßnahmen, v. a. bei einer Bedrohung für die Beschäftigung
  • Entscheidungen, die wesentliche Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Arbeitsverträge mit sich bringen können.


Unterrichtung“ bedeutet dabei die Übermittlung von Informationen durch den Arbeitgeber an die Arbeitnehmervertreter, um ihnen Gelegenheit zur Kenntnisnahme und Prüfung der Frage zu geben. Sie erfolgt „zu einem Zeitpunkt, in einer Weise und mit einem Inhalt, die dem Zweck angemessen sind und es den Arbeitnehmervertretern ermöglichen, die Informationen angemessen zu prüfen und ggf. die Anhörung vorzubereiten“.

Die „Anhörung“ ist „die Durchführung eines Meinungsaustauschs und eines Dialogs zwischen Arbeitnehmervertretern und Arbeitgeber“. Sie erfolgt aufgrund der Unterrichtung

  • zu einem Zeitpunkt, in einer Art und mit einem Inhalt, die dem Zweck angemessen sind
  • auf der relevanten Leitungs- und Vertretungsebene
  • aufgrund einer Stellungnahme, die die Arbeitnehmervertreter abgeben dürfen und die der Arbeitgeber begründet beantworten muss
  • mit dem grundsätzlichen Ziel einer Vereinbarung über Entscheidungen, die Arbeitsorganisation oder -Verträge wesentlich verändern können.


Was besagt das rumänische Recht?

Eine EU-Richtlinie stellt einen verbindlichen und i. d. R. abstrakten Auftrag an jeden Mitgliedstaat dar, ihre Inhalte durch ein nationales Gesetz umzusetzen – und dabei zu konkretisieren.

Rumänien hat die Richtlinie am 18.12.2006 und damit wenige Tage vor dem EU-Beitritt mit dem Gesetz 467/2006 umgesetzt. Allerdings hat der rumänische Gesetzgeber mit dem Gesetz kaum mehr als eine Übersetzung der Richtlinie ins Rumänische realisiert. Dieses ist eine weitgehend getreue Wiedergabe des Wortlauts der Richtlinie; die Pflichten sind im Gesetz ebenso abstrakt wie in der Richtlinie geregelt. Somit scheint es eher eine Pflichtaufgabe als eine tatsächliche Umsetzung zu sein – angesichts des massiven Aufwands zur Einführung des acquis communautaire im Vorfeld des EU-Beitritts allerdings wohl verständlich.

Rumänische Arbeitgeber mit mindestens 20 Mitarbeitern sollten die konkrete Umsetzung im Unternehmen daher am besten durch Vereinbarung mit den Arbeitnehmervertretern festlegen. Die Sanktion bei Unterlassung der Unterrichtung oder Anhörung stellt in Rumänien eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Bußgeld zwischen (lediglich) 1000 und 25.000 Lei sanktioniert wird.

Gibt es Spezialregelungen?

Auf EU-Ebene sind Spezialfälle der Unterrichtung/Anhörung/Beteiligung der Arbeitnehmer geregelt, die von dem o. g. generellen Rechtsrahmen unberührt bleiben. Dies betrifft

  • Massenentlassungen
  • Betriebsübergänge
  • den Europäischen Betriebsrat
  • internationale Fälle wie die Beteiligung der Arbeitnehmer an der SE u. a.


Fazit

Die Einbeziehung der Arbeitnehmer in die Unternehmensabläufe ist in Rumänien nur abstrakt geregelt und sollte auf Betriebsebene konkret vereinbart werden. Angesichts der Sanktionen könnte man die rumänische Regelung als zahnlosen Tiger betrachten; allerdings sollte man nicht vergessen, dass die Einbindung der Belegschaft in die Gestaltung der Zukunft des Unternehmens einen gesunden Sozialdialog fördert und dessen Wettbewerbsfähigkeit steigern kann.


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