Vertrauensverlust in das sozial-politische und institutionelle System

Einige Schlussfolgerungen von INSCOP-Research zu Zustand und Haltung der Bürger Rumäniens

Ende Mai-Anfang Juni stand Präsident Nicușor Daniel Dan an der Spitze des Vertrauens der Bürger in einen Politiker. Foto: presidency.ro

In den Leiter des Ungarnverbands UDMR, Kelemen Hunor, hatten 27 Prozent der Befragten großes bis sehr großes Vertrauen. Kelemen Hunor ist übrigens – das besagen die INSCOP-Umfragen ziemlich einleuchtend – einer der großen Gewinner des Politchaos von Rumänien von 2024-25. Foto: gov.ro

Dem aus der PSD ausgetretenen Stehaufmännchen Victor Ponta, der 2025 erhebliche Wirbel in der rumänischen Politik verursacht hat, waren 20 Prozent der Befragten und 52 Prozent der PSD-Wähler bereit, ihr Vertrauen zu schenken. Foto: Wikimedia Commons

INSCOP Research, ein vom Hochschullehrer Remus Ioan Ștefureac 2013 gegründetes Meinungsforschungsinstitut, liefert mit Regelmäßig- und Verlässlichkeit und mit Mitteln der soziologischen und Kommunikationsforschung erzielte Daten über den Zustand der Gesellschaft und die sozial-politische Lage und Einstellung der Bürger Rumäniens. Ștefureac, der auch als Generaldirektor des Meinungsforschungsinstituts arbeitet, pflegt die laufenden Forschungserkenntnisse des Instituts auf dem Nachrichtenportal www.informat.ro bekanntzugeben und zu kommentieren, auch als Präsident des ThinkTanks STRATEGIG Thinking Group (www.strategicthinking.ro). 

Remus I. Ștefureac ist Hochschullehrer an der Fakultät für Kommunikationswissenschaften und Public Relations der Nationalen Leadership-Ausbildungsstätte SNSPA, wo er zu den Themata Erforschung der Öffentlichen Meinung, Bekämpfung von Falschinformation und Aufbau von Resilienz gegenüber Falschinformation unterrichtet. Ștefureac zur Seite steht bei INSCOP Research Ada Cornea, die viel Erfahrung im Bereich des politischen Marketings und der Public Relations einbringt und im Meinungsforschungsinstitut verantwortet für die Koordinierung, fristgerechte Durchführung sowie die Einhaltung höchster Standards bei der Umsetzung von Forschungsprojekten.

INSCOP Research ist Mitglied von ESOMAR. ESOMAR steht für European Society for Opinion and Market Research und ist ein globaler Berufsverband für Marktforschung und Insights. Die Organisation mit Hauptsitz in Amsterdam wurde 1947 gegründet. ESOMAR setzt sich für die Förderung und Einhaltung ethischer und professioneller Standards in der Branche ein und bietet Mitgliedern eine Plattform für Wissensaustausch, Networking und Weiterbildung.
Vertrauenskrise, Glaubhaftigkeitskrise?

Eine der jüngsten Umfragen des Bukarester INSCOP-Instituts offenbart „eine in die Tiefe gehende Krise des Vertrauens ins Funktionieren der sozialen und institutionellen Mechanismen Rumäniens“, schreibt Remus Ștefureac auf Informat.ro. „Die Daten, die wir über informat.ro – INSCOP Research eruieren konnten, deuten darauf hin, dass die dominante Perzeption von Meritokratie in Rumänien zutiefst erodiert ist: über 74 Prozent der Antwortgeber sind davon überzeugt, dass ein Erfolg in Rumänien von Beziehungen und Verbindungen des Erfolgreichen viel entscheidender abhängt als von seinen reellen Kompetenzen.“

Daraus resultiere „ein verallgemeinertes Gefühl der systemischen Blockade“, eine Glaubhaftigkeitskrise in alle Institutionen. 73 Prozent der Befragten geben rundweg an, sie lebten mit dem Eindruck, dass das aktuelle sozio-politische System gezielt so aufgebaut sei, dass jedwelche Mobilität auf der sozialen Höhenleiter blockiert wird oder, zumindest, nur streng kontrolliert vor sich gehen kann – daher ein Gefühl der Gefangenschaft oder Gefangennahme des Individuums im System und das Fehlen der Möglichkeit irgendeiner Perspektivsicht. „Der Staat wird empfunden als Hauptverantwortlicher für jedes individuelle Scheitern.“

(Demokratische) Erneuerung erwünscht

Remus Ștefureac nennt das „Externalisierung der Verantwortlichkeit“. Dieses inhärente Gefühl, eine Art institutionelle Frustration, wird verdoppelt durch ein „Gefühl der Ungerechtigkeit“. Was zur „sozialen Entfremdung“ führe: fast 59 Prozent der Befragten gaben an, sie seien überzeugt, dass „andere“ ungerechtfertigterweise und zu Unrecht unterstützt würden/wurden, während man sie selber und ihre Nöte ignorier(t)e. 

Fazit: auch das Vertrauen in die soziale Gerechtigkeit ist stark unterwandert. Daraus nährt sich Populismus. Und auf den kann politische Radikalisierung folgen. Dann ist auch der Nährboden für soziale Konflikte vorbereitet. Die Erosion der Demokratie schreitet voran. Letztendlich droht extreme bis unversöhnliche politisch-soziale Polarisierung.

Remus Ștefureac: „Die sich verallgemeinernde Auffassung, dass der Staat alleinverantwortlich ist für individuelles Scheitern weist auf den dringenden Bedarf von sichtbaren administrativen Reformen hin, die Effzienz und Korrektheit ausstrahlen und die zum Wiederaufbau des Vertrauenskapitals zwischen den Bürgern und dem Staat und dessen öffentlichen Institutionen beitragen.“

Kein Zufall, dass die Wählerschaft der rechtsextremen AUR, die Altersgruppe 45-60 Jahre, herkunftsmäßig vom oder wohnhaft auf dem Land und aus Kleinstädten, die Höchstzahl von Unzufriedenen mit der Haltung des Staates aufweist, oder dass die USR-Wählerschaft, Altergruppe um die 30, (interessanterweise) auch die PNL-Wählerschaft, die Staatsangestellten sowie die Bürger mit Hochschulstudium sich am gegenteiligen Extrempol sammeln, aber auch und „aus dem Innern heraus“ demokratische Erneuerung wünschen. Während die Wählerschaft der PSD in dieser Hinsicht sich fast bis zum Überlappen ansichts- und meinungsmäßig mit der AUR-Wählerschaft deckt. Zu dieser Gruppe gehört auch die Mehrheit der über 60-Jährigen sowie diejenigen mit prekärem und primärem Bildungsstand.

Problematik Vertrauen in Politiker

Ende Mai-Anfang Juni stand Präsident Nicușor Daniel Dan an der Spitze des Vertrauens der Bürger in einen Politiker. Es mag wohl auch ein Nachhall der von ihm kurz vorher gewonnenen Präsidentschaftswahl und des nachfolgenden Sympathieschubs gewesen sein. 47 Prozent – also keine umwerfende Zahl – glauben an ihn, vertrauen ihm. Auf ihn folgte der gegenwärtige Regierungschef Ilie Bolojan, mit 42 Prozent Vertrauensvorschuss. In den Extremisten und Verlierer der Präsidentschaftswahl George Simion hatten 34 Prozent Vertrauen und in den geschickt seinen Ungarnverband UDMR durch die rumänische Politikmisere der Zeitspanne November 2024 bis Mai 2025 manövrierenden Kelemen Hunor hatten 27 Prozent der Befragten großes bis sehr großes Vertrauen. Kelemen Hunor ist übrigens – das besagen ziemlich einleuchtend die INSCOP-Umfragen – einer der großen Gewinner des Politchaos von Rumänien von 2024-25. Dem Stehaufmännchen Victor Ponta, der 2025 erhebliche Wirbel in der rumänischen Politik verursacht hat, waren 20 Prozent der Befragten bereit, (wohl blind) ihr Vertrauen zu schenken. Interessant ist der Aufstieg des Temeswarer Bürgermeisters und amtierenden USR-Chefs Dominic Fritz auf der Vertrauensskala: 16 Prozent vertrauen ihm, mehr als dem schleimigen PSD-Interim-Chef Sorin Grindeanu (13 Prozent – in etwa so viel, wie seine Partei zum selben Zeitpunkt auch auf die Meinungs-Waage bringen konnte).

Das Bild ändert sich, wenn die Vertrauensfrage an die Wählerschaft der Parteien gestellt wird: Bei der AUR vertrauen 83 Prozent ihrem Vordermann Simion, 15 Prozent Ponta, sieben Prozent Bolojan und je sechs Prozent Dan und Grindeanu.

Interessant das Bild bei den PSD-Wählern: 63 Prozent vertrauen Dan, 58 Prozent Bolojan, 52 Prozent Victor Ponta (!! – Ponta ist aus dieser Partei ausgetreten…), 35 Prozent Grindeanu und 34 Prozent Kelemen Hunor (!!!), während den politisch extrem auseinanderstehenden Simion – Fritz je 12 Prozent vertrauen.

Eindeutig ist das Bild in der PNL: Dan erfreut sich bei 85 Prozent der Befragten des Vertrauens, Ilie Bolojan bei 83 Prozent, Kelemen Hunor bei 61 Prozent (!!), Dominic Fritz bei 36 Prozent, Victor Ponta bei 16 und Simion bei 6 Prozent.

Unter den USR-Wählern genießt Dan (bestimmt nicht nur, weil er zu den Parteigründern gehörte) das allerhöchste Vertrauen: 94 Prozent. Es folgt Ilie Bolojan mit 85 Prozent, Dominic Fritz mit 48 Prozent, Kelemen Hunor mit 39 Prozent, Sorin Grindeanu mit 12 Prozent, Ponta mit 4 und Simion mit 3 Prozent.

Vorrangsliste für Nicușor Dan

An die insgesamt nicht schlechten Vertrauenswerte von Präsident Dan knüpfen die Befragten aber auch Hoffnungen und Bedingungen. Er habe sich in der Außenpolitik stärker und effizienter einzubinden als sein Amtsvorgänger Klaus Johannis, in erster Linie als Stimme Rumäniens im Rahmen der EU, aber auch betreffs der Stärkung der Beziehungen mit den USA, egal wie schwierig das unter einem wetterwendischen und narzisstisch-ergomanischen Präsidenten Trump sein mag. Der strategischen Partnerschaft mit den USA sei Vorrang zuzuordnen. Im Rahmen der EU habe Rumänien eine aktivere Rolle zu spielen, die seiner Größe, Bevölkerungszahl, Lage und seinem Potenzial – aber auch seinen „spezifischen Interessen“ (was immer man darunter verstehen mag) - entspricht. Von Schloss Cotroceni aus sind durch Dan konsequent und regelmässig Signale an beide Ufer des Atlantiks auszusenden, die Beachtung wecken müssen. Außerdem müsse er lernen, in Richtung Victoria-Palais – dem Regierungssitz – entschiedenere Signale auszusenden. So die Erwartungshaltung, die INSCOP Research eruieren konnte.

Obige Meinung teilen sich vorrangig die Wahlgänger der PNL, der USR und der PSD, die Frauen, die Personen über 45, die Staatsangestellten (immerhin die umfangreichste einschlägig beschäftigte Bevölkerungsgruppe Rumäniens, mit rund 1,5 Millionen Mitgliedern), diejenigen mit mittlerer und Hochschulbildung.
Insgesamt meinen die Ende Mai-Anfang Juni Befragten, dass sich Rumänien in die richtige Richtung bewegt (vor allem PNL- und USR-Sympathisanten) – aber auch nicht (die AUR-Sympathisanten). Zum Zeitpunkt der Befragung war diese Polarisierung prägend.

Fakt sei, so Remus Ștefureac, dass sich die Meinung bezüglich Entwicklungsrichtung Rumäniens nach den Präsidentschaftswahlen vom Mai in Richtung „Verbesserung“ gedreht habe. Trotzdem bleibe die Zahl jener, die meinen, alles laufe in die falsche Richtung, in der Überzahl. Dass es gut laufe meinen 41 Prozent der PSD-Parteigänger, 61 Prozent der PNL-Liberalen, 68 Prozent der USR-Sympathisanten und nur 8 Prozent der AUR-Fundamentalisten. Hingegen meint eine leichte Überzahl der Befragten, dass die amtierende Regierung das Desaster, das sie von der PSD-PNL-Vorgängerregierung mit Regierungschef Marcel Ciolacu übernommen hat, richtig angeht. Das meinen 53 Prozent der PSD-Wähler, 69 Prozent der PNL-Nahestehenden, 71 Prozent der USR-Sympathisanten und nur 9 Prozent der AUR-Mitläufer.

Ganz allgemein dominiert aber immer noch das Misstrauen in die Möglichkeit der amtierenden politischen Klasse, dass sie die wirtschaftliche, finanzielle, soziale und moralische Misere, in  welche Rumänien in den vergangenen zehn-fünfzehn Jahren hineinmanövriert wurde, in den Griff kriegen kann – wenn sie nicht imstande ist, sich erstmal selber neu zu erfinden. Der Begriff und die Notwendigkeit einer „REFORM“ schwebt allen in irgendeiner Form vor.