Vom persönlichen Foto als Zeitzeugendokument zur Ausstellungskonzeption

Workshop und Ausstellung zur Geschichte der Deutschen in Rumänien

Die Studierenden waren für den Aufbau der Ausstellung zuständig.

Die Teilnehmer des diesjährigen Workshops studieren in Temeswar, Klausenburg und Bukarest. Fotos: Sandor Patachi

„Heutzutage Geschichte anhand von Büchern, von nicht selten dicken Wälzern, zu vermitteln ist schwierig. Überhaupt auf diese Weise die junge Generation zu begeistern, ist ein fast unmögliches Vorhaben. Da helfen vielmehr Bilder, die Einblick in vergangene Zeiten ermöglichen. Was das 20. Jahrhundert betrifft, haben wir den Vorteil, dass wir genügend Bildmaterial zu Verfügung haben“ erklärte Winfried Ziegler, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen, in seiner Ansprache während der Vernissage der Ausstellung: „Erbe und Familiensammlungen: Eine visuelle Geschichte der Deutschen in Rumänien.“ Die Ausstellung wurde am Freitag, den 17. Mai, im Spiegelsaal des Sitzes des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt/Sibiu eröffnet. 

Die Ausstellung umfasst 30 Tafeln, die den Alltag der deutschen Minderheit in Rumänien im 20. Jahrhundert veranschaulichen sollen. Dabei wird nicht nur auf Ereignisse wie der Zweite Weltkrieg oder die Russland-Deportation eingegangen, die tiefe Einschnitte in der Geschichte der Minderheit bedeutet haben,  sondern auch auf Themen wie Kirche und Glauben, Freizeit, Feste, Schule usw. 

Eigentlich stellt die Ausstellung einen Auszug aus zwei anderen Ausstellungen, die im Rahmen der Forschungsprojekte Saxonica und Banatica entstanden sind, dar. Im Rahmen dieser von Dr. Corneliu Pintilescu geleiteten Projekte wurden Materialien aus privaten Sammlungen zusammengeführt, die das Leben der Siebenbürger-Sachsen (Saxonica) und der Banater Deutschen (Banatica) im 20. Jahrhundert dokumentieren sollen. Dabei wurden auch mit den Besitzern der Sammlungen breitangelegte Interviews geführt, die ihrerseits wichtige Zeitzeugendokumente darstellen. Zwei der greifbaren Produkte sind die Ausstellungen, die den beiden deutschen Bevölkerungsgruppen gewidmet sind, jede umfasst 60 Tafeln, die von Dr. Corneliu Pintilescu konzipiert wurden und inzwischen an mehreren Orten im In- und Ausland gezeigt wurden. 

Eines der Nebenergebnisse des Projektes Saxonica war der Entwurf eines Workshops, welcher Nachwuchsforschern einen Werkzeugkasten zur Verfügung stellen sollte, mit dessen Hilfe sie selber derartige Projekte durchführen können. Der Erfolg des Workshops, sowie die Einsicht, dass man Studierenden auch die praktische Seite ihres Studiums näherbringen muss, hat die Veranstalter, das Demokratische Forum der Deutschen in Siebenbürgen und die Evangelische Akademie Siebenbürgen (EAS) in Zusammenarbeit mit Dr. Corneliu Pintilescu, überzeugt, daraus eine Workshop-Reihe zu machen. Inzwischen wird diese Fortbildungsmaßnahme im jährlichen Turnus seit fünf Jahren angeboten. 

Heuer fand der Workshop in der Zeitspanne 15. bis 19. Mai  im Tagungs- und Konferenzzentrum „Hans Bernd von Haeften“ der EAS statt. Mit einer Rekordteilnehmerzahl – 27 Studierende aus Bukarest, Temeswar/Timi{oara und Klausenburg/Cluj-Napoca waren in Hermannstadt anwesend – wurde die Grenze der 100 Nachwuchsforscher, die das Angebot über die Jahre wahrgenommen haben, überschritten. 

In den fünf Tagen des diesjährigen Workshops machten sich die Studierenden mit allen Schritten, die befolgt werden müssen, um von einer Idee zu einer Ausstellung zu gelangen, vertraut: von dem Finden von Kontaktpersonen in der Gemeinde oder der zu erforschenden Gruppe über das Eruieren von Finanzierungsmöglichkeiten, der Entwicklung von Interviewleitfäden und der Durchführung der Interviews selber, der Sichtung und Auswahl des Materials, der Konzeption der Ausstellung, bis zu der eigentlichen Ausstellung und der Anpassung derselben an einen gewissen Ausstellungsraum. Letzteres konnten die Teilnehmer heuer selber im Flur des Forums-Gebäudes in die Hand nehmen, wobei so manche Herausforderung zu meistern war, da die Ausstellung ursprünglich nicht für diesen Raum gedacht war. Jenseits des Fachwissens, welches sich die Studierenden aneignen konnten, stellte der Workshop für die meisten von ihnen einen ersten Kontakt zur Geschichte und der Gegenwart der Deutschen in Rumänien dar. Somit konnte so mancher auch einen unerwarteten Impuls für die bevorstehende Lizenz- oder Masteratsabschlussarbeit mit sich nehmen. 

Der Erfolg der beiden Projekte – Saxonica und Banatica – , das positive Feedback bei der Ausstellungseröffnung, sowie das Interesse der Nachwuchsforscher, sich an derartigen Projekten zu beteiligen, hat die Initiatoren veranlasst, weitere Projekte anzudenken, die die restlichen Gebiete Rumäniens, in denen Deutsche leben oder gelebt haben, abdecken sollen, um dadurch eine umfassende Sammlung an persönlichen Dokumenten, die das Leben der Deutschen in Rumänien dokumentieren, zu erstellen. ­


Die Ausstellung „Erbe und Familiensammlungen: Eine visuelle Geschichte der Deutschen in Rumänien“ kann bis zum 16. Juni 2024 im Sitz des Demokratischen Forums der Deutschen (Hermannstadt/Sibiu Str. Gen. Magheru Nr. 1-3) von Montag bis Freitag zwischen 10 und 17 Uhr besucht werden. Workshop und Ausstellung wurden in Partnerschaft von dem Demokratischen Forum der Deutschen in Siebenbürgen und der Evangelischen Akademie Siebenbürgen in Zusammenarbeit mit den Vereinen eKult und Istoria din Casa-n Casa, sowie mittels einer Förderung seitens des Departements für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Rumänischen Regierung, des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU-München und des Bundeslandes Kärnten organisiert.