Das 1796 gegründete Stahl- und Walzwerk von Ferdinandsberg/Oțelu Roșu im Bistra-Tal ist seit mehr als einem Jahrzehnt zahlungsunfähig. Sein letzter Besitzer, eine Firma namens Laminorul Danube Metallurgical Enterprise SRL (LDME), meldete Ende Juli 2024 die Pleite an (nachdem LDME anderthalb Jahre vorher Insolvenz angemeldet hatte), ohne das Werk überhaupt jemals angefahren zu haben in den rund fünf Jahren, seit die Firma das Werk gekauft hatte – von einem russischen Besitzer, der Firmengruppe Mechel, die sich aus Rumänien zurückgezogen hat, nachdem sie von den italienischen Brüdern Gavazzi das Stahl- und Walzwerk Ferdinandsberg erworben hatte. Die Russen von Mechel hatten das Werk als Ductil Steel geführt und zeitweilig genutzt.
Ferdinandsberg gilt unter den Fachleuten der Branche zwar als eines der leistungsfähigsten Werke im Bereich, die überlange Standzeit ohne Aktivität, aber auch bereits bei der Neuausstattung des heutigen Werks in kommunistischer Zeit Vernachlässigtes – etwa die fehlenden oder prekär-primitiven Umweltschutzvorrichtungen (Ferdinandsberg galt nach der Wende als der größte Luftverschmutzer im Banater Bergland) – stellten eine praktisch (sprich: finanziell) kaum zu nehmende Hürde dar. Oder auf alle Fälle einen hohen Kostenfaktor vor einer Wiederinbetriebsetzung.
Werkswert 138,76 Mio Lei
Auch das Stahl- und Walzwerk Ferdinandsberg LDME wird heute von einem Konsortium von Insolvenz-Verwaltungs-Firmen verwaltet, die auf Liquidation von Pleite-Aktiva spezialisiert sind - wie im Falle des Reschitzaer Maschinenbauwerks UCMR. Es sind ebenfalls Firmen mit Sitz in Bukarest: Estconsult IPURL, Solvens SPRL und LD Expert Grup SPRL. Das gerichtlich bestellte Liquidationsteam steht kurz vor der Gläubigerversammlung, der die Liquidatoren vorzuschlagen gedenken, das Werk als Ganzes, „en bloc“, per öffentlicher Versteigerung zu verkaufen. Dazu haben sie ein Verkaufs-Reglement ausgearbeitet, demgemäss es zugehen wird wie bei einer gewöhnlichen öffentlichen Versteigerung – das Werk geht an den Meistbietenden.
Dazu haben sie eine offizielle Schätzung des Gesamtwertes der Aktiva des Stahl- und Walzwerks Ferdinandsberg vornehmen lassen. Diese ergab im Januar 2024 138.760.391 Lei (oder 28.192.113 Euro). 52 Prozent dieser Summe sollen die Immobilien darstellen, die auf dem Werksgelände und außerhalb desselben stehen. 34 Prozent der Gesamtsumme sollen angeblich die Produktionsausstattungen wert sein und zehn Prozent die Grundstücke. Der Rest wäre Know-how. Da LDME kaum über unter Denkmalschutz Stehendes verfügt, darf wohl – nach Meinung vieler Experten – davon ausgegangen werden, dass 86 Prozent des gesamten Schätzwerts eigentlich mehr oder weniger altes Metall (in diversester Form) darstellt, salopper gesagt: Schrott. Bei Investitionsbereitschaft aber auch: ein Produktionspotenzial.
LDME hat noch rund 20 Gläubiger, nachdem in den vergangenen paar Jahren unter den Gläubigern ein ziemlich reger „Handel“ vor sich gegangen ist. Am aktivsten zeigten sich die Firmen der Familie des größten rumänischen Straßenbauunternehmers Dorinel Umbrărescu, die letztendlich ihre Forderungen gegenüber LDME in der Firma Eco Wind Power SRL gebündelt haben.
Über Schulden – zum Werkskauf
Sie haben sich über Eco Wind Power SRL bis zu einer Summe von 126,9 Millionen Lei Schulden von anderen Firmen durch Kauf zugeeignet – woraus selbst der Premierminister und Präsidentschaftskandidat Ion Marcel Ciolacu die Schlussfolgerung zog, dass der Straßenbauunternehmer am Kauf des Ferdinandsberger Stahl- und Walzwerks ein Interesse hat. Und natürlich, dass „damit die Zukunft des Werks gesichert“ sei, sagte er im Mai in Reschitza. Was Umbrărescu umgehend auch bestätigte, indem er zugab, die Mengen Walzgut, die er gegenwärtig aus der Türkei für von ihm getätigten Straßenbau bezieht, gern selber in seinem eigenen Werk produzieren zu wollen. All das mit einem Wink in Richtung Regierung, von der er gern jede Form von Unterstützung anzunehmen bereit sei.
Eco Wind Power SRL kaufte Schulden auf von Linde Gaz (836.000 Lei), von der Steuerbehörde ANAF (123,3 Millionen Lei), 2,7 Millionen Lei von Moldmetal Trading SRL und MMS Minerals & Metals Solutions SRL (zwei Metall- und Zementhändler, die u. a. gut im Geschäft liegen mit dem in Transnistrien angesiedelten Stahlwerk von Rybnitza – Uzinele Metalurgice Moldovenești de la Rîbnița – das vom Separatististenregime Transnistriens kontrolliert wird). Da die Firma der Familie Umbrărescu inzwischen bereits rund 84 Prozent des Schuldentopfs von LDME in ihrer Hand hat, muss wohl davon ausgegangen werden, dass sie der Hauptbieter – wenn nicht gar der einzige Bieter – sein wird bei der von den Liquidatoren anvisierten Versteigerung. Die Frage bleibt wohl nur, wieviel die Umbrărescus zusätzlich draufzuzahlen hätten.
Bis zum Abstellen produzierte das Stahl- und Walzwerk Ferdinandsberg Stähle mit geringem, mittelmäßigem und hohem Kohlenstoffgehalt sowie legierte Stähle für Walzgut, das Bauwesen benötigt wird, aber auch Sonderstähle. Im angeschlossenen Walzwerk wurden diese Stähle gleich weiterverarbeitet.
Prozesse verzögern Betriebsversteigerung
Einem beschleunigten Beginn der Versteigerung – wie sie sich Premierminister und PSD-Chef Ciolacu schon im Mai gewünscht hatte – stehen gegenwärtig weniger die anstehende Gläubigerversammlung, als vielmehr drei Prozesse im Weg, die noch auf ein Urteil warten oder wo gegen ein Urteil Revision eingelegt wurde. In dieser Woche wird ein Urteil erwartet in einem Prozess, den eine Gruppe Gläubiger gegen einen Beschluss der Gläubigerversammlung angestrengt hat. Am 3. Oktober müsste ein Urteil verkündet werden in einem Verfahren, dass die Werksleitung von LDME gegen einen Beschluss des Liquidatorenkonsortiums angestrengt hat. Ein dritter Prozess hat noch gar keine Termine, denn am 5. September wurde von der Firmenleitung Berufung eingelegt gegen die Pleiteentscheidung vom 24. Juli 2024…
LMDE Ferdinandsberg war bereits im Wahlkampf für die Kommunal- und Europawahlen im Mai-Juni 2024 ein – nebensächliches, aber immerhin den Premierminister und PSD-Chef Ion-Marcel Ciolacu involvierendes – Wahlkampfthema. Man darf wohl davon ausgehen, dass es umso mehr zum Wahlkampfthema (zumindest im Raum Karansebesch-Ferdinandsberg und im gesamten Banater Bergland) ab dem 1. November wird, wenn offiziell der Wahlkampf für das Parlament und die Präsidentschaft beginnt. Ob dann wieder den Ferdinandsbergern versprochen wird, dass „ihr“ Werk – einst der Arbeitsplatz von tausenden Bewohnern des Bistratals – wieder eröffnet wird? Der langjährige PSD-Bürgermeister von Ferdinandsberg, Luca Mălăiescu, hat ihnen bereits Dutzende Male die „bald“ anstehende Wiedereröffnung des Stahl- und Walzwerks verkündet – und wurde jedesmal wiedergewählt.