„Was bleibt, wenn alles Vertraute plötzlich verschwindet?“

Tänzer aus sechs Ländern durchbrachen eine Gewohnheit des FITS

Wahrscheinlich der Traum aller Tänzerinnen und Tänzer: wenigstens einmal barfuß unter freiem Himmel auftreten. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Nein, sie hatten ihre Füße nicht aus zufälliger Entscheidung heraus mit oranger Farbe angestrichen, die mächtig beanspruchten Sohlen natürlich ausgenommen. Anders aber als in der Lokhalle von Freiburg im Breisgau und im Kulturzentrum Art´Rhena bei Neuf-Brisach im Elsass zu den Premieren-Terminen vor wenigen Wochen war der Aufführungsboden in Hermannstadt am Freitagabend, dem 26. Juni, weiß statt schwarz, und am Schluss der Vorstellung hatten sich Fuß- und Körperabdrücke sämtlicher sieben tänzerisch Beteiligten auch tatsächlich stark in die Bodenplane des Sibiu International Theater Festivals (FITS) auf dem Habermann-Platz eingegraben. Viel weniger hart als die Beton-Pflastersteine unter ihr war sie kaum, mit einer federnden Wirkung konnten die blühend jungen Frauen und Männer nicht rechnen, und trotzdem lief das Programm der fast wortlosen Produktion „Empreinte“ des Freiburger Aktionstheaters PAN.OPTIKUM reibungslos – und das selbstverständlich im übertragenen Sinne, denn physisch schickt es Arunas Mozuraitis, Christophe Kerbourch, Clara Giambino, Kien Trinh, Cosima Dudel, Margers Vanags und Veronika Schell an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Auch in den Zuschauerreihen waren mehr als nur vereinzelt Festivalgänger auszumachen, die ziemlich sicher nicht mit einem profund philosophischen Bühnengeschehen gerechnet zu haben schienen und wahrscheinlich das Akrobatische von Unterhaltungs-Profis aus aller Welt, deren spektakuläre Shows gewöhnlich der Habermann-Platz beherbergt, vermissten. Doch es gab jede Menge Kinder und Familien, deren Blicke von Anfang bis Ende keine Sekunde lang von dem wichen, was die sieben Karriere-Starterinnen und -Starter aus Litauen, Lettland, Portugal, Spanien, Frankreich und Deutschland auf die Spielfläche zauberten. Dass es dem vollen Spektrum der zwischenmenschlichen Beziehungen von Abstoßung bis Zutrauen galt und einen Spagat zwischen begeistert kollektiven und maximal individualistischen Selbstwahrnehmungs-Mustern spannte, dürften alle Applaus spendenden Fans des FITS auf dem Habermann-Platz begriffen haben. Vorstellungen so einer Sparte kann es nie genug geben.