Über 10.000 Satelliten kreisen derzeit mit knapp 36.000 Stundenkilometer um den Erdball: Kommunikationssatelliten, Wetterstationen, Erdbeobachtungseinheiten, aber auch außer Kraft gesetzte Flugobjekte, sowie Tausende Kleinteile, die von Raumschiffen stammen. Auch wenn wir diese mit freiem Auge nicht sehen können, stellen sie ein gravierendes Problem für die Zukunft dar. Weltraumschrott ist bereits eine große Gefahr sowohl für im Betrieb stehende Satelliten, als auch für die Internationale Weltraumstation ISS, wie auch für die unterschiedlichen Raketen und Satelliten, die in Zukunft noch ins All befördert werden. Milliardenschäden und sogar Menschenleben stehen auf dem Spiel, sowohl im Kosmos als auch bei einem möglichen Absturz auf die Erdoberfläche.
Woher kommt der Weltraumschrott?
Vor dem 4. Oktober 1957, als die Sputnik I als erstes Raumschiff das Gravitationsfeld der Erde überwunden hatte, träumten die Menschen nur von Raumschifffahrt und der unendlichen Ferne der Galaxien, an Weltraumschrott dachte damals niemand. Seither aber gab es mehr als 4700 Flüge ins All, teilweise bejubelt von Millionen von Menschen und live miterlebt: der Start, die große, weiße Wolke unter der Rakete, danach die Live-Übertragung aus dem All, wenn die großen Reaktoren abgekoppelt werden und natürlich auch Übertragungen mit Astronauten bei der Arbeit außerhalb der Raumschiffe. Was passiert aber mit all den Raketenteilen, was passiert mit den Satelliten, wenn ihre Lebenszeit abgelaufen ist, was passiert mit den Kleinteilen, mit denen die Astronauten außerhalb der Raumschiffe arbeiten und insbe-sondere, was passiert, wenn ein Raumschiff von einem kleinen Meteoritenschauer beschädigt wurde. Abgelöste Kleinteile und sogar Farbschichten-Fetzen in der Größenordnung weniger Zentimeter reichen aus, um eine echte Gefahr für andere Raumschiffe darzustellen, zumal diese mit einer gewaltigen Geschwindigkeit von bis zu 10.000 Meter pro Sekunde aufprallen können.
Neben den über 55.000 Weltraumschrottteilen, die groß genug sind, um überwacht zu werden, monitorisiert die NASA über 27.000 Kleinteile mit einem Durchmesser über zehn Zentimetern, also ungefähr zwei Mal so groß wie ein Tennisball, um etwaige Gefahren zu vermeiden. Hinzu kommen über eine halbe Million Teilchen in der Größenordnung zwischen 0,4 bis 4 Zentimeter, die aber kein gravierendes Risiko darstellen. Und was nicht alles im All als Schrott herumfliegt: außer Betrieb genommene Satelliten, Teile von zerstörten Satelliten, Raketenteile, winzig kleine Teile, die sich bei der Trennung der Raumschiffmotoren ablösen, Schrauben, Linsenhauben, Schraubenzieher, ja sogar Spachtel hat die NASA auf ihrer Beobachtungsliste, dem Space Surveillance Network.
Der meiste Weltraumschrott, rund 70 Prozent, fliegt rund 1800 Kilometer über der Erde in der sogenannten niedrigen Umlaufbahn, wo es auch die meisten Satelliten gibt – und die Internationale Weltraum-station ISS. Umgerechnet auf die Oberfläche dieser Umlaufbahn könnte man meinen, dass die über 23.000 gefährlichen Kleinteile recht weit weg sind voneinander und dass die Raumflugbehörden deren Bewegung klar voraussehen können, jedoch kann bereits derzeit jede kleinste Änderung der Umlaufbahn ein gewaltiges Risiko für alle anderen im Betrieb stehenden über 10.000 Satelliten darstellen.
Bisherige Unfälle
Prinzipiell stellen diese Kleinteile bei deren Wiedereintritt in die Erdatmosphäre kein Risiko dar: sie verbrennen noch vor dem Aufprall auf die Erde. Das Problem ist jedoch, dass sie noch jahrzehntelang im All fliegen werden und dort ein Risiko darstellen.
Im Jahr 2006 sorgte ein derartiger Unfall auf der ISS für Schlagzeilen: ein Kleinteil in der Größenordnung eines Tausendstels Millimeters (wahrscheinlich abgeblätterte Farbe) hatte eines der vierfach verstärkt verglasten Fenster des Raumschiffes sichtbar beschädigt. Die Europäische Weltraumbehörde erklärte damals, dass bereits ein Kleinteil von einem Durchmesser von einem Zentimeter kritische Auswirkungen haben könne, wobei Kleinteile von zehn Zentimeter das Raumschiff komplett zerstören könnten. Um dieses Risiko zu verringern, wurde die Umlaufbahn der ISS im Jahr 2014 um über einen halben Kilometer verlegt.
Der erste Unfall passierte bereits im Jahr 1996, als ein Teil der europäischen Rakete Ariane mit dem französischen Mikrosatelliten Cerise kollidierte. Die Cerise wurde erheblich beschädigt, konnte aber weiter betrieben werden.
Im Jahr 2009 kam es zur ersten Zerstörung eines Satelliten durch Weltraumschrott, als die Iridium 33, ein Telekommunikationssatellit des Unternehmens Motorola, mit dem bereits außer Betrieb befindlichen russischen Militärssatelliten Cosmos 2251 ungefähr 750 Kilometer über Sibirien zusammenprallte.
Der anteilig meiste Weltraumschrott stammt aber von einem chinesischen Satelliten: der Fengyun-1C wurde im Jahr 2007 vom chinesischen Militär zerstört, als Teil einer Anti-Satelliten-Abschießübung, was über 3000 Fragmente ins All geschleudert hat, also rund 20 Prozent des als gefährlich eingestuften Weltraumschrotts. Zwei Jahre nach dem Vorfall hatten sich diese Kleinteile zu einer Art Schrottwolke ausgedehnt, die womöglich jahrzehntelang weiterhin im All schweben wird. Im Januar 2013 führte eine Kollision mit einem dieser Schrottteile zur Änderung des Orbits und der Drehung des russischen Satelliten BLITS (Ball Lens in the Space), was zum frühzeitigen Abbruch der Mission führte.
Rund die Hälfte des derzeitigen Weltraumschrotts in einer Höhe von bis zu 1000 Meter sind Bruchteile dieser drei Satelliten Fengyun-1C, Iridium-33 und Cosmos 2251.
Im Januar 2019 hat Indien ebenfalls mitgeteilt, einen Anti-Satelliten-Raketentest durchgeführt zu haben, was zu einer neuen Schrottwolke mit über 400 gefährlichen Kleinteilen geführt hat. Im Vergleich zu China hat Indien aber einen tiefer gelegenen Satelliten visiert, dessen Kleinteile früher in die Atmosphäre eindringen und verbrennen werden. Nichtsdestotrotz bemerkte der damalige NASA-Administrator Jim Bridenstine kritisch: „Wenn ein Land das tut, fühlen sich andere Länder berechtigt, es auch zu tun“.
Niedrige Umlaufbahn wird gefährlicher
Nur in den letzten drei Jahren hat Elon Musk mit seinem SpaceX rund 6500 Satelliten ins All gesetzt und somit die Gesamtanzahl Satelliten mehr als verdoppelt. Und deren Anzahl wird noch um ein Vielfaches steigen. Zahlreiche Wissenschaftler studieren intensiv nicht nur die Umlaufbahnen des Weltraumschrotts, sondern auch die möglichen Folgen weiterer Zusammenstöße. Man spricht beispielsweise über das Risiko eines sogenannten „Kessler-Syndroms“ (benannt nach den US-amerikanischen Wissenschaftler Donald Kessler), bei dem es zu weiteren Satelliten-Zerstörungen durch Weltraumschrott kommen wird, wobei die dabei entstandenen Kleinteile in einem Schneeballeffekt zu weiteren Kollisionen führen werden und dadurch die niedrigere Erdumlaufbahn immer gefährlicher wird.
Gleichzeitig versuchen auch die Weltraumbehörden die Risiken zu verringern, etwa dadurch, dass sie den Treibstoffverbrauch besser planen, damit die leeren abgekoppelten Treibstoffbehälter zumindest keine Explosionsgefahr darstellen.
Modelle zur Beseitigung
Im Jahr 2018 hat die ISS den britische Satelliten RemoveDEBRIS ins All gesetzt mit dem versucht wurde, per Harpune und Netzen den Weltraumschrott einzusammeln. Ebenfalls wurde auch mittels Kabeln (vergeblich) versucht, die Geschwindigkeit von obsoleten Satelliten zu verringern, damit diese schneller in die Erdatmosphäre zurückkehren.
Oder es werden außer Betrieb genommene Satelliten auf eine rund 300 Kilometer höhere Umlaufbahn befördert, den sogenannten „Satelliten-Friedhof“. So hat beispielsweise der chinesische Satellit Shijian-21 seinen Vorgänger Beidou-2 G2 von der Umlaufbahn entfernt.
Ein anderes interessantes Projekt zur Weltraummüllentsorgung versucht die Japanische Weltraumflugbehörde JAXA: Mit einem elektromagnetischen Seil, das sechs Fußballplätze lang und 88 Kilogramm schwer ist, soll die Umlaufbahn bestimmter Kleinteile verändert werden.
Das von Jugendlichen betriebene „Innovation Hub“ hingegen ist mit der Idee einer Magnet-Rakete aufgekommen, welche die Kleinteile anziehen soll, um sie danach zurück zur Erde zu bringen.
Für 2026 hat die ESA das Projekt „Clearspace-1“ angekündigt, bei dem eine Rakete ein 112 Kilogramm schweres Schrottteil zurück auf die Erde ziehen soll, als erstes Großprojekt seiner Art.
Computersimulationen zeigen ebenfalls, dass in den nächsten 200 Jahren der Weltraumschrott über 20 Zentimeter im Durchmesser um mindestens das 1,5-Fache steigen wird, die Anzahl der Kleinteile zwischen vier und acht Zentimetern im Durchmesser um das 3,2-Fache und die Anzahl kleinerer Teilchen sogar um das 20-Fache. Die wissenschaftliche Zeitschrift „Science“ schrieb dazu: „In Wirklichkeit wird sich die Situation zweifellos verschlechtern, sofern weiterhin Raumschiffe und deren Orbitalstufen ins All befördert werden“ – das Risiko steigt exponential.
Tatsache ist, dass die Kosten der Weltraummüllentfernung von der Föderation Amerikanischer Wissenschaftler FAS auf bis zu 60.000 USD pro Kilogramm bei Kleinteilen bis zu 10 Zentimeter im Durchmesser geschätzt wurden, wobei die Änderung der Umlaufbahnen mit Kosten von bis zu 800.000 US-Dollar pro Kilogramm, oder bis zu 60 Millionen US-Dollar pro Einsatz auf größere Teile geschätzt wurde.
Gleichzeitig ist aber in Betracht zu ziehen, dass die moderne Gesellschaft immer mehr auf Satellitenunterstützung setzt, sei es für Wettervorhersagen, für Telekommunikation, für Überwachung und Kriegsführung, ja sogar für Navigation und bald auch zum Reisen – was die Möglichkeit einer Limitierung der Satellitenlaunches unrealistischt macht. Statt dessen sollte der Fokus auf der Erarbeitung effizienter Weltraumschrottentfernungssysteme liegen.
Eine Animation der NASA auf YouTube veranschaulicht das Problem des herumfliegenden Weltraumschrotts: youtube.com/watch?app=desktop&v=IOwv1j-fUbo