Will jemand in einem demokratischen Staat Abgeordneter der Legislative werden, benötigt er die Stimmen vieler Wähler. Wie aber kann er diese für sich gewinnen? Nur durch Versprechungen, dass er sich für ihre Interessen einsetzen werde, etwa für die Herabsetzung der Steuern.
Wollte er ihnen die reale Lage darstellen, dass sie bisher über ihre Verhältnisse gelebt haben, sodass der Staat ohne höhere Steuern und höhere Konsumpreise seinen Aufgaben nicht mehr nachkommen könne, so würde er, obgleich er die Wahrheit gesagt hat, bei der Wahl glatt durchgefallen.
Wir hören nicht gerne auf Propheten, die Klagelieder anstimmen, auch wenn sie uns die ungeschminkte Wahrheit vor Augen stellen. Wir hören lieber auf Propheten mit einer verheißungsvollen Zukunftsmusik.
Jesus, der von sich sagt, dass Er die Wahrheit ist, hat einen ganz anderen Ton angeschlagen. Er sagt im Matthäusevangelium (16,24): „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ Das klingt doch ganz anders als die Wahlreden der Kandidaten. Es geht hier ja nicht um ein politisches Versprechen, es geht hier vielmehr um das ewige Heil jedes einzelnen Menschen. Leider lehnen viele den Weg, den uns Christus vorangeht, für sich persönlich ab. Hier auf Erden, in diesem überschaubaren Leben, wollen sie es gut haben, und nicht einen Kreuzweg wählen, der angeblich in eine andere, glücklichere Welt führen soll. Mit Goethes Faust sagen sie trotzig: „Aus dieser Erde quillen meine Freuden. Und diese Sonne scheinet meinen Leiden.“
Ein Bild stellt diese beiden Lebensansichten gegenüber. Ein schmaler steiniger Pfad führt auf einen hohen Berg. Nur einige Menschen wandeln darauf. Auf dem breiten Weg drunten im Tal drängt sich fröhlich ein Menschenstrom. Dort, wo der Himmelspfad von der Straße des Verderbens abzweigt, steht ein Vater mit seinem Sohn. Der Vater will den Sohn den steilen Weg nach oben führen, aber der Sohn will mit den vielen auf der breiten Straße bleiben und sagt zu dem Vater: „Es geht ja alles da!“
Es hängt von unserer Entscheidung ab, ob wir den schweren Heilsweg wählen, oder den Weg, der ins Verderben führt. Glaubensstarke Menschen vertrauen den Worten Christi und nehmen seine Warnung ernst: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?“
Ein solcher glaubensstarker Mann war der Lordkanzler des englischen Königs Heinrich VIII., Thomas More (1478-1535). Als der König sich wegen seiner vor der Kirche ungültigen Heirat mit Anna Boleyn von der Kirche losriss, war sein Lordkanzler aus Gewissensgründen damit nicht einverstanden. Was tat der verblendete König? Er ließ seinen treuesten Mithelfer ins Gefängnis werfen. Dort sollte er zur Einsicht kommen. Auch seine Frau wurde beeinflusst, sie solle ihren Gatten zum Umdenken bringen. Sie erschien im Kerker und bestürmte ihren Gatten, er solle den Eid auf den König als Oberhaupt der englischen Kirche leisten und sich dadurch die Rückkehr in sein trautes Heim und in seine Familie sichern. Sir Thomas winkte ab. Da rief seine Frau erregt: „Ich weiß wahrhaftig nicht, was du hier so reizend findest, dass du so gerne in diesem Gefängnis bleibst.“ Da fragte Sir Thomas: „Alice, höre, ist nicht dieser Kerker dem Himmel genau so nah wie unser Haus in Chelsea?“ Er ging den schweren Heilsweg und opferte Blut und Leben für seine religiöse Überzeugung.