1. Advent. Der Kreislauf eines Kirchenjahres beginnt wieder einmal von Neuem und wie Jahr um Jahr ist dieser erste Adventssonntag eng mit einem alten Bild verknüpft. Wir kennen es von den Darstellungen unzähliger Maler, wir haben dieses Bild aus Jesusfilmen in Erinnerung und vielleicht haben wir es in unserer Phantasie auch selbst schon ausgemalt: Jesus zieht in Jerusalem ein. Hinter ihm die Schar seiner Jünger. Menschen umringen ihn. Sie streuen Palmenblätter auf den Weg, manche legen ihre Oberkleidung ab, um sie, wie ein Teppich, vor ihm auszubreiten. Sie jubeln, schreien, huldigen ihn als König: ‘Gelobt sei, der kommt im Namen des Herrn!’ So erzählen alle vier Evangelien der Bibel.
Es gibt Züge an diesem Bild, die nicht gefallen. Vielleicht lässt man sich zunächst von der Begeisterung und der geschilderten, malerischen Farbenpracht fortreißen. Bei den alle zehn Jahre dargebotenen Passionsspielen im bayerischen Oberammergau sind es wenigstens einhundert Darsteller vom Vorschulkind bis zum Greis, die dieses Geschehen turbulent und lautstark auf die große Bühne bringen. Ein ganzer Ort scheint auf den Beinen zu sein. Aber dann? Wenn die Begeisterung abflaut, nüchternem Denken und der sachlichen Überlegung Platz macht?
Da ist der Esel. Ein ‘königliches Reittier’ nun wirklich nicht. Und dann der ‘Hofstaat’, die Jünger? Reichlich zerlumpte und ungepflegte Gestalten. Fahrendes Volk, obdachlos, vielleicht asozial? Und der ‘König’ selbst nicht viel anders. Ein billiges Gewand, kein weiteres Gepäck, keine Waffen, nur ein Esel.
Ein seltsames Bild. Es hat schon damals die Leute in Jerusalem gestört und keine Woche nach diesem Einzug fordern sie die Hinrichtung. Dieser König passt nicht zu unseren menschlichen Hoffnungen, unseren Erwartungen, unserem Denken. Er passt nicht in unsere Welt. Aber vielleicht ist es gerade die Weltfremdheit, die den besonderen Reiz der Szene ausmacht. Dass sich dieses Geschehen eben nicht zu dem fügen will, was in der Regel menschliches Denken, Hoffen und Planen ist.
Bedenken wir einen Moment: Benötigt die Menschheit denn wirklich immer wieder neue Personen, die Macht, Glanz und Herrlichkeit demonstrieren? Haben wir den Glauben an die Mächtigen dieser Welt nicht längst verloren? Folgte ihrem Auftritt in Pomp und Herrlichkeit nicht meistens Ernüchterung, manchmal gar eine Katastrophe? Was bewirkt denn alle ihr Macht? Schafft sie Frieden? Werden Menschen satt und glücklich? Und ihr ganzes Rüstungspotenzial? Leben wir ruhiger und sicherer damit? Macht es frei von Angst? Erlöst es uns von den Lasten unseres Lebens?
Wie anders dieser König: Arm, ohnmächtig, ohne Gewalt. Es kommt ihm nicht darauf an, dass wir vor Staunen und Bewunderung Mund und Nase aufreißen. Er will nicht mit dem Glanz seines Auftrittes blenden und keinen Eindruck schinden. Er will unsere Herzen gewinnen.
Das ist Gottes Antwort auf die unbarmherzigen menschlichen Gesetze und Mechanismen der Welt. Keiner kann sie retten, der so ist, wie sie. Es kann sie nur einer retten, der anders ist, der auf äußere Wirkung gänzlich verzichtet, der nichts für sich selbst, aber alles für sie will: Ganz Gott, ganz Mensch. Christen sagen: In Jesus Christus ist dieser Retter, dieser Erlöser gekommen.
‘Jesus Christ, Superstar!’ titelt ein weltbekanntes Musical des amerikanischen Komponisten Andrew Lloyd Webber
‘Siehe, dein König kommt. Ein Gerechter und ein Helfer.’ Warum wollen wir es nicht einmal mit dem König Jesus versuchen, wenn unsere Macht doch nicht hilft und die Mächtigen keinen Frieden zustande bringen. An ihm erfahren Menschen seit zweitausend Jahren, dass Leben in Ordnung kommt und sie Hilfe in ihren Nöten erfahren. Er kann das ohne Waffen, ohne geballte Fäuste, ohne Diktatur und Unterdrückung. Er will freie Menschen, die aus freiem Herzen ‘ja’ zu ihm sagen und aktiv werden.
Ein seltsamer König! Zugegeben. Doch sein Reich hat Bestand und schlägt noch heute Menschen in seinen Bann. Gelobt sei, der da kommt, im Namen Gottes, des Herrn!