Maia Sandu hat die Präsidentschaftswahlen, wie erwartet, mit einem klaren Abstand von 11 Prozent für sich entscheiden können. Entscheidend, wie erwartet, war die hohe Wahlbeteiligung in der Diaspora. Am 5. November 2024 fanden in den USA ihrerseits die Präsidentschaftswahlen statt. Auch hier wird eine hohe Wahlbeteiligung wahrscheinlich zu der ersten Frau im Oval Office führen. Bis zum Wahltag sollen schon fast die Hälfte der Wahlberechtigten per Briefwahl ihre Stimme abgegeben haben.
In zwischen bereitet man sich im Donau-Karpaten-Raum für die erste Runde der Präsidentschaftswahlen vor. Gewöhnlich sind dieses die Wahlen mit der höchsten Beteiligung. Seit drei Wochen hat offiziell die Wahlkampagne begonnen. Alles ist still. Oder scheint es nur still, weil wir schon seit mehr als einem Jahr im Wahlkampagnemodus leben und die übliche Wahlkampagnedynamik zur Normalität geworden ist? Auch in Rumänien stehen drei Frauen zur Wahl, neben zehn Männern. Eine reale Chance dürfte man aber keiner von ihnen einräumen. Die in den Umfragen bestplatzierte Elena Lasconi (Union Rettet Rumänien) schafft es mit ihrer schwammigen traditionalistisch-progressistischen Einstellung nicht über die 15- Prozent-Hürde. Doch eine andere Frage scheint mir in diesem Kontext eine wichtigere zu sein: wissen die Rumänen überhaupt, was sie am 24. November und am 8. Dezember wählen?
Üblicherweise sehen die Rumänen im Präsidenten eine eierlegende Wollmilchsau. Oder um es in einer eher landestypischen Art zu sagen: ein Väterchen, welches dem ganzen Volk zum dem über die Jahrhunderte wohlverdienten, aber nie erreichten Glück verhelfen soll. Und da merkt man, dass die wenigen Stunden, die man in Rumänien im Bürgerkundeunterricht mit der rumänischen Verfassung verbringt, zu nichts führen. Der rumänische Präsident kann von Amts wegen weder Autobahnen bauen, noch Löhne erhöhen, weder die Korruption bekämpfen, noch die Bürokratie mittels Digitalisierung vereinfachen. In unserem Staatssystem (ein Gemisch zwischen präsidialer und parlamentarischer Republik), sitzt der Präsident irgendwie zwischen den Stühlen: er ist sowohl Teil der Exekutive, aber auch Teil der Legislative. Er hat Pflichten und Rechte auf beiden Seiten des Staatsapparats. Was aber am ironischsten wirkt, ist die von ihm erwartete Parteineutralität. Diese wird von Amts wegen vorausgesetzt, da der Präsident als oberster Mediator zwischen den unterschiedlichen Institutionen und Parteien fungieren soll. Dass aber der Sieger, ab dem Tag, an dem er den mit der Übernahme des Amtes verbundenen Schwur ablegt, keine parteiliche Bindung mehr hat, auch wenn er formal seine Parteimitgliedschaft gekündigt hat, wird niemand wirklich glauben. Wieso eine Parteimitgliedschaft eine Hürde für ein ausgeglichenes Handeln darstellen soll, konnte ich selber bis jetzt nicht verstehen. Hingegen haben die Präsidenten der letzten 35 Jahre bewiesen, dass der Parteiaustritt nichts mehr als eine Formalie war.
Die Aufgaben und Befugnisse des rumänischen Präsidenten sind in der Verfassung Rumäniens sehr klar definiert. Diese kleine Broschüre wurden von den meisten Rumänen nie in der Hand gehalten. Doch haben die meisten den Eindruck, sie wüssten, was diese beinhaltet. Was dabei Wirklichkeit, Halbwissen oder Wunschdenken ist, steht auf einem anderen Blatt. Mein Tipp, es ist bis zum 24. November machbar, man lege sich ein Exemplar zu (es ist sogar kostenlos erhältlich). Wenn man den Raum besucht, wo auch der Kaiser alleine hingeht, lasse man mal das Handy weg und lese zwei oder mehrere Artikel in dieser Broschüre. Kann man ohne Handy nicht, dann öffne man sich das entsprechende digitale Dokument und tue dasselbe. Beides führt dahin, dass man in der Wahlkabine besser informiert sein wird für was man seine Stimme abgibt. Auch wenn man sich dann nicht mehr sicher ist, ob einer oder eine von jenen, die auf den Wahlzetteln stehen, tatsächlich den Ansprüchen der Verfassung gerecht werden kann, aber man weiß dann wenigstens, was man von den Kandidaten(innen) erwarten darf.