Auch so kann man das berühmt-berüchtigte Sommerloch füllen: Indem man die Bürgermeister von Arad und Temeswar zu sich in die West-Universität einlädt, eine Konferenz im Ausland forschender rumänischer Ökonomen als Vorwand und Rahmen benützt und den gelangweilten Lokalmedien erzählt, dass man nun den ersten Schritt in Richtung eines Ballungsraums mit einer Million Einwohnern, dem Großraum Temeswar-Arad, unternimmt. Die ADZ berichtete darüber.
Eindeutig, dem Rektor der West-Universität, Marilen Pirtea, gelingt ein Imagecoup nach dem anderen. Der Mann meldet sich in allerlei Fragen, und das ist im Grunde auch gut so. In der Tat, eine Universität kann und muss Stellung nehmen zu den wichtigsten Fragen der Region und des Landes. Dass Rektor Pirtea dabei seine persönliche Agenda verfolgt und sich als zukünftiger Politiker profilieren möchte, der sich eindeutig für höhere Ämter berufen fühlt, wie ihm in informierten Kreisen in Temeswar immer wieder nachgesagt wird, dürfte vorläufig von nebensächlicher Bedeutung sein. Festzuhalten ist, dass Marilen Pirtea früher mit den Sozialdemokraten kokettiert hat, sich jetzt aber in PNL-Nähe bewegt, bleiben die Liberalen doch frequentierbarer als die Sozialdemokraten. Zumindest für die jüngere Wählerschaft.
Fest steht allerdings, dass der Rektor, gemeinsam mit dem ehemaligen Vizepräsidenten des Temescher Kreisrates, dem Liberalen Marian Vasile, die beiden Bürgermeister, Gheorghe Falcă und Nicolae Robu, liberale Parteikollegen, dazu gebracht hat, ein Kooperationsprotokoll zu unterschreiben. Um gemeinsam die Entwicklung ihrer Städte voranzutreiben und bis 2050 einen Großraum mit einer Million Einwohnern zu schaffen. Die Idee ist alt, Rektor Pirtea ließ sie nun mehr oder weniger geschickt aufwärmen. Das verabschiedete Papier klingt vorerst schwammig, vage sind die Ziele der Zusammenarbeit formuliert und über die Mittel, diese Ziele zu erreichen, wird so gut wie nichts gesagt. Die alte Mär der kaum ausgeschöpften europäischen Mittel sowie das angepeilte gemeinsame Betteln in Bukarest begeistern kaum noch jemanden, obwohl ein gemeinsames Agieren der beiden Städte, die heutzutage auf knapp 500.000 Einwohner kommen, sicherlich mehr bringen könnte, als die bisher eingeschlagenen Einzelwege.
Nur: Wie sollen die beiden Städte und die im Dreieck Temeswar - Arad - Lippa/Lipova - Temeswar liegenden Gemeinden zusätzliche 500.000 Menschen anziehen? Woher sollen diese kommen, in einem Land mit einer seit fast drei Jahrzehnten rückläufigen Bevölkerung und einer besonderen Immigrationsabscheu? Ein solches Bevölkerungswachstum wird kaum durchführbar sein, jede vernünftige Prognose geht davon aus, dass in den kommenden Jahrzehnten die Bevölkerung Rumäniens auf 15 bis 16 Millionen sinken wird. Jene Städte, die ihre derzeitige Einwohnerzahl werden halten können, sind eine absolute Ausnahme.
Aber darüber sollte auch nicht allzuviel die Rede sein. Denn eine steigende Lebensqualität in beiden Städten wird weiterhin Menschen in diesen Raum locken, die Binnenwanderung findet weiterhin statt. Wichtiger sind zurzeit die konkreten Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Und da gibt es viele, einige wurden bei der vorige Woche stattgefundenen Konferenz an der West-Universität auch angesprochen. Die Unterstützung der Temeswarer Kandidatur für die Würde der Europäischen Kulturhauptstadt 2021, zum Beispiel. Oder die gemeinsame Anziehung von ausländischen Investitionen, obwohl beide Städte mit einem starken Arbeitskräftemangel zu kämpfen haben. Ganz wichtig: der Verkehr, der durch den Bau der Autobahn noch längst nicht so funktioniert, wie es sein müsste. Man könnte eindeutig über einen Verkehrsverbund der beiden Städte sprechen, über das gemeinsame Betreiben von Bus- und Bahnverbindungen zwischen Temeswar und Arad, über ein vereintes Konzept für die Entwicklung der Flughafeninfrastruktur, aber auch über den gemeinsamen Hochschulstandort Temeswar - Arad und eine gezielte touristische Vermarktung der beiden Städte und ihres Umlandes.
Klar: Der wichtigste Konkurrent des Großraums Temeswar - Arad bleibt die Stadt Klausenburg/Cluj-Napoca; in der allgemeinen Wahrnehmung ist Klausenburg bereits Rumäniens zweitwichtigster wirtschaftlicher Standort. Temeswar allein liegt knapp hinter Klausenburg, ein Banater Ballungsraum würde selbstverständlich bei allen ökonomischen Indikatoren die siebenbürgische Metropole hinter sich lassen. Zwischen den Zeilen der gemeinsamen Deklaration der Bürgermeister Robu und Falcă konnte auch dies herausgelesen werden.
Dass all diese Gedanken ins Gespräch gebracht wurden, ist zweifelsohne ein Schritt nach vorne, doch müssten den Worten auch Taten folgen. Die ersten wären im Grunde einfach zu bewältigen: Der Arader Kreisrat müsste endlich jene Straßen neu asphaltieren, die in den Kreis Temesch führen, allen voran die Strecken Arad - Guttenbrunn/Zăbrani und Guttenbrunn - Lippa. Oder man könnte ein gemeinsames Konzept für die Steigerung der touristischen Attraktivität endlich erstellen und umsetzen. Mit vergleichsweise wenig Geld, aber mit klugen Ideen.
Aber dafür müsste hüben wie drüben der Lokalstolz abgelegt werden und es müssten alle Akteure am selben Strang ziehen, zunächst am selben Tisch sitzen. Dass dies vorige Woche nicht der Fall war, ist von der Tatsache belegt, dass der PSD-Kreisratsvorsitzende von Temesch, Sorin Grindeanu, nur einen Tag vor dem Event eingeladen wurde und deshalb, so er selbst in der Lokalpresse, der Veranstaltung fern blieb. Ob Vertreter des Arader Kreisrates zugegen waren, ist unbekannt, in den Vordergrund traten sie jedenfalls nicht. Dabei ist die Teilnahme der Kreisräte und ihrer Entwicklungsagenturen unverzichtbar, viele der angepeilten Maßnahmen zur Schaffung des Großraums können eigentlich nur über die Kreisräte laufen. Den Stadtverwaltungen von Arad und Temeswar sind gesetzlich gesehen Hände und Füße noch gebunden; Messer und Brot liegen bei den Kreisräten.
Es bleibt also abzuwarten, ob die West-Uni-Initiative nur ein PR-Gag war, eine Art Vorgeschmack auf den bevorstehenden Wahlkampf im Herbst, oder ob es zu etwas Konkretem (und Nachhaltigem) kommt. Spätestens Anfang 2017 müsste bei den Hauptdarstellern Pirtea, Robu, Falcă nachgefragt werden. Ansonsten bleibt die Geschichte vom wichtigsten Standort zwischen Bukarest, Budapest und Belgrad bloß eine Geschichte. Eine von doppeltem Vorteil: Sommerloch füllen und zugleich Image aufpolieren. An der West-Uni kennt man sich eindeutig besser aus im Marketing als in den Rathäusern an Bega und Marosch.