Das städtische Wasserwerk der Gesellschaft Aquatim wird bunt. Hier arbeiten seit einigen Wochen Straßenkünstler von überall her. Die alten, grauen Gebäude gewinnen täglich an Farbe und werden gleichzeitig um einige Kunstwerke reicher. Da ist die Katze, der Frosch, das Mädchen in Yoga-Pose, der Fotograf, aber auch abstrakte Muster zieren die Wände der Aquatim-Hallen am Rande der Stadt Temeswar. Sergio Morariu, von seiner Ausbildung her Wasserbauingenieur, ist bei Aquatim fast wie zu Hause. Er ist es, der die jungen Künstler aus Spanien, Mexiko und Rumänien in die Stadt an der Bega eingeladen hat, um die Wände zu verschönern. Veranstalter des FISART ist die EnduRoMania-Stiftung.
Sechs Jahre ist es her, seitdem Sergio Morariu das Internationale Festival für Street-Art, FISART, ins Leben gerufen hat. Mit der Temeswarer Stadtverwaltung musste er zu Beginn viele Gespräche führen, bis man endlich verstand, dass Straßenkunst etwas Besonderes ist. Ob man es tatsächlich auch kapierte, ist immer noch fraglich, denn die finanzielle Unterstützung, die das das FISART von der Kommune bekommt, ist in Vergleich zu anderen Festivals recht gering. 40.000 Lei flossen in diesem Jahr in das Projekt – eine recht kleine Summe, wenn man bedenkt, dass das Timfloralis-Blumenfestival, von dem nichts Sichtbares in der Stadt geblieben ist, mit einer sieben Mal höheren Summe aus dem Stadttopf gefördert wurde. Doch Veranstalter Sergio Morariu lässt sich davon nicht einschüchtern. „Es ist meine große Leidenschaft und ich werde nicht aufgeben“, sagt er.
2013 begannen die jungen Künstlerinnen und Künstler, die Morariu nach Temeswar einlud, auf Gebäude des Colterm-Fernheizwerks zu malen. Im vergangenen Jahr schloss sich die Textilienfabrik „Pasmatex“ dem FISART an, wobei in diesem Jahr Aquatim-Chef Ilie Vlaicu die Tore seiner Institution den Street Artists öffnete. Doch die Pläne von Sergio Morariu reichen viel weiter. „Im Rahmen des Tourismusstrategie zur Entwicklung des Bega-Kanals haben wir die Möglichkeit, ein Straßenkunstmuseum, von Temeswar bis an die Theiß, über Großbetschkerek/Zrenjanin, aufzubauen. Wenn uns das gelingt, dann kommen wir wahrscheinlich ins Buch der Rekorde“, sagt Sergio Morariu. Positives Feedback zum Thema „Street Art“ kam auch vom Verein „Temeswar – Kulturhauptstadt Europas 2021“.
Insgesamt 18 Künstler waren in diesem Jahr in Temeswar, um zu malen und zu sprühen. Die meisten traf Sergio Morariu in Miami. „Wir konzentrieren uns auf Orte in der Stadt, wo die Leute in Ruhe arbeiten können und wo ihre Werke geschätzt sind“, sagt er. So kam es, dass es bei Aquatim zunächst möglich war, nur einige Wände zu bemalen; doch als letztendlich die ersten Kunstwerke geboren wurden, bekamen die Künstler freie Hand, die Wände nach Belieben zu bemalen und zu besprühen.
Sergio Morariu ist selbst ein Gegner der Sprüher und Writer, die nichts anderes zu tun haben, als ihren Namen irgendwo hin zu schreiben. „Jeder, der in der Ceau{escu-Ära aufgewachsen ist, kann diesen Persönlichkeitskult nur hassen“, sagt er. Trotzdem muss er zugeben: „Viele der heutigen Künstler haben jedoch ihre Vergangenheit in der Sprüherei. Dadurch lernten sie, schneller und besser zu werden“. So auch der aus Kronstadt stammende Homeboy LDJ. Seit ´97 widmet sich 35-jährige der Graffiti-Kunst. Homeboy sprühte bereits in vielen Städten Europas, in Deutschland, Ungarn, Österreich und Spanien. In diesem Jahr ist er erstmalig bei FISART dabei. „Street Art bedeutet nicht ausschließlich Technik. Es ist eine Beschäftigung mit dem bebauten Umfeld – das Kunstwerk muss genau auf das Gebäude ausgerichtet sein“, sagt er. Seine Kunstwerke können bei Pasmatex und bei Aquatim bewundert werden.
„Städte wie Philadelphia oder Berlin fördern diese Kunstart. In Berlin wird zur Zeit ein Street-Art-Museum gebaut“, erzählt Sergio Morariu, ein Kenner der internationaler Straßenkunst. „In Philadelphia, zum Beispiel, wird den Häftlingen angeboten, Street Art zu machen, um schneller aus dem Knast herauszukommen. Es ist nachgewiesen worden, dass sich diese Leute viel schneller sozial integrieren“, sagt er. Allein in Rumänien schreiben die Häftlinge „wissenschaftliche“ Bücher, um schneller entlassen zu werden.