Zu jener Zeit war im Sauerland, wie in ganz Westfalen, das Anerbenrecht gültig, das die geschlossene Übertragung des Grundbesitzes auf einen Erben unter Abfindung der Miterben vorsah. Der Sinn dieses Anerbenrechts lag in der Erhaltung eines Bauernhofes als Ganzes. Eine Realteilung in der Erbfolge führte zu einer fortschreitenden Zerstückelung des Anwesens. Die Höhe der Abfindung an die übrigen Erben musste auf die Leistungsfähigkeit des Hofes Rücksicht nehmen, sie konnte nie dem Wert des Kindteils bei einer Realteilung entsprechen. Je schwieriger die finanzielle Lage eines Hofes, desto bescheidener die an sich in dieser Zeit schon geringe Abfindung der Geschwister des Hoferben. Die durch den Anerben ausgeschlossenen Erben wurden zumeist weit unter dem wirklichen Wert abgefunden. Zu berücksichtigen ist auch, dass die bäuerlichen Betriebe durch die kriegerischen Auseinandersetzungen während des Siebenjährigen Krieges und auch in der Folgezeit stark in ihrer Existenz bedroht waren. Den Miterben boten sich als Alternative der Erwerb eines eigenen Betriebes durch Kauf oder Einheirat, die Arbeit als Knecht oder Magd, die Erwerbstätigkeit in einem Handwerk oder aber eben die Auswanderung in ein anderes Land an.
Die erste in dieser Zeit erkennbare Auswanderung aus Westfalen nach Ungarn fällt in die Mitte des Jahres 1764 mit fünf Familien noch zahlenmäßig gering aus. Ein geradezu sprunghaftes Anschwellen gab es dann 1765 mit 122 Familien. Den Höhepunkt der westfälischen Auswanderung brachte das Jahr 1766 mit 204 Familien. Ähnlich dem raschen Anwachsen folgte ein rasches Abschwellen der westfälischen Auswanderungsstärke. 1767 befanden sich noch 24, 1768 nur noch 21 Familien westfälischer Herkunft im großen Auswanderungsstrom.
Die erste Auswanderungswelle hatte der Kurfürst von Köln als Landesherr von Westfalen noch hingenommen. Als aber nach der immer stärker werdenden Abwanderungsbewegung im Jahr 1765 sich doch ein drohen der Bevölkerungsverlust andeutete, befasste sich die erzbischöflich-kurfürstliche Landesregierung mit den Möglichkeiten der Abwehr. Am 3. Februar 1766 erschien eine erste Verordnung gegen die westfälische Auswanderung. Von den Kanzeln wurde sie verkündet und überall angeschlagen. Der Kurfürst verordnete darin die Androhung des Einzugs eines fünften Teils des Besitzes der Emigranten, weil sich „...die junge Leuth in unserem Herzogtum Westphalen in solcher Anzahl ihr dasiges Vaterland verlassen und sich in andere fremde Lande hinbegeben, daß auf die Dauer im gantzten Lande fast kein Knecht mehr zu gehaben seyn dörfte...“, Eine Verordnung vom 12. Juli 1766 setzte die Auswanderung schließlich unter Strafe. Aufgrund der scharfen Strafbestimmungen gingen die Abwanderungen schlagartig zurück. Nur noch wenigen Familien gelang die Ausreise.
Aufgrund dieser Verordnung setzte 1766 der Baron von Fürstenberg eine Auswanderergruppe aus Oberhundem kurzzeitig fest, der sich auch Familien aus dem Veischedetal angeschlossen hatten. Später in Wien angekommen, wandten sich die Auswanderer mit einer Beschwerde und Bittschrift an die Kaiserin. Der Baron von Fürstenberg habe sie acht Tage aufgehalten und ihre „Bagage mit Gewalt hinwekgenohmen, mit Vermelden: es soll Niemand mehr in Hungarn raysen...“ Die Beschwerde hatte Erfolg. Die Hofkammer in Wien ersuchte nun die Fürstenberger, den Beschwerdestellern „das ihrige zukommen zumachen und dieselbe überhaupt zufrieden zu stellen“.
(Fortsetzung folgt)