Am anderen Ende Europas interessierte sich eine französische Forscherin für die Geschichte der Banater Schwaben, habilitierte und veröffentlichte eines der konsistentesten Werke zu dem Thema: „(Post)colonisation – (Post)migration / Ces Allemands entre Allemagne et Roumanie“, auf Deutsch: „(Post)kolonisation – (Post)migration / Diese Deutschen zwischen Deutschland und Rumänien“.
Gwénola Sebaux hat die Deutschen im Banat besucht, ihre Forschungen sind auf fast 500 Seiten aufgezeichnet. Das Interesse ist gemäß der eigenen Aussagen im Rahmen „einer Recherche der Migrations- und Identitätsphänomene im deutschsprachigen Raum“ zu verstehen. „Die ‘Auslandsdeutschen’ (…) haben für die Identitätsproblematik, die uns interessierte, ein privilegiertes Forschungsfeld dargestellt. (…) Die Wahl traf die Deutschen im Banat, weil das Thema in Frankreich weitgehend unbekannt ist“, begründet Gwénola Sebaux die Auswahl des Forschungsthemas. So stellte die Forscherin fest, dass das Banat im Gegensatz zu Siebenbürgen eine „Terra incognita“ darstellte, wobei die Verleihung des Nobel-Preises an Herta Müller südlich des Rheins ein bisschen die Indifferenz gegenüber der Region Banat aufrüttelte. Ein bisschen, aber nicht ausreichend, denn einige Medien in Frankreich hatten über „eine Banater Schriftstellerin aus Siebenbürgen (sic)“ berichtet.
Der Forscherin gelingt es in ihrem Buch, Licht zu verschaffen und wenn der französische Leser den guten Willen zur Lektüre hat, dann ist er im Nachhinein gut informiert.
Andererseits ist die Lektüre auch für die Deutschen, die über Französisch-Kenntnisse verfügen, von Interesse, schon wegen der Perspektive die darin geboten wird. So werden die Deutschen aus dem Banat als „homo migrans par excellence“ dargestellt. Was die angewandte Methode anbelangt, hat sich die Forscherin auf drei Säulen festgesetzt: die Feldforschung, die Erforschung der Archive (die Kreisdirektion des Nationalarchivs oder das Römisch-katholische Diözesanarchiv, das Archiv der Anthropologie- und Oral-History-Forschungsgruppe „Das dritte Europa“ oder der Bestand der Zentralen Universitätsbibliothek) und der Gegenwartspresse, wobei der Schwerpunkt bei der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien/Banater Zeitung“ lag.
Zur Feldforschung gehörten Interviews, die 2010 in Rumänien geführt und 2011 von informellen Gesprächen ergänzt wurden, dazu kam ein Fragebogen, der Aussiedlern vorgelegt wurde. Der Zweck war, „das Zugehörigkeitsgefühl der beiden Gruppen zu messen“.
Vielleicht ist für den Banater Leser der erste Teil des Buches, der sich mit der Geschichte der Deutschen im Banat befasst, weniger von Interesse, da bekannt; die beiden anderen Teile, über „Die Deutschen im Banat heute“ und „Die Banater Deutschen in Deutschland“ sind jedoch erlebte Geschichte, sprechen von der Gegenwart und wie sie so unter einen Hut gebracht werden, können sie auch für den hiesigen Leser wertvoll sein.
Interessant sind die Schlussfolgerungen, die Gwénola Sebaux zieht: „Die Kombination der Benennungen ‘ethnische Gruppe’, ‘historische Gemeinschaft’, ‘kulturelle Gemeinschaft’ ist uns bei der Annäherung an das Thema treffend erschienen (…). Durch die Forschung sind wir nun in der Lage dieses Gefühl, das wir anfangs hatten, zu nuancieren, einige der Grenzen zu präzisieren. Auch wenn diese Triade zweifellos adäquat ist, müssen wir zugeben, dass sie zu einer bestimmten Zeitspanne, vor 1990, passt, das ist grob gesehen die Periode vor der Migration (vor dem post-revolutionären ‘Exodus’). Die Ergebnisse der Feldforschung (im Banat und in Deutschland) ermöglichen uns zu behaupten, dass der zweite Begriff der einzige ist, der heute völlig eingesetzt werden kann. Eine ‘geschichtliche Gemeinschaft’ ist die Bezeichnung, die von jetzt ab sowohl für die Schwaben, die im Banat geblieben sind, als auch für ihre ehemaligen Landsleute, die nach Deutschland ausgewandert sind, passend ist“.
Ein Buch, das man empfehlen kann und wie jede wissenschaftliche Arbeit auf Reaktionen und Gegenreaktionen wartet.