Die Europäische Union legte ihre Förderprioritäten für die Zeitspanne bis 2020 fest. Im Bereich des Personen- und Warentransports wurden mehrere transeuropäische Verkehrskorridore identifiziert. Dafür stehen im Programm „Central Europe Facilities“ 26 Milliarden Euro zu Verfügung. Eine besondere wirtschaftliche Entwicklungsachse verbindet Berlin über Wien und Budapest, Arad und Temeswar, Calafat-Vidin und Sofia mit Athen und sieht eine Abzweigung nach Istanbul vor. Dieser Vorrangkorridor heißt „Orient East Med“. Bis 2030 soll die Schieneninfrastruktur auf der gesamten Strecke durch zweigleisigen Ausbau mit möglichen Geschwindigkeiten von mindestens 160 km/h modernisiert werden. Budapest soll, zum Beispiel, von Arad aus, mit Intercity-Zügen in weniger als zwei Stunden mit der Bahn erreichbar sein und internationale Güterströme aus Asien und dem Mittelmeerraum sollen von den Straßen auf die Schiene verlagert werden. Der LKW-Verkehr wird dementsprechend durch den Einsatz „leiser“ Containerzügen verringert, die mit regenerativer Energie angetrieben werden. Die EU gibt wirtschaftliche Impulse durch die Modernisierung der Schieneninfrastruktur, die Vernetzung der Logistikzentren, die Förderung des Tourismus sowie durch den Erfahrungsaustausch zwischen den Städten entlang des Korridors.
Den aktuellen Stand der Infrastruktur auf diesem Orient-East-Med-Korridor überprüft derzeit eine mehrköpfige Delegation aus Berlin. Geleitet wird sie vom Berliner Verkehrsstaatssekretären Christian Gaebler. Mit dabei sind Experten für Verkehrs- und Stadtplanung der Berliner Landesregierung, des Parlaments und des Verbandes Deutsches Verkehrsunternehmen. Die Delegation bereist mit der Bahn die gesamte Trasse von Berlin bis Athen. Ein großes Interesse wird dabei gegenüber grenznahen Großstädten gezeigt. Einen ersten Halt von fast 24 Stunden machten die Berliner Ende vergangener Woche in Arad. Begleitet wurde die Delegation von dem Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar, Rolf Maruhn. Auf dem Programm standen Gespräche mit Vertretern der Kommunalverwaltung sowie ein gemütliches Treffen mit Vertretern des deutschen Forums und der deutsch-rumänischen Wirtschaftsvereine aus Arad und Temeswar.
„Wir interessieren uns für die inner-europäischen transnationalen Verbindungen“, sagt Verkehrsstaatssekretären Christian Gaebler. „Wir erkunden den aktuellen Stand der Infrastruktur, schauen, was noch zu tun ist und wie wir dabei auf europäischer Ebene dazu beitragen können, dass wir ein europäisches Netz aus internationalen Schienenverbindungen haben, um eben dem steigenden Güterverkehr umweltfreundliche Angebote machen zu können. Bisher konnten wir feststellen, dass bis Budapest die Infrastruktur sehr gut ist. Wenn man dann weiter nach Rumänien fährt, sieht man, dass es noch Handlungsbedarf gibt. Interessanter Weise wird die Infrastruktur nach der ungarisch-rumänischen Grenze besser, sie ist ja auch neu gemacht, aber es fahren nur wenig Züge darauf. Man muss dafür sorgen, dass das Schienennetz auch genutzt wird, dass es in ganz Rumänien vernetzt wird und nicht nur auf ein kleines Stück um Arad herum beschränkt bleibt“, sagte Gaebler. „Wir haben an der deutsch-polnischen Grenze die Erfahrung gemacht, dass eben an den Übergängen Europa doch noch sehr kompliziert sein kann und noch nicht so zusammengewachsen ist, wie wir uns das wünschen. Daher wollen wir nun auch sehen, wie es an anderen inneneuropäischen Grenzen so läuft und haben uns diese Punkte gewählt. Außerdem wollen wir die Kultur vor Ort kennenlernen und Arad ist ein Ort, wo viele Kulturen zusammenkommen - ein Beispiel dafür, wie das Zusammenleben in der EU gut funktionieren kann“, fügte der Verkehrsstaatssekretär hinzu.
Die Berliner Delegation besichtigte des Weiteren das deutsche Unternehmen Astra Rail Industries. Das ist der größten Frachtwaggonhersteller Europas. Generalmanager Bernd Böse findet solche Besuche von großer Bedeutung, da dadurch auf europäischer Ebene Lobby für den Umstieg des Güterverkehrs von Straßen auf Schienen gemacht wird. „Die Zeit ist immer wichtiger geworden“, sagt er, „das heißt, man kann sich gar nicht mehr erlauben, sechs Wochen ein Transport zu haben, der über Straßen von China nach Westeuropa erfolgt. Der gleiche Transport wird heute in 21 Tagen per Bahn geschafft. Wichtig ist: die gewünschte Schnellebigkeit in unserer Wirtschaft muss mithalten. Andererseits, wenn mehr auf die Schiene geht, werden auch mehr Container-Waggons benötigt. Das sichert uns Arbeit, dass wir die Leute in der Region auch beschäftigen können. Es ist sicherlich keine Angelegenheit von morgen oder übermorgen, aber langfristig ist es sehr wichtig für uns.“
Am Samstag Vormittag unternahmen die Berliner Gäste einen Stadtrundgang unter der Führung von Professor Michael Szellner, dem Vorsitzenden des Arader Deutschen Forums. Zur Mittagsstunde ging es dann weiter mit dem „Seridica-Express“ über Temeswar und die neue Donau-Brücke bei Vidin nach Bulgarien, wo ein neuer Halt organisiert wurde, bevor die Reise weiter nach Griechenland fortgesetzt werden sollte.