Berufsschule: Deutsches Modell als Standortfaktor

Ehemalige Industriehochburg ohne Facharbeiter

In Reschitza soll Berufsausbildung betrieben werden, wie es Niederlassungen deutscher Konzerne über die Wirtschaftsclubs bereits an mehreren Industriestandorten vorgemacht haben. So hat Dräxlmaier in Hunedoara eine kleine aber feine Werkstatt für Anfänger eingerichtet.
Archivfoto: Siegfried Thiel

Die Jagd auf Schmetterlinge soll komplett abgeblasen werden. Nein, der Reschitzaer Bürgermeister Ioan Popa sieht in dieser Aussage keinesfalls ökologische Hintergründe. Er plädiert auf diese Art für eine Förderung der Berufsschulen und „Schmetterlinge fangen“ stellt er einer sinnlosen Ausbildung an den Schulen gleich. Die Berufsbildung nach dem deutschen Modell soll den Fachkräftemangel in den Reschitzaer Unternehmen beheben und auch als Standortfaktor für weitere Investitionen gelten. Nach einem Treffen von Kommunalverwaltung, Schulen und Schulbehörde sowie Unternehmen soll ein sogenannter Pakt zwischen diesen Einrichtungen den notwendigen Schub zur Gründung von Berufsschulen geben. Die Meinung zum Thema wollen die Unternehmen in Kürze schriftlich äußern.

Derzeit ist das Durchschnittsalter der Facharbeiter in Reschitza recht hoch und Aussagen aus dem Bürgermeisteramt nach stehen viele der Arbeiter vor dem Eintritt in den Ruhestand. Bereits heute fehlt es in der gesamten Region des Banater Berglands an Spanabhebern, Elektrikern, Schlossern, Schweißern, Gießern, Bäckern und Konditoren. „Ich befürchte, dass in manchen Lyzeen einige Lehrer umschulen und umdenken müssen. Sollten sie dazu nicht geneigt sein, müssen wir sie entlassen“, so Ioan Popa.

 

Banater Bergland: Allerlei Berufe gefragt

 

Die genannten Berufe, in denen es so gut wie keine Facharbeiter gibt, sind wohl die am meisten betroffenen. Im Deutschsprachigen Wirtschaftsclub Banat (DWC) weiß man jedoch längst, dass es auch einen erheblichen „Mangel an ausgebildeten Bürofachkräften jeder Art, von Verwaltungstätigkeiten bis hin zur Buchhaltung“ gibt, so die Unternehmerin und DWC-Vorstandsmitglied Andreea Kremm.

Arbeitsmarkt und berufliche Ausbildung hat jedoch Ioan Popa nicht erst seit diesem Herbst auf dem Zettel. Bereits bei seiner Wahl zum Bürgermeister von Reschitza setzte er auf diesen Aspekt. Die Stadt habe ein großes wirtschaftliches Potential, das derzeit unausreichend genutzt wird, sagte Popa Ende Juni  vor den Mitgliedern des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs Banat. Da war er gerade Mal fünf Stunden offiziell im Amt. Über die duale Ausbildung möchte er ausreichend Arbeitskräfte heranziehen, denn von der Infrastruktur her, habe Reschitza viel zu bieten. 15 Hektar Industriepark und 32 Hektar Raum für Investitionen auf "grüner Wiese" stehen als Argumente, genau so wie eine gute Stromversorgung, die schon allein daher kommt, dass die beiden großen, ehemals als strategisch angesehenen Werke der Stadt im Kommunismus einwandfrei mit Strom versorgt werden mussten. Über die duale Ausbildung bringen wir für die Zukunft sowohl qualifiziertes Fachpersonal, als auch anwendungsbezogenes Wissen in den Arbeitsmarkt“, so Andreea Kremm, nachdem das Reschitzaer Stadtoberhaupt das Thema der Berufsausbildung im Herbst erneut zur Debatte gebracht hatte. Dabei verspricht sich Popa gerade vom Deutschsprachigen Wirtschaftsclub Unterstützung. Zum einen sind im DWC auch Unternehmen aus Reschitza eingeschrieben, zum anderen hat der Club bereits Erfahrung, was die Gründung von Berufsschulklassen im dualen Ausbildungsmodus betrifft.   

 

Standortattraktivität auch der Lohntüte dienlich

 

Eine sinnvolle Ausbildung ist gerade im entvölkerten Reschitza notwendig. Von einst etwa 120.000 auf derzeit 70.000 ist die Zahl der in Reschitza lebenden Bürger gefallen. Von den etwas mehr als 56.000 Arbeitnehmern in der Volkswirtschaft des gesamten Kreises, sind nur nahezu 23.000 in der Industrie und im Bauwesen beschäftigt. Zum Vergleich: Vor der Wende hatten allein die beiden Industrieriesen, Hütten- und Maschinenbauwerk, mehr Arbeitnehmer.

Kein Zweifel, eine Attraktion ist die Industrie des Kreises sicherlich nicht, denn in der Sparte Industrie und Bauwesen verdienen die Arbeitnehmer Netto 1514 Lei – also durchschnittlich schlechter als in der Landwirtschaft oder im Dienstleistungssektor.

Trotzdem glaubt man im DWC, dass die duale Ausbildung eine Option für Jugendliche sein könnte, nicht abzuwandern oder gar um in die Region rückzusiedeln. Sie ist die einzige Ausbildungsart in Rumänien, die Jugendlichen schon ab der 9. Klasse ein gesichertes Monatseinkommen von 400 Lei bringt – ein Stipendium, das zu gleichen Teilen vom rumänischen Staat bzw. von den Praktikumsunternehmen getragen wird. „Da die Auszahlung des Stipendiums an verpflichtende Anwesenheit und das Bestehen der Prüfungen gekoppelt ist, bildet es auch eine zusätzliche Motivation nicht zu Schwänzen und tüchtig zu lernen“, so Andreea Kremm. Der Reschitzaer Bürgermeister Ioan Popa ist auch überzeugt, dass Facharbeiter grundsätzlich besser verdienen werden und wenn es ersteinmal Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt gibt, sind mittelfristig auch höhere Löhne in Sicht.