Rumäniens Wirtschaft und Arbeitsmarkt haben massiv unter den Auswirkungen der Covid-19 Pandemie gelitten, doch nun müsse der Arbeitsmarkt nicht nur wieder geöffnet sondern auch unterstützt werden, heißt es in einem Schreiben der deutschsprachigen Wirtschaftsclubs in Rumänien an die rumänische Regierung. Im Brief wurden auch die guten Maßnahmen zur Bewältigung der Gesundheitskrise hervorgehoben, doch weitere Maßnahmen im Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern seien nun erforderlich. Letztendlich ginge es allein bei den Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum um mehr als 250.000 Beschäftigte bei den über 10.000 Firmen, heißt es im Schreiben.
Die Wirtschaftsclubs forderten im Namen ihrer Mitglieder die Gründung von Kindertagesstätten, damit die Eltern besser ihrem Beruf nachgehen können, die Einführung des Modells der „Kurzarbeit“, die Senkung der Lohnsteuer bis zum Jahresende für jene Firmen, die unter den Folgen der Pandemie zu leiden hatten, wobei sich die Firmen im Gegenzug dazu verpflichten, die bestehenden Arbeitsplätze beizubehalten. Auch erwarten die Unternehmer und Werksleiter weitere Reiseerleichterungen vor allem von und nach Westeuropa.
Covid-Thema mit erfolgreichem Mediziner
In diesen Zeiten der Pandemie hat sich nach kurzer Pause auch die Notwendigkeit der Kommunikation unter den Mitgliedern der Wirtschaftsclubs gezeigt. Sie hatten offene Fragen zur Wirtschaft, wollten ihre Erfahrungen tauschen und sich auch über die Pandemie erkundigen. So kam es bereits innerhalb von zwei Wochen zu zwei Club-Treffen des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs Banat DWC, die Online stattfanden. Zum zweiten, in der vergangenen Woche, lud der Wirtschaftsclub, mit Sitz in Temeswar, den in der Covid-Bekämpfung besonders erfolgreichen Temeswarer Facharzt für Infektionskrankheiten, Dr. Virgil Musta, ein. In einem etwa einstündigen Gespräch stand er vorwiegend für Fragen der Mitglieder zur Verfügung, deren Anliegen auf die Ansteckungsgefahr im Allgemeinen hin zielte. Auf Lager hatten die Teilnehmer auch Fragen zum Umgang mit der Virusbekämpfung in den Unternehmen.
Vor allem weil in den letzten Monaten viele Spekulationen zirkulierten und sich mancher die Frage der reellen Gefahr des Virus stellte, kam fast folgerichtig auch die Frage auf, ob die Gefahr, die von dem Virus ausgeht, nicht überbewertet wird. Vor allem in Online-Foren wird nämlich die Gefahr des Coronavirus verharmlost. „Über 5,5 Millionen Infizierte weltweit, über 350.000 Todesfälle der mit dem Coronavirus befallenen Menschen, über zwei Millionen erkannte Fälle in Europa und fast 180.000 Tote – also, das ist kein Spiel“, antwortete Dr. Musta mit konkreten Zahlen. Zu der Frage der Banater Zeitung, inwiefern es einen überzogene Maßnahme war, ganze Spitäler zu schließen, oder ein Armeekrankenhaus in Temeswar aufzustellen, in dem noch kein einziger Patient untergebracht war, antwortete der Facharzt, dass genauso wie in anderen Sparten auch im Bereich der Medizin das Personal durch die Situation etwas verwirrt war und man deshalb übervorsichtig reagiert habe. Man hatte die Meldungen aus Italien, Spanien oder Frankreich und wollte daher nichts riskieren und in diesem Kontext betrachtet Dr. Musta „den Plan grundsätzlich als gut konzipiert“. Es sei schwer vorauszusagen gewesen, inwiefern Plätze zur Covid-Behandlung frei gemacht werden mussten, denn „wir haben keine Erfahrung im Umgang mit dem Virus“, so der Arzt. Er vermutet auch eine zweite Welle häufiger Infizierungen Ende des Jahres, in der Zeitspanne November-Dezember.
Der Gastredner beim Online-Clubtreffen bestätigte ein recht erfolgreiches Krisenmanagement im Gesundheitswesen des Kreises Temesch. 500 Infizierungen und 53 Sterbefälle hatte es bis zur Gesprächsrunde vor einer Woche im Corona-Sog gegeben, was auch in diesem Kontext für eine erfolgreiche Arbeit des Fachpersonals steht, aber auch die Akzeptanz der Bürger, sich zu schützen, voraussetzt, so Virgil Musta.
Als Empfehlung sprach er die Notwendigkeit aus, in den Unternehmen die Risikofaktoren richtig einzuschätzen, die Infektionsherde frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden. Schnelltestes bieten keine Garantie. Dr. Virgil Musta gab zu, dass bestimmt mindestens zehnmal mehr Personen in Rumänien infiziert wurden, als dies erkannt wurde. 30 Prozent der Infizierten seien asymptomatisch, etwa die Hälfte aller Infizierungen seien leicht oder mittelschwer einzustufen und 20 Prozent dann schwer, so der Mediziner.
Man müsse künftig seine Lebensart etwas ändern, glaubt Musta und hält viel von Prävention. Darunter zählt für ihn das weitere Tragen der Schutzmaske, aber nach eingehender Überlegung, wann diese wirklich notwendig sei, häufiges Händewaschen, Räume lüften, aber auch Sport treiben und sich angemessen ernähren. Für Besucher von Strandbädern und Meeresküsten gab es schon mal eine große Entwarnung: Durch Wasser überträgt sich das Virus nicht.
Bereits zwei Wochen zuvor hatten sich 25 Mitglieder des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs zu einer ersten Online-Begegnung eingefunden. Die ersten Anzeichen einer Krise in der Automobilindustrie gibt es bereits seit dem vergangenen Jahr, die Gesundheitskrise in diesem Jahr hat diese nur noch verschärft. Auch der Immobilienmarkt im Bereich der Büroflächen könnte künftig in der Klemme sein, da viele Unternehmen, bei denen das Modell des Heimbüros möglich ist, dies in Zukunft ausbauen könnten. Dies sind generelle Eindrücke des DWC-Vorsitzenden Peter Hochmuth nach der Gesprächsrunde. Die Erfahrungen, die die Unternehmen in Zeiten der Corona-Krise gemacht haben, der wirtschaftliche Einbruch und die Restriktionen gaben die 25 Teilnehmer zum Besten. „Man kann solche Treffen jedoch auf keinen Fall mit unserer Live-Treffen vergleichen oder gar ersetzen“, so Peter Hochmuth. Das Online-Treffen gab den Mitgliedern zumindest die Möglichkeit, ihre Erfahrungen aus Corona-Zeiten preiszugeben und über die Situation der Unternehmen unter den neuen Bedingungen der Schutzvorkehrungen und über die wirtschaftliche Lage zu debattieren.
Wirtschaftkrise wird noch dauern
Die Wirtschaft wird sich laut Peter Hochmuth nur langsam erholen, auch wenn der Bedarf an Gütern durch den Produktionsbeginn schon bald gedeckt sein könnte. Im Fokus steht oftmals die Automobilindustrie, die ja ein besonders wichtiges Wirtschaftsbarometer ist, da viele Unternehmen direkt Autos bauen oder in irgendeiner Form Zulieferer sind. In diesem Zusammenhang sagt der DWC-Vorsitzende: „Viele Arbeitnehmer sind auf Kurzarbeit, andere komplett ohne Arbeit“. Deshalb sei ersteinmal die Kauffreudigkeit gedämpft, auch nachdem ein Großteil wieder seine berufliche Tätigkeit aufgenommen hat. „Zumal keiner weiß, wann man wirklich vom Ende der Gesundheitskrise sprechen kann“, so Hochmuth.
Das Thema Kulturhauptstadt kam beim Gespräch der BZ mit Peter Hochmuth ebenfalls auf: Er hofft, dass der Stadt eine Frist gewährt wird und Temeswar erst 2022 Kulturhauptstadt wird und so die Zeit nutzt, „sich eingehend auf dieses Event vorzubereiten“.