Alin Ciuclea arbeitet seit August für Continental Automotive Temeswar/ Timisoara als Betriebselektriker. Vor zwei Jahren wusste der junge Mann nicht, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Er selber nennt es „seine wilden Jahre“: Er kam im Unterricht nicht mit, hatte deswegen schlechte Noten und wollte von der Schule gehen. Ciuclea hätte wahrscheinlich zu den über 60 Prozent gehört, die durch das Abitur gefallen sind. Stattdessen wählte er einen anderen Weg, einen in Rumänien gering geschätzten. Ciuclea schrieb sich für die erste Berufsklasse am Technischen Kolleg „Regele Ferdinand I“ ein, die in Partnerschaft mit den deutschen Unternehmen Continental Automotive, Continental Reifen sowie ContiTech gegründet wurde.
Heute ist Alin Ciuclea ein ausgebildeter Elektriker, kann es mit einer Urkunde nachweisen und hat auch eine Festanstellung, was viele Gleichaltrige nicht von sich behaupten können.
Elf weitere Klassenkollegen erhielten Ende September ihre Arbeitsverträge. Sie wurden in einer feierlichen Zeremonie vor den Augen der Presse symbolisch unterschrieben. Denn die ersten Absolventen stünden als Beweis dafür, dass es durchaus Alternativen gibt.
2009 sah das noch anders aus: Die damalige Bildungsministerin Ecaterina Andronescu (PSD) schaffte die Berufsschulen ab. Das hatte als Folge, das rund 10 Prozent der Schüler nach der achten Klasse von der Schule gingen. In den Jahren die folgten, hieß es entweder oder. Besonders ärmere Familien, die aus finanziellen Gründen ihre Kinder nicht weiter in den Oberstufen halten konnten, waren benachteiligt. Und es führte auch zu den katastrophalen Abiturergebnissen 2011.
Währenddessen beklagten die Unternehmen den Mangel an Facharbeitern. Es rückte keine junge Generation nach. Das Durchschnittsalter der im früheren System ausgebildeten Fachkräfte liegt heute bei über 50 Jahren.
Nach dem Vorbild des deutschen Dualen Berufsausbildungssystems sollten darum Berufsklassen wiedereingeführt werden. Unter Dualer Ausbildung eine parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule. Das heißt: Die Schüler vom Technischen Kolleg “Regele Ferdinand I”, die die von Continental geförderte Klasse besuchten, verbrachten einen Großteil ihrer Ausbildungszeit in den Temeswarer Betrieben des Konzerns. Dort konnten sie erste praktische Berufserfahrungen sammeln. Der Clou: Der deutsche Konzern konnte sie bereits während der Ausbildung in Aufgaben einarbeiten, die für seine Standorte in der Region wichtig sind. Darum wurden auch im ersten Jahrgang Elektriker ausgebildet. Der Jahrgang 2013 erhält eine Ausbildung im Bereich Elektromechanik.
In diesem Herbst wurden am Technischen Kolleg „Regele Ferdinand I“ erstmals zwei Klassen gleichzeitig gestartet. 56 Jugendliche haben sich eingeschrieben. Die Hälfte wird zum Elektriker ausgebildet, die andere Hälfte zum Elektromechaniker. Die Auszubildenden (Azubis) erhalten auch eine finanzielle Hilfe in der Ausbildung.
Darum wächst inzwischen die Nachfrage. Laut Stelian Fedorca vom Bildungsministerium herrscht inzwischen Konkurrenzdruck. Für einen Ausbildungsplatz bewerben sich bis zu sechs Personen. Wer es nicht schafft, schreibt sich dann im Lyzeum ein.
Projektinitiator ist der Leiter von Continental Automotives Temeswar, Christian von Albrichsfeld. Als er vor fünf Jahren nach Rumänien kam, hätte er drei große Probleme erkannt: Das rumänische Bildungs- und Gesundheitssystem sowie die Infrastruktur. Durch den deutschsprachigen Wirtschaftsclub Banat und der Kommunalverwaltung wurde das Pilotprojekt auf den Weg gebracht. Inzwischen sei es ein Beispiel, wie man das Bildungssystem umkrempeln könnte. Auch der französische und italienische Wirtschaftsclub streben ähnliche Projekte auf Kreisebene an. Die lokale Politik hofft, dass diese sowie der deutschsprachige Wirtschaftsclub zusammen kooperieren werden.
„Wir arbeiten zum einen in Richtung technische Ausbildung, der Wirtschaftsclub schafft dann Ausbildungsplätze im Bereich Bürokaufmann und zusätzlich noch im Agrarbereich“, so Christian von Albrichsfeld.
In Kronstadt/ Bra{ov gründeten die Firmen eine Berufsschule, die inzwischen 400 Personen besuchen.
„Hier in Temeswar hat man sich gesagt: `Wir sind ein sehr offener Markt´, die Firmen konkurrieren hier auch etwas stärker. In Kronstadt haben die Mitglieder des Wirtschaftsclubs sehr stark zusammengehalten, zudem wurde ein geeignetes Gebäude gefunden“, erklärt Von Albrichsfeld.
Das Bildungsministerium macht sich indessen andere Sorgen. Für die Arbeitsgruppe der Regierung, die an dem Projekt mitwirkt, ist es besonders wichtig, dass die rumänischen Firmen, die Berufsschulen unterstützen.
„Wir wollen die Nachhaltigkeit natürlich sicherstellen“, meint Von Albrichsfeld. „Das war eigentlich die Zielsetzung, das nicht nur für Continental zu machen, sondern das Projekt auch auszudehnen und dafür die deutschen Wirtschaftsclubs aus Rumänien als Keimzelle zu nehmen.“