Das Generationenzentrum in Wetschehausen

Freiwillige aus Österreich bauten Passivhaus

Im Kinderheim aus Wetschehausen leben 24 Kinder.

Arbeit muss schon im frühen Alter gelernt sein.

Thomas Radatz von der HTL Mödling führte eine Schülergruppe nach Rumänien, um hier ein Passivhaus zu bauen. Fotos: Zoltán Pázmány

Etwa 70 Kilometer von Temeswar/Timişoara entfernt, südlich von Lugosch/Lugoj, liegt das ehemalige deutsche Dorf Wetschehausen - auf gut Rumänisch: Pietroasa Mare. Hier betreibt die Caritas Eisenstadt zusammen mit der Caritas Temeswar eine Sozialstation. Es ist ein Kinderheim, in dem 24 Kinder aus sehr armen Verhältnissen ein neues Zuhause gefunden haben. Hinter dem jetzigen Gebäude, das sich unmittelbar neben der Dorfkirche befindet, entstand durch den Einsatz von Handwerkern aus Österreich ein neuer Bau. Darin sollen sowohl Jugendliche, als auch alte Leute untergebracht werden.

 

Kurze Hosen, lockeres T-Shirt, Sandalen an den Füßen und je einen Besen in der Hand: Drei Jungs, nicht älter als 9, räumen gerade das herabgefallene Laub aus dem Garten, denn auch in Wetschehausen hat der Herbst Einzug gehalten. Es ist Mittagszeit und draußen noch richtig warm. „Bun² ziua, nenea Grün“, rufen die Kinder mit einem spitzbübischen Grinsen auf ihren Gesichtern. „Nicht ´nenea´, sondern ´domnul Grün´ müsst ihr sagen“, belehrt sie Aurel Casiu des Besseren. Der Caritas-Geschäftsführer Herbert Grün lächelt bescheiden. Für ihn ist es egal, wie ihm die Kleinen grüßen, Hauptsache, sie sind höflich den Leuten gegenüber, die zu Besuch kommen.

Aurel Casiu verhält sich nicht nur den drei Jungs gegenüber wie ein Vater. Auch im Leben der anderen 21 Kinder, die im Kinderheim aus Wetschehausen untergebracht sind, ist Aurel Casiu ein wichtiger Mensch. Er ist praktisch derjenige, der dafür sorgt, dass die Kinder auch nach der Schule eine Erziehung bekommen. Der Verwalter des Kinderheims spricht mit ihnen über ihre Zukunftspläne, Sorgen und Wünsche und hat immer einen guten Rat auf Lager. Im Kinderheim aus Wetschehausen wohnen 10 Jungen und 14 Mädchen im Alter von 6 bis 19 Jahren. Aurel Casiu gibt ihnen Taschengeld je nachdem, wie alt sie sind.

 

Fleiß muss früh gelernt sein

„Ich möchte Häuser bauen“, sagt Ionuţ (8), der die zweite Klasse an der Dorfschule besucht. „Ich will Köchin werden“, ruft ein anderes Mädchen. „Sie wird bestimmt Lehrerin, sie ist sehr aufgeschlossen und wissbegierig“, sagt Aurel Casiu und zeigt auf ein anderes Mädchen. Die 24 Kinder aus dem Kinderheim der Caritas in Wetschehausen wissen schon ganz genau, welchen Beruf sie später ausüben wollen. Die meisten von ihnen sind nicht älter als 12 und besuchen die Dorfschule. Nach dem Mittagessen heißt es für sie, nicht sofort Spielsachen raus, sondern Hand anlegen, wenn irgendwo im Haushalt ihre Hilfe benötigt wird.

Wenn die Kinder von der Schule kommen, dann muss zuerst das tägliche Ritual befolgt werden. „Hände waschen und Hauskleidung anziehen“, sagt Maria Cut-Filipciuc. Ein liebes Wort, eine Umarmung, die Frage, „wie es heute in der Schule gewesen ist“, sind jeden Tag dabei. Danach setzen sich die Kinder an den Tisch, falten die Hände zusammen und beten ein „Vaterunser“ auf Rumänisch. Für das, was man bekommt, muss man danken. Das haben die Kleinen schon frühzeitig gelernt. Denn eins wissen sie alle: Nichts auf der Welt ist selbstverständlich  - auch nicht das tägliche Brot.

 

Ein Haus für Jung und Alt

Ein gutes Beispiel nahmen sich die Kinder an den Bauarbeitern aus Österreich, die vor ungefähr zwei Wochen in Wetschehausen alle Hände voll zu tun hatten. Bereits vier Mal waren Schüler von der HTL Mödling in Rumänien gewesen, um den neuen Bau im Hinterhof der Sozialstation fertigzustellen. Insgesamt vier Wochen dauerten die Arbeiten, die im vergangenen Sommer begonnen hatten. Nach Rumänien hatte sie der Lehrer an der HTL Mödling, Thomas Radatz, geführt, der seit 20 Jahren das Kinderheim in Wetschehausen besucht. „Ein Generationenzentrum wird hier entstehen, wo im Erdgeschoss alte Menschen betreut werden und im ersten Stock Jugendliche wohnen können. Es sind die Jugendlichen, die aus dem Zentrum rauswachsen, weil man ja nur bis 18 im hiesigen Kinderschutzzentrum bleiben darf“, sagt Thomas Radatz.

Das Generationenzentrum, das seit Ende September in Wetschehausen steht, ist kein gewöhnliches Haus. Es ist ein Bau, bei dem die Betriebskosten niedrig ausfallen. „Das Passivhaus braucht keine Heizung im herkömmlichen Sinn. Wir haben ganz viel Haustechnik hier einbauen können, die haben wir von österreichischen Firmen kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen“, erklärt Thomas Radatz. In dem Raum gibt es eine kontrollierte Wohnraumlüftung, es gibt eine Wärmepumpe, die aus einem Erdkollektor Wärme entzieht und auf dem Dach wurden Sonnenkollektoren für die Warmwasseraufbereitung montiert.

 

Hilfe in letzter Sekunde

Bereits 2007 hatten die Österreicher einen Zubau für das Kinderheim errichtet. Die Gründerin des Kinderheims, Elfriede Schweifer, bat damals um Hilfe. Zu wenig Fläche war da, zu viele Kinder im Haus und dem Zentrum drohte die Schließung. „Das neue Haus war in neun Tagen bezugsfertig. Wir sind dann noch einmal gekommen und haben eine Heizung eingebaut, denn ursprünglich war keine Heizung geplant. Wir wollten mit elektrischen Heizpaneelen, die in diesen Containern eingebaut waren, heizen, doch der Strompreis ging damals drastisch in die Höhe“, erinnert sich Thomas Radatz. Folglich mussten die Bauarbeiter auch einen Heizkessel einbauen, denn Heizen mit Strom zahlte sich nicht mehr aus.

Hausverwalter Aurel Casiu weiß, dass sie alle im Einsatz sein werden, wenn die Österreicher weggehen. „Wir müssen alles wieder aufräumen“, sagt er. Kinder und Mitarbeiter des Heims werden gemeinsam Hand anlegen, um wieder Ordnung im Hof zu schaffen. Den Kindern macht das aber nichts aus. Wenn sie mal keine Hausaufgaben erledigen müssen, dann sind sie im Haushalt beschäftigt. Am liebsten kümmern sie sich aber um ihren Hund - ein schwarzer Mischling von mittlerer Taille. Die Kinder sprechen mit ihm, der Hund bellt freundlich zurück – so, als ob er mit all seinen 24 Herrchen sprechen würde. „Blackie hat uns in den Ferien so sehr vermisst“, sagen die Kinder.

 

Familienausfahrt nach Österreich

„Wir waren im Sommer in Österreich, wir haben ´Oma´ besucht“, erzählen sie. Leicht war es nicht, die 24 Kinder nach Österreich zu befördern, gesteht Aurel Casiu. Die meisten der Kinder haben noch ein Elternteil, das eine notariell beglaubigte Vollmacht unterschreiben muss, damit das Kind auch ins Ausland darf. Mit den Eltern, die nicht zum Notar kommen wollen, hat Aurel Casiu Schwierigkeiten. Es ist schon oft vorgekommen, dass er ein Taxi schicken musste, um die Mutter des einen oder anderen Kindes abzuholen und zum Notar zu führen.

Die „Oma“ der Kleinen ist Elfriede Schweifer von der Caritas Eisenstadt, die Anfang der 90er Jahre das Kinderheim in Wetschehausen gründete. Die heute 81-Jährige zog sich 2009 wegen Gesundheitsproblemen nach Österreich zurück. Ein großer Teil ihres Herzens blieb jedoch in Rumänien.

Ein paar Mal im Jahr kommt ein Arzt aus Österreich nach Rumänien, um die Kinder auf ihren Gesundheitszustand zu prüfen. Es ist Peter Wagentristl. „Vor Jahren haben wir gesunde Kinder aus der Psychiatrie Lugosch/Lugoj zu uns ins Heim genommen“, erinnert sich der Caritas-Geschäftsführer Herbert Grün. Peter Wagentristls Einsatz ist ehrenamtlich.

Freiwillig setzten sich auch die Schüler der HTL Mödling ein. Ihr Aufenthalt in Rumänien war es eine gute Gelegenheit, ein Praktikum abzulegen und sich für einen guten Zweck einzusetzen. Darüber hinaus lernten sie die Kinder kennen und waren – auch wenn nur für zwei Wochen – gute Spielkameraden für die Kleinen. Ab und zu kam es auch zu dem einen oder anderen Fußballspiel. „Hier arbeiten gerade 35 Schüler, drei Lehrer und zwei Freunde – ein pensionierter Installateur aus Österreich, der im Radio von dem Projekt gehört hat, und mein Schwager, der hier im Haus Elektriker ist“, sagt Radatz, der fast die gesamten Baumaterialien von österreichischen Firmen erwirken konnte. Das war nicht immer leicht, gibt er offen zu. „Es wurde auch viel versprochen, was dann nicht eingehalten werden konnte“, gesteht er. Doch Ende gut, alles gut: Auf rund 400 Quadratmetern und zwei Etagen bietet das neue Generationenhaus in Wetschehausen Platz für 15 bis 20 Personen.