Seit mehr als anderthalb Jahren startete die Großsanierung der Altstadt von Temeswar/Timişoara. Zahlreiche Plätze und Straßen, die zur Verkaufsmeile der Stadt zählten, wandelten sich in eine riesige Baustelle um. Haufen von Bauschutt, Pflastersteinen und Baumaterial sowie zahlreiche archäologische Ausgrabungen bedeuteten für Passanten, Kunden und Händler viel Stress, Unannehmlichkeiten und bei Regenwetter verdreckte Schuhe. Nach einem Jahr, seitdem die Banater Zeitung die Problematik angesprochen hat, wird nun erneut Bilanz gezogen: Die Kunden kamen in die Gegend der Baustellen immer seltener, Unternehmen schrieben immer mehr Verluste, Mieten konnten nur noch schwerlich beglichen werden, zahlreiche Unternehmen, darunter Cafés, Restaurants und kleine Läden, wurden in die Pleite getrieben. Manch andere unterbrachen ihre Geschäftstätigkeit zeitweilig, schränkten sie für den Moment ein oder verlagerten ihre Geschäfte an andere Stellen in der Stadt.
Wo einst florierende Geschäfte standen, stehen heute staubverschmutzte Schaufenster da: Caféhäuser und Imbissbuden, Schuh- und Kleiderläden, Reiseagenturen und Büros - alle warten gierig auf schau- und kauflustige Passanten. Die Vasile-Alecsandri-, Eugen von Savoyen-, Florimund-Mercy- und Emanoil-Ungureanu-Straße, alle rund um den so beliebten Domplatz, bekommen derzeit ein wichtiges Facelifting. Sie werden in Fußgängerzonen umgewandelt und sollen nach der Sanierung für Touristen und Bürger hoch attraktiv werden.
Bis dahin aber muss die Gegend vieles durchmachen: Kunden wurden von den Sanierungsarbeiten verschreckt, Geschäfte registrierten Verluste. Und der Schaden hat noch längst kein Ende, auch wenn die Sanierung stellenweise fertig ist – schätzen die Unternehmer am Domplatz und in dessen Umgebung. „Die Kunden haben sich das Besuchen des Domplatzes einfach abgewöhnt. Wenn einmal der kommerzielle Drang zerstört wird, kann dieser nur schwer neu herausgebildet werden“, sagt Adrian Aron, Geschäftsmann und Leiter des Domplatz-Fördervereins. Seine Meinung unterstützt auch die Unternehmerin Rodica Şuba. Die Geschäftsfrau ist seit vielen Jahren im Kleidungshandel tätig und hat bereits mehrere solchartige Verluste miterlebt. „In den 1990er Jahren wurde der Tineretii-Boulevard saniert. Viele Geschäfte wurden dort damals geschlossen. Der Handel in der Gegend wurde so stark geschädigt, dass dieser sich heute noch nicht gänzlich erholt hat“, sagt die Frau.
Mieträume sind leer geblieben
Rodica [uba besitzt unter anderen 40 Prozent der Aktien des Hauses mit den Löwen am Domplatz. Alle vier Mieträume, die sie im Altbau besitzt, stehen nun leer. „Unsere Mieter waren u.a. Reiseagenturen und Beratungsbüros, die mit den Kunden direkt verhandeln. Der Schmutz und das Fehlen von Parkplätzen im gesamten Umfeld, vertrieben ihre Kunden. So können Firmen nicht überleben“, sagt Rodica Şuba. „Andere Mieter zu finden, ist unter diesen Umständen kompliziert“, fügt die Unternehmerin hinzu.
Mit ähnlichen Problemen konfrontiert sich auch Adrian Aron. 500 Quadratmeter-Räume stehen auch bei ihm genau am Domplatz leer. Das bedeutet zwischen 5000 und 10.000 Euro Verlust, lässt der Geschäftsmann wissen. „Die Vermieter der Räume am Domplatz verlieren einige Tausend Euro im Monat, da sie ihre Räumlichkeiten niemandem mehr vermieten können. Auch der Staat verliert dabei Geld, denn in die Pleite getriebene Geschäfte bringen ihm nichts“, sagt Aron.
Eine klare Übersicht hat der Leiter des Domplatz-Fördervereins über die gesamte Lage: „Um die 90 Prozent aller Geschäfte am Domplatz mussten im letzten Jahr riesige Verluste schreiben“, sagt Adrian Aron. So sind im letzten Jahr mehrere Geschäfte zeitweilig geschlossen worden, andere haben reduzierte Öffnungszeiten eingeführt, viele sind umgezogen. Als der Geschäftsmann den Förderverein zusammen mit mehreren Unternehmern mit Geschäften am Domplatz oder in dessen unmittelbarer Nähe ins Leben rief, habe er damit so nicht gerechnet. Ziel des Vereins war, den Domplatz – „das Markenzeichen der Stadt“ – aus kultureller Sicht wiederzubeleben. Seit einem Jahr aber kämpft der Mann darum, seinen Lieblingsplatz einfach nur zu beleben.
Kurz nach dem Start der Sanierung hat Adrian Aron im Namen des Fördervereines mehrmals um Hilfe gerufen. Er hat bereits mehrere offene Briefe verfasst und sie dem Temeswarer Bürgermeisteramt zukommen lassen. Dabei verlangte der Geschäftsmann Hilfe für die Unternehmen, die wegen der Innenstadtsanierung zu Verlusten verurteilt wurden. Einerseits forderte der Unternehmer, dass die Firmen für die Zeit der Generalsanierung der Innenstadt von den zahlreichen Abgaben, lokalen Steuern und Gebühren befreit werden oder dass die Arbeiten beschleunigt werden, so dass die Zeitspanne mit Verlusten in der Zone verkürzt wird. Andererseits dachten sich die Geschäftsleute vom Domplatz auch einige Lösungen aus, um die Gegend nicht völlig lahmzulegen. In dieser Hinsicht habe der Verein bereits einige Vorschläge gemacht: Der Innenhof der ehemaligen Kadettenschule oder das Gelände hinter der Kunsthochschule in der Oituz-Straße sollten vorübergehend zum Parken geöffnet werden. „Das Fehlen der Parkplätze in diesem Stadtteil ist nicht nur ein vorläufiges Problem. Nach der Sanierung werden zahlreiche Straßen in Fußgängerzonen umgewandelt, so dass dies auch in Zukunft für Kunden entmutigend sein wird“, sagt Aron.
Zu allen Forderungen bekam der Verein durchaus positive Resonanz seitens des Bürgermeisteramts. Sogar Nicoale Robu, der Temeswarer Bürgermeister habe persönlich den Vorschlag des Vereins schon im Vorjahr für realisierbar gefunden, hat jedoch nichts weiteres in dieser Hinsicht entschieden. Antworten hat Adrian Aron immer auf all seine Briefe bekommen – „leider allgemeine Äußerungen, die nichts Konkretes sagen“, erläutert der Unternehmer. Nun hat der Geschäftsmann fast aufgegeben: „Ich habe verstanden, dass wir einfach warten müssen. Doch wie lange noch?“ Der Unternehmer fürchtet, dass für die Temeswarer bis zum Abschluss der Innenstadtsanierung andere Gegenden der Stadt attraktiver werden und dass die Wiederbelebung des Platzes sehr schwierig werden wird. „Für Cafés, Kneipen und Restaurants wird es bestimmt leichter sein. Doch was passiert mit anderen Unternehmen?“ fragt sich auch die Geschäftsfrau Rodica Şuba.
Abnahme der Arbeiten am Jahresende
Aufhören soll der Alptraum der Händler so bald nicht: Wenn, laut Projekt, das Ende der Sanierung im Sommer dieses Jahres vorgesehen war, haben sich die Arbeiten, die aus EU-Fördermitteln mit Teilbetrag der Stadt finanziert sind, immer wieder an vielen Stellen verzögert. Die meisten Verzögerungen erfolgen einerseits der zahlreichen archäologischen Ausgrabungen wegen, die die Sanierungsarbeiten zeitweilig blockiert haben, andererseits wegen den Bauunternehmen, die weder die nötige Kapazität, noch Personal haben, die Arbeiten zu beschleunigen. An vielen Stellen bleibt auch noch die Endeinrichtung offen, denn, auch wenn die archäologischen Grabungsstätten geschlossen wurden und die Sanierung fortsetzt werden durfte, hat man noch keine genaue Lösung gefunden, die historischen Funde im Einrichtungsprojekt einzuschließen und ins Stadtbild zu setzen, wie im Falle des Sankt-Georgs- und Freisheitsplatzes.
Die Abnahme der fertigen Sanierungsarbeiten wird nun für die Baustelle als Ganzes verschoben - wahrscheinlich fürs Jahresende, ließ vor Kurzem der Bürgermeister Robu wissen. Allein einzelne Straßen und, wahrscheinlich, der Freiheitsplatz, könnten noch projektgemäß im Juli fertig saniert sein.
Den Stammkunden zuliebe
Bloß die „Großen“ schaffen es, zu überleben, ist der Meinung der Inhaber eines Kaffeehauses am Temeswarer Freiheitsplatz. „Allein, wer mehrere Geschäfte im Betrieb hat, kann es sich leisten, noch seine Geschäfte in dieser Zone offen zu halten“, sagt Dániel Bokor. Die wenigen Stammkunden sind es, die einige Geschäfte noch funktionieren lassen. Für sie mussten sich viele Besitzer und Inhaber von Unternehmen in der Temeswarer Innenstadt neue Ideen einfallen lassen und ihre Managementstrategie ändern. „Wir haben Krisenmaßnahmen angewandt: Die Zahl des angestellten Personals vermindert, das Angebot auf der Speise- und Getränkekarte eingeschränkt und alles, was als nichtprofitabel angesehen wurde, gestrichen“, sagt Dániel Bokor.
Mit dem Besitzer des Raumes musste man wegen der Miete auch neu verhandeln. „Wir haben ein Abkommen gemacht: Der Besitzer muss nicht die Miete senken, verlängert aber den Mietvertrag mit uns von fünf auf acht Jahre“, sagt der Caféinhaber. Die ganze Problematik am Domplatz soll aber auch einen Vorteil haben, meint der junge Unternehmer Bokor: „Der Markt wird aufgefrischt. Neue Händler werden auftauchen und das macht das Angebot hier interessanter. Das ist leider ein Preis, der für ein besseres, attraktiveres Angebot bezahlt werden muss“, so Dániel Bokor.
Aber die Besitzer der Altbauten in der Umgebung bekommen einen weiteren Schlag: Sie können demnächst verpflichtet werden, die Fassaden und Dächer der Bürgerhäuser aus eigener Tasche zu erneuern. „Wer es sich nicht leistet, in der Innenstadt zu leben, der soll umziehen“, hieß es neulich seitens des Temeswarer Bürgermeisters. „Nach fast zwei Jahren Verlusten - woher sollen denn die Besitzer noch Geld aus eigener Tasche ziehen können?“ fragt sich Rodica Şuba.