In den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts entstanden nordwestlich der alten Meierhöfe (Elisabethstadt), jenseits der damaligen Peterwardeiner Straße, die Neuen Deutschen Meierhöfe (offiziell ab 1744), von Beginn an eine selbständige Vorstadt und deutsches Viertel Temeswars. Den Namen Josefstadt erhielt das Viertel 1773 anlässlich einer der berüchtigten Inspektionsreisen von Kaiser Joseph II., incognito als Graf von Falkenstein. Von allen Vorstädten ähnelt der IV. Bezirk am stärksten dem Festungsbezirk: Es ist kein Haufendorf wie viele Banater Ortschaften, die Josefstadt ähnelt eher den systematisch angelegten Großgemeinden der Banater Heide. Auf einer Fläche von 442 Hektar bauten hier nach 1733 Wohlhabende aus der Festung Sommerhäuser und -villen, auf großzügigen Hausplätzen, mit großen Gärten und ausgedehnten Wirtschaftsbauten. Es entstanden keine engen Gassen sondern schnurgerade, überbreite Straßen. Der Name war wie alles im Banat geschichtsbedingt: Vorstadt Josefstadt wurde nach dem Ausgleich 1867 Jozsefkülvaros, 1920 Iosefin, in der Zwischenkriegszeit Principele Carol, in der sozialistischen Zeit gar 1. Mai.
Von der Maria bis zum Hauptbahnhof
Die Josefstadt hatte und hat wichtige historische Meilensteine. Das Viertel hat die Bega, an dessen beiden Ufern sich heute noch beeindruckende Bauten im Jugendstil, um 1900 erbaut, reihen. An den Toren zur Josefstadt steht seit 1906 die Statue der Hl. Maria am Marienplatz. Die Statue aus Carrara-Marmor von Bildhauer Georg Kiss befindet sich in der von Stadtarchitekt Laszlo Szekely konzipierten Kapelle. In der Josefstadt stehen weitere wichtige Sakralbauten: die römisch-katholische Pfarrkirche Mariae Geburt (1774), die Klosterkirche Notre Dame, aus dem späten 19. Jahrhundert, die gemeinsam mit dem Kloster und der Schule den beeindruckenden Schulkomplex der Armen Schulschwestern Notre Dame (1880-89 erbaut) abrundet. Zu nennen noch die dritte Synagoge der Stadt, Reschitzaer Straße, im maurischen Stil erbaut, und die beeindruckende orthodoxe Kirche Maria Himmelfahrt am Küttl-Platz. Architekt Victor Vlad hat hier 1931-36 ein Bauwerk in neobyzantinischen Stil, der Hagia Sofia aus Istanbul nachempfunden, errichtet.
Sechs Brücken überqueren die Bega in der Josefstadt, die berühmteste ist die Brücke zum Goldenen Anker (in der Nähe Gaststätte „Goldener Anker“, auch Sitz des Hafenkommandanten)- oder Stefan-cel-Mare-Brücke (Bahnhofsbrücke). Der hier befindliche größte Hafen Temeswars, darauf der Eisenbahnanschluss 1857 mit dem Bau des Josefstädter Bahnhofs, der Direktverbindung mit Buda und Wien, erfuhr die Josefstadt einen niedagewesenen wirtschaftlichen Aufschwung. Leider muss man über die vielen Fabriken heute in der Vergangenheit reden: Es waren die Dampfmühlen, die Zigarettenfabrik, das Gaswerk, Streichholz-, Hut- und Süßwarenfabrik Kandia, Maschinen-Werkstätten, Düngerfabrik, Spiritusraffinerie, Seiden-Kokonerie usw.
Zu den beliebtesten und malerischsten Orten der Josefstadt und der Begastadt überhaupt gehörten zweifellos der berühmte Josefstädter Marktplatz, ein Treffpunkt der gesamten Stadt aber auch von Stadt und Land bis in die Banater Heide und Hecke. Die Autorin Else von Schuster beschreibt den alten Josefstädter Strand an der Bega, die Komps , bzw. Begafähren, nennt den Türken vom Küttl-Platz (30er Jahre), der hier mit weißem Kittel und rotem Fez, dem bemalten Karren, Eis, Nüsse, Mandeln und Südfrüchte anbot.
Zu erwähnen noch zwei geschichtsträchtige Bauten, die alte Josefstädter Feuerwehrkaserne (1906) und der Wasserturm (1914), beide nach Plänen von Architekt Laszlo Szekely im Stil der Jahrhundertwende errichtet.
Die Heimat des Josefstädter Franzi
Der Wortschatz der deutschen Sprache, errechneten Berliner Sprachforscher, gehe über 5,3 Millionen Wörter hinaus. Das stimmt nie und nimmermehr: Man hat die unerschöpfliche Temeswarer deutsche Umgangssprache vergessen. Das Josefstädter Deutsch war neben dem Fabrukler Deutsch (Fabrikstadt) die bedeutendste Grundlage der Temeswarer deutschen Umgangssprache. Die Josefstadt war wie die Fabrikstadt eine bunte Welt der Fratschler, Handwerker, Tagelöhner, Ammen, Dienerinnen, Straßendirnen, Wäscherinnen und Büglerinnen, der Hausierer und Fabriksarbeiter aber auch die eines wahren Völkergemisches. Hier lebten Deutsche, Ungarn, Serben, Bulgaren, Slowaken, Juden, Zigeuner. Von Anfang an und noch verstärkter in der Zwischenkriegszeit wurde von allen Völkerschaften Deutsch als Umgangssprache verwendet. Ja selbst die Sitten und Bräuche waren fast die gleichen. Es war ein zusammengewürfeltes Völkchen. Über die Josefstadt hieß es treffend: „Von jedem Dorf ein Hund und aus Sandorhaz (Alexanderhausen) ein Pudl“. Die deutsche Umgangsprache wanderte aus der Festung in die Vorstädte. Anfänglich gab es in Temeswar zwei deutsche Umgangssprachen, die Wienerische der Beamten und Militärs und die südbairisch-österreichische Mischmundart der Arbeiter, Handwerker und Händler. Beim Temeswarerischen, der deutschen Umgangssprache der Stadt, setzte sich eher das Josefstädter Deutsch durch. Von den Banater Schwaben wurde diese Umgangssprache fälschlicherweise zum Teil als „Herrisch“, zum Teil als Sprachform zwischen dem „Herrischen“ und dem „Schwowischen“ angesehen. Hier erfolgte aber auch eine fortwährende Sprachmischung durch Zuwanderung aus allen Teilen der Monarchie, aus Deutschland, Frankreich.
Dem gebürtigen Temeswarer schlägt der Josefstädter Franzi ins Genick oder Gnack, heißt es. Dieser Witzfigur, vom Zeitungsschreiber Heinrich Büchelbauer nach Ende des 1. Weltkriegs erfunden, wurden in der Zeitschrift „Die Fackel“ ab 1920 humoristische Schwänke, Anekdoten in der Umgangssprache in den Mund gelegt. In der kommunistischen Epoche wurde die Figur am DSTT in den Bunten Abenden von dem Schauspieler Alexander Ternovits wiederbelebt. Es war keine Literatur sondern es wurden konstruierte Sprachformen zwischen Umgangssprache und dem Vorstadt-Slang dargeboten. In diesem Josefstädter Deutsch wurden wohl auch viele Fremdwörter aus all diesen Sprachen jedoch sehr wenig aus den banatschwäbischen Mundarten übernommen, dafür aber Vieles aus der Gauner-Sprache, was die besondere Beliebtheit dieser Bühnengestalt beim DSTT-Stammpublikum ausmachte. „Maul halten und Eljen (Hoch) schreien!“- So hieß es während dem ungarischen Königreich, die Schwaben benutzten den Satz gar während des Kommunismus.
Es gibt da im Wortschatz, normal, viel Österreichisches: Advokat, Paradeis, Stanitzel, Bub (Junge), gelbe Rübe (Möhre). Der Bühnenerfolg stützte sich auch auf die Redensarten: Alt ist die Schager Straße, ein Blechgefrieß haben, Wer hat das getan-der Heilige Geist, am dicken Mittwoch (nie), er is aan Zammkratz (Teigreste). Über einen Säufer hieß es: „Der mecht aach die Bega leersaufn!“ K.u.k Regimenter mit Soldaten, die die archaische, österreichische Befehlssprache nicht verstanden, wurden „Nuschtiuregimenter“ genannt. Wenn die Suppe versalzen war, hieß es: „Die Köchin ist verliebt!“ Die Flüche der Temeswarer in dieser Umgangssprache hatten das gleiche humoristische Muster: „Dem spielt bald der Varga Imre (Begräbnismusikant)“
„Buju“ Ternovits konnte also lange Zeit im Kommunismus auf der DSTT-Bühne aus diesem bunten Sprachreservoir aus dem Vollen schöpfen, wobei er selbst Vieles dazu gedichtet hatte. Denn in einem BZ-Gespräch nach der Wende bekannte er, dass in Temeswar der Humor regelrecht auf der Straße lag. Es könnte noch immer so sein.