Die Pionierin

Germaine Acogny bringt im Tanz Afrika und Europa zusammen

Sie hat den afrikanischen Gegenwartstanz mitgeprägt: Germaine Acogny vereint westliche Techniken mit traditionell afrikanischen

Mit Mon élue noire - Sacred #2 (dt. „Meine Schwarze Auserwählte”) wurde das erste Festival für performative Kunst abgeschlossen

Wenn sie tanzt, wird sie zur Verkörperung der Natur. Ihre Wirbelsäule verbiegt sich dann wie Splintholz. Die flüßige Bewegung vergleicht Germaine Acogny mit den Windungen einer Schlange und führt es vor. Sie steht auf, zieht sich die Schuhe aus und muntert die Anwesenden Gäste dazu auf, es ihr gleichzutun. Denn Tanz lernt man nicht, indem man darüber erzählt, sondern indem man es macht. Und die Senegalesin macht es seit sie denken kann und wird es auch bis an ihr Lebensende tun.

Germaine Acogny kennt nichts anderes: Sie hat in Europa lange Jahre gelebt, pendelt heute viel zwischen Senegal und Frankreich, überhaupt allen westlichen Ländern, wo sie und ihre Compagnie eingeladen wird, kehrt aber stets zurück nach Hause, zu ihrer „L’ecole des Sables”, wo sie Generationen von afrikanischen Tänzern ausgebildet hat und seit Jahrzehnten den afrikanischen Gegenwartstanz revolutioniert. Nicht umsonst wurde die inzwischen 70-jährige Acogny vom Familienministerium aus Senegal zur „Pioneer Woman” getauft. Die Choreographin hat westliche Tanztechniken und afrikanische Folklore miteinander vermehlt, so ihren eigenen Stil geschaffen und den Weg bereitet für Gegenwartstanz, der durch und durch international ist. Das dabei das Afrikanische verloren geht, darüber macht sie sich keine Sorgen. „Der afrikanische Tanz ist die Mutter aller Tänze”, sagt sie und lacht. „Zumindest möchte ich das gerne glauben.”

Diese Auffassung wird dadurch gefestigt, dass viele Choreographen und Tänzer aus aller Welt, Aconys Stil mit Tänzen verglichen haben, die ihren Kulturen eigen sind. Sie selbst ist eine echte Weltenbummlerin. Als junge Frau zog sie nach Deutschland, wo sie ihren Mann kennenlernte, dann verschlug es sie nach Frankreich, wo sie zehn Jahre lang ihr Glück als Choreographin versuchte, was letzendlich nicht gelang, dann investierte sie und ihr Mann alles was sie hatten in die „L’ecole des Sables“ und kehrte zurück in ihre Heimat. „Üblicherweise folgt die Gattin dem Mann, bei uns war das umgekehrt“, erzählt sie.

 

Tanz im Sand

In ihrer Tanzschule wird, und darauf deutet der Name hin, auf Sand getanzt. Tänzer aus ganz Afrika besuchen ihre Schule. Die Lehrer stammen aus der ganzen Welt. Billig sind die Kurse nicht. Fast 2800 Euro kostet die Ausbildung pro Tänzer. Viele der Schüler besitzen so viel Geld nicht. Darum ist ihre Schule auch auf Hilfsgelder angewiesen. Träger der Sandschule sind verschiedene Kultureinrichtungen wie das Association Française d'Action Artistique (AFAA), das Goethe-Institut, die Unesco und die Nationallotterie Senegals.

„Anfangs haben wir besonders viele Männer ausgebildet, weil wir zeigen wollten, dass zeitgenössischer Tanz auch eine Berufung sein kann und dass man damit Geld verdienen kann“, sagt die Choreografin. Inzwischen sind aus ihrer Schule sowohl männliche als auch weibliche Tanzgruppen hervorgegangen.

Unterstützt von ihrem Sohn Patrick arbeitete sie mit neuen senegalischen Frauen zusammen und produzierte „Afro-dites/ Kaddu Jigeen!“ – eine bewegende Vorstellung, in der die Tänzerinnen die Probleme afrikanischer Frauen thematisieren. Sie handelt von arrangierten Hochzeiten, Vergewaltigung und den Misshandlungen, denen Frauen während Bürgerkriegen ausgesetzt sind. „Es ist eine besonderes Vorstellung und hoffentlich schafft sie es auch nach Temeswar“, so Acogny.

Ihr erster Rumänienbesuch geschah auf Einladung von Ciprian Marinescu, Kurator des ersten temeswarer Festivals für performative Kunst. „Wir haben uns in Potsdam getroffen und er hat mich einfach gefragt, ob ich denn nicht nach Timi{oara kommen möchte”, sagt sie und lacht.

Ihre Solo-Performance „Mon élue noire – Sacre #2”  war die letzte Vorführung des Festivals. Einen Abend davor unterhielt sie sich in der C²rture{ti Buchhandlung mit dem Publikum aus Temeswar. Sie nutzte diese Gelegenheit aus, um sich auch nach den traditionellen rumänischen Gerichten zu erkundigen. Essen sei ihre zweite Leidenschaft.

„Ich liebe chinesisches Essen oder verschiedene Küchen auszuprobieren”, sagt sie. „Nicht anders verhält es sich im Tanz. Ich mag, verschiedene Stile auszuprobieren, bleibe aber immer meinen Wurzeln treu.”

Diese Einstellung lernte sie von ihrer Großmutter Alophoo, einer Yoruba-Priesterin. Sie hätter ihrem Vater abgeraten, zum Christentum oder zum Islam zu wechseln, weil diese Religionen nichts anderes predigen, als das, was schon der Glauben der Yoruba predigt. Germaine Acogny ist als Muslime getauft worden. Sie erlebte das Ende der Kolonialzeit und der Weg Senegals in die Unabhängigkeit. Ihre familiärer Hintergrund haben ihre Karriere als Choreographin geprägt. „Temeswar ist für mich wie Senegal”, sagt sie. „ Menschen verschiedener Glaubensrichtungen und Ethnien leben hier harmonisch zusammen. So ist es heute auch in meinem Land.”