Die wilden Fuffziger

Anekdoten von Hans Liebhardt

Lyrik auf der Antifa-Schule

Helmut erzählt, dass es auf der Bukarester Antifaschule auch Kollegen gab, die wirklich dichten konnten. Eines hieß Johann Thierjung, der war ein Banater Schwabe. Er hatte das Gedicht gemacht "Frieden in Korea". Das war schon was, es ging so:

"Mit der Waffe in der Hand

fiel er für das Vaterland."

Diese Verse lobte der Direktor, er sagte einmal und noch einmal: Es ist politisch, und es reimt sich.

Nun besaß der Johann im Dichten einen Konkurrenten, Hans Martini, den fuchste dieses Lob. Er erhob sich ebenfalls und gab die folgenden Goetheverse als seine eigenen aus:

"Ich ging im Walde

so für mich hin

Und nichts zu suchen

das war mein Sinn."

Dieses dichterische Erzeugnis gefiel dem Direktor gar nicht. Er analysierte es auch mit den folgenden Worten: Erstens haben wir jetzt Februar und es ist zu kalt zum Spazierengehen, und zweitens geht ein Antifaschüler nicht so im Walde herum, er hat ein Ziel vor den Augen.

 

Beginn einer Freundschaft

Das erste Heim der NW-Redaktion, mit dem ich zu tun hatte, befand sich auf der Strada Dianei, in einem dichtbewohnten Gebäude aus der Zwischenkriegszeit. Man muss wohl für die Journalisten zwei Stockwerke geräumt haben. Jedenfalls wurde die Eingangstür des Nachts abgesperrt, von einigen schlechten Mieterparteien, die sich durch die fortschrittlichen Journalisten gestört fühlten, schon sehr früh.

So stand ich also als etwa 17jähriger Bursche an meinem erstenb oder zweiten Abend in Bukarest vor dem Haus und konnte nicht hinein.

Der aus dem Banat stammende Kollege Hugo Hausl war ein paar Jahre älter und auch etwas vor mir zur Zeitung gestoßen. Außerdem muss er als junger Mann, der etwas auf sich gab, auch schon eine Mansarde besessen haben. Trotzdem kam er in dem Moment in der Dianei-Straße vorbei und sah mich wie ein Häufchen Elend unter den beleuchteten Fenstern stehen.

Er pfiff einmal hinauf und sagte: Machts dem Buben doch auf!

Was auch sofort geschah. Für mich jedoch begann mit diesem Satz eine lange Freundschaft.

 

Berühmter Namensvetter

Wir hatten einen Kollegen, einen Banater Jungarbeiter vom Antifa übernommen. Der hieß...Karl Marx.

Wir brachten ihm bei , dass er einen berühmten Namensvetter habe und dass es nicht anginge, einen Bericht über die Wiedereinführung des Sonnentrocknens in der Hatzfelder Ziegelei mit Karl Marx zu unterschrieben. Der Kollege akzeptiert schließlich das Pseudonym Karl Mann. Aber nur für die Zeitung.

Als er nämlich im Sekretariat der Redaktion, unserem damaligen technischen Redakteur, einem Spaßvogel und waschechten Bukarester Sachsen vorgestellt wurde, sagte er seinen richtigen Namen: Karl Marx.

Dieser lächelte liebenswürdig und erwiderte: Freut mich, Friedrich Engels.

Der andere wieder verstand diesen Witz nicht.

 

Aus Hans Liebhardt, Wie ein einziger Tag, Kriterion Verlag Bukarest 1982