Was werde ich später arbeiten, ist die Frage die viele Schüler belastet. Schon mit dem Gymnasialabschluss müssen sich viele Jugendliche für einen Schwerpunkt entscheiden, ohne ihre eigenen Stärken zu kennen. Vier Jahr später stehen sie vor einer weiteren Entscheidungskrise: Eigentlich würde ihnen eine Karriere in der IT-Branche zusagen, doch in der Schule hatten sie intensiven Chemie- und Biologieunterricht, was sie eher auf ein Medizinstudium vorbereitet. Entgegen ihrer eigentlichen Interessen, optieren sie für eine Ausbildung zum Arzt. So richtig möchte das Studium aber nicht passen. Darum brechen auch viele Studenten nach dem zweiten oder vierten Semester ihr Studium ab. Laut Madalin Bunoiu, Prorektor an der West-Universität (UVT) sind es 40 Prozent der Studierenden. Das heißt, etwas läuft schief.
UVT-Rektor Marilen Pirtea macht das mangelnde Angebot an Studienberatung für das Problem verantwortlich. Anders als in anderen europäischen Ländern werden in Rumänien Schüler nicht nach Neigungen und Talenten getestet, um später ein Profil zu erstellen, das bei der richtigen Studienwahl helfen könnte. Statt einer objektiven und kompetenten Orientierungshilfe, gehen viele Jugendliche auf die Vorschläge der Eltern oder des Freundeskreises ein. Auch Trends auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen die Entscheidung vieler Abiturienten. Den Ansatz findet Pirtea falsch. Auch die Generalschulinspektorin Aura Codruta Danielescu vertritt die Meinung, dass viele Absolventen schlichtweg mit der Studienwahl überfordert sind. Darum hat die West-Universität und das Kreisschulinspektorat Timis eine Partnerschaft gestartet, um das bestehende System aufzurütteln.
Ab Herbst wird die UVT drei Lyzealklassen vom Colegiul National Banatean unterstützen. Schüler, die die sogenannten Exzellenzklassen besuchen werden, können neben dem Pflichtunterricht schon vorab an Vorlesungen und Seminaren an der UVT teilnehmen. Zudem bietet die Universität Nachhilfe in den Hauptfächern an. Auch die Chemie- und Physiklaboratorien sowie die EVD-Räume stellt die UVT zur Verfügung. Zugleich sollen die Schüler Studienberatung erhalten. „Wir sprechen hier von Opportunitäten und nicht von Obliegenheiten“, so Pirtea. Das heißt, Schüler können die zusätzlichen Angebote der West-Universität nutzen, sind aber nicht dazu verpflichtet.
Trotzdem stellt die Universität an das Colegiul Banatean eine Bedingung: Nur die besten Schüler sollen in den drei Exzellenzklassen aufgenommen werden. Um das zu gewährleisten wird die Schule Interessenten interviewen. „Auf dem Anmeldeschein werden auch die Exzellenzklassen als Option angeführt“, erklärt Banatean-Schulleiter Sorin Ionescu. „In einem Gespräch müssen diejenigen, die diese Klassen ankreuzen, begründen, warum sie dafür geeignet wären.“
Das bestehende System umkrempeln
Er selber ist Absolvent der West-Universität und würde sich darüber freuen, dass seine Schule die Partnerschaft eingeht. Es soll aber keine exklusive Zusammenarbeit sein, erklärt Pirtea. Falls das Projekt erfolgreich ist, möchte man auch andere Lyzeen aus Temeswar anwerben. Immerhin wollte die UVT vor einigen Jahre ihr eigenes Lyzeum gründen.
Madalin Bunoiu sieht in dieser Zusammenarbeit die Chance, das Bildungsniveau im Kreis Temesch zu steigern. Im nationalen Ranking der besten Lyzeen hat Temesch nicht glänzend abgeschnitten, Bunoiu. Für eines der wirtschaftlich stärksten Regionen des Landes mit einer der größten Städte, die vier Universitäten hat, sei das Ergebnis nicht akzeptabel.
Man müsse davon weg, das Bildungssystem nach der Zahl an „Olympiker“ zu messen. Jene Schüler, die hervorragende Leistung in den verschiedenen Fächerolympiaden erbringen, verdanken die Ergebnisse nicht dem Bildungssystem, sondern ihrer eigenen Arbeit und der zusätzlichen Stütze, die sie von Eltern und Lehrkräften erhalten. Auch Ionescu findet, dass sich eine gute Schule nicht nur durch derartige Preise auszeichnet. Es geht auch um das soziale Engagement und den Beitrag, den es für die Gemeinschaft leistet. Das Colegiul National Banatean hat allein 2014 186 Olympiker und 200 Schüler, die sich aktiv an außerschulischen Projekten beteiligen.
In den nächsten Wochen wird die Schulleitung die neuen Exzellenzklassen vorstellen, für die man sich ab Herbst anmelden kann. Drei Schwerpunkte werden behandelt: Mathematik-Informatik, Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften. Es werden insgesamt 84 Plätze geben.