Ein Meisterwerk am DSTT

Neue Premiere mit “Die Möwe” von A.P. Tschechow

Nach zwei beachtlichen Premieren des Deutschen Staatstheaters Temeswar, “Niederungen” von Herta Müller im Herbst und “Titus Andronicus” von William Shakespeare zu Jahresbeginn, wird dem DSTT-Stammpublikum ein neues Theater-Highlight geboten: Mit Anton Pawlowitsch Tschechows Meisterwerk “Die Möwe”  erlebt nach längerer Zeit wieder ein Stück der russischen Dramatik, und gar ein Klassiker des Weltheaters, seine Premiere an der deutschen Schauspielbühne. Die neue Premiere ist für Samstag, den 9. März, um 19.30 Uhr, im hauseigenen Saal vorgesehen. Im Rahmen dieses Theaterprojekts gelang der DSTT-Leitung eine Glanzleistung mit der Verpflichtung des international renomierten russischen Gastregisseurs Yuri Kordonsky.

Der junge Spielleiter, der seit einigen Jahren in der USA lebt und wirkt, hat sich auch in der rumänischen Theaterszene mit seiner Regie-Auffassung, den erfolgreichen Inszenierungen am Bulandra-Theater und am Nationaltheater Bukarest ein beachtliches Renomee in Sachen Tschechow und russische Dramatik gemacht. Seine Inszenierung mit “Onkel Wanja” (2001, mit Hora]iu M²l²ele) wird selbst heute,  nach einem Jahrzehnt, mit ausverkauften Sälen gespielt. Seine Hermannstädter Inszenierung “Der Jugend letzter Tag”  von Tadeusz Konwicki wurde im letzten Jahr vom Rumänischen Theaterverband UNITER zur besten Theaterproduktion gekürt. In der Temeswarer Inszenierung arbeitet der Regisseur mit dem Bukarester Bühnen- und Kostümbildner Dragoş Buhagiar (weitere Mitarbeiten am DSTT als Gast) zusammen. In den Hauptrollen treten u.a. Ioan Iacob, Horia S²vescu, Radu Vulpe und Olga Török auf. Die Aufführung- für Sonntag, den 10. März, ist im DSTT-Saal um 19.30 Uhr eine zweite Vorstellung programmiert- wird auch ins Rumänische übersetzt. Das Stück “Die Möwe” (Tschaika) entstand 1895 und erlebte seine Uraufführung in Sankt Petersburg 1896. Diese erste Aufführung wurde überraschenderweise verissen, doch das Stück gehört heute mit Recht zu den Meisterwerken der russischen und der Weltdramatik. Das Stück spielt wie etliche Tschechow-Dramen im Umfeld des ländlichen russischen Adels bzw. auf einem gutsherrlichen Landsitz in der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Auf dem Landsitz von Pjotr N. Sorin, eines kleinen Landadeligen des zaristischen Russlands jener Zeit, vergehen dessen Gäste vor Langeweile: Sie gehen sich mit allerhand Sticheleien und Geschwätz auf die Nerven und machen sich das Leben zur Hölle.

In dieser bittersüßen Komödie - Tschechow selbst hat sein Stück als Komödie im Sinne der “Comedie Humaine”, des Nachdenkens und Sinnens nach dem Sinn des menschlichen Daseins ausgegeben- , geren männliche Gestalten autobiographische Züge tragen, geht es auch um die schwierige Suche nach Liebe als Retttung vor dem Unglück, aber auch um die große Sehnsucht nach Freiheit und dem Entkommen aus der tödlichen provinziellen Öde. Einem Freund und Kollegen hat Tschechow etwas über seine damalige Gemütshaltung und Weltanschauung verraten : “Wir haben keine Politik, an eine Revolution glauben wir nicht, wir haben keinen Gott, haben keine Angst vor Gespenstern…” Diese echt Tschechowsche Melancholie und tragikomische Endzeitstimmung ist auch in etlichen seiner Spätwerke bzw. den großen Stücken wie “Die Möwe” (1895), “Onkel Wanja” ( 1896), “Drei Schwestern” (1901) oder “Der Kirschgarten” (1903) aber auch in einem Großteil seines enormen Prosawerkes wiederzufinden. Das im Gegensatz zu seinen frühen Werken, den unzähligen Skizzen, Erzählungen und Novellen seines Frähwerks. Diese Prosaminiaturen waren vor allem von einem humoristischen oder satirischen Stil geprägt, seine reifen Spätwerke, vor allem die Stücke, sind eher dem Realismus zuzuordnen. Das Stück “Die Möwe” hat nicht nur, wie auch die Prosa Tschechows, einen entscheidenden Einfluss auf die moderne Weltliteratur verübt, es erlebte zahlreiche Bearbeitungen für das Musiktheater und Verfilmungen (u.a. von Sydney Lumet, 1968, oder von Juli Karasnik, 1970).