Theodor Fuchs’ kuriose Odyssee, die ihn an den Rand des Göttlichen und der Verzweiflung führt, beginnt mit einem Prolog. Ehe sich Helmut Stürmer als stummer gleichwohl teils aktiver Zuschauer auf die Bühne projiziert und der Held der Fuchsiade das Licht der Welt erblickt, werden groteske Mischwesen auf den Zuschauer losgelassen, die mechanisch auf die Bühne trotten, wie aufziehbare Blechfiguren, die in einem sowohl Neugierde als auch Unbehagen auslösen. Der Anfang ist gespenstisch, die Ruhe bedrückend. Man kommt sich wie im tiefsten Urwald vor, abgeschottet von der Zivilisation. Das wohin es den Seemann Marlow verschlägt – im Herzen der Finsternis.
Helmut Stürmer und Silviu Purc²rete, der die Produktion begleitet hat, entführen den Zuschauer in eine Welt außerhalb der alltäglichen, von uns als wirklich wahrgenommenen Realität. Langsam driftet der Zuschauer ins Surreale ab. Corina Gr²mo{teanu (Bühne und Licht) und Ilona Varga-Járó (Maskengestaltung) bereiten ihn darauf vor. Die überdimensionale Ohrmuschel mitten auf der Bühne deutet an, was folgen wird: eine Geburt. Und zwar nicht nur die von Theodor Fuchs, sondern auch die des Schöpfers selbst, dem Vater der rumänischen Avantgarde, dem Schriftsteller Urmuz.
Stürmer zollt mit der „Fuchsiade“ in erster Linie diesem verkannten Autor Tribut. Denn das musikalische Prosapoem des „Einsamsten der Einsamen“, der „Ein-Mann-Revolution“ könnte genauso gut von ihm handeln.
Demetru Demetrescu-Buzău alias „Urmuz“ schrieb Zeit seines Lebens nur zehn Geschichten. Das Meiste davon erschien post mortem. Urmuz verstaute die Texte sicher in seiner Schublade, weil er früh gemerkt hatte, dass die Welt für ihn noch nicht bereit war. Mit 40 nahm er sich das Leben, wurde dann später von Surrealisten und Dadaisten, als ihr Wegbereiter gefeiert. Eugen Ionesco machte Urmuz Literatur im Ausland bekannt. „Urmuz ist wahrhaftig ein Vorreiter einer Revolte in der Universalliteratur, einer der Propheten der Umschichtungen sozialer Formen, der Änderungen in Denkweise und der Sprache unserer Welt, die so absurd ist, wie die Helden seiner Geschichten“, schreibt Eugen Ionesco.
Stürmers dramatische Adaption eines Urmuz-Textes ist ein Porträt. Das Stück ist so, wie die avantgardistische Strömung, frei von Ordnung, entzieht sich jedwelcher Logik und gleicht gerade deswegen einem Traum. Hier spielt das Unbewusste die erste Geige, einen Dirigenten gibt es nicht. Fuchs kommt auf die Welt, am Ende schießt er sich Tod. Dazwischen der Verlust der jungfräulichen Unschuld. Hier das Parodistische: Mit Ironie wird das Streben nach altertümlichen Idealvorstellungen betrachtet. Venus mit ihren falschen, überdimensionalen Brüsten, rekelt sich auf einem Ledersofa und hat mit Botticellis Venus kaum noch etwas gemein. Sie wird vulgär dargestellt, das trifft auch auf die Vestalinnen zu. Sie haben nichts Reines und nichts Heiliges, außer vielleicht dem scheinheiligen Getue dieser zu Instanzen erhobenen Hüterinnen strikter Werte, die einen desillusionierten Künstler zur Verzweiflung treiben.