Ein verlorenes Jahr

Uns kann nichts Gutes erwarten, nachdem das Verfassungsgericht seinen Urteilsspruch zum Volksentscheid über das Schicksal Băsescus auf Mitte September vertagt hat. Statt der allseits versprochenen und erwarteten Ruhe und gesellschaftlichen Aussöhnung geht das Geifern weiter. Băsescu hat noch nie Vermittlungs- und Aussöhnungsfähigkeit bewiesen. Seine Stärke liegt im Streit und in der Kompromisslosigkeit (wobei es ihm grundsätzlich kaum ankommt auf dem Gegenstand eines möglichen Kompromisses, Hauptsache, er setzt seinen Dickschädel durch). Ponta und Antonescu pflegen weiter ihre Janusköpfigkeit und den doppelten Diskurs, europäisch nach außen, borniert-konfontierungsbissig und hassvoll nach innen.

Unser Hauptproblem wird das vergeudete Jahr 2012 werden. Denn wenn das Verfassungsgericht im September seinen Schiedsspruch verkündet, kommt entweder B²sescu wieder ins Amt und sucht – wie wiederholt in aller Öffentlichkeit mit charakteristischer Bärbeißigkeit verkündet – Rache. Die Hintertreibung jedwelcher Regierungsinitiative (absolut egal, ob gut oder schlecht) und mittels aller ihm zur Verfügung stehenden Hebel den Sturz seiner Feinde. Oder der amtsenthobene Staatschef wird abgesetzt und dann kommen Neuwahlen. Vielleicht zusammen mit den im November ohnehin anstehenden Parlamentswahlen, vielleicht auch separat – mit Zusatzkosten.

Das Jahr geht dann mit Wahlgeplänkel und Wahlkampf zu Ende. Keinerlei Maßnahmen können getroffen werden, weil es einmal mehr um die Priorität rumänischer Politiker geht, den Kampf um die Macht.

Wenn es in diesem Land um Macht geht, spielen öffentliche Kosten keine Rolle. Die Zukunft des Landes ist Nebensache. Erst Mal die Macht sichern, in Brechtscher Paraphrasierung: „das Fressen“, dann kommt alles andere, zuletzt vielleicht auch noch „die Moral“. Das ist die optimistische Variante.

Die pessimistische bedeutet gesellschaftliche Instabilität (Streiks, Massendemonstrationen, gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ausnutzung durch skrupellose Emporkömmlinge) wegen zahllosen nicht gehaltenen Versprechungen des Dauerwahlkampfs, die sich der politischen Instabilität überlagern. Alldas, zusammen mit dem weiteren Zerbröckeln der Landeswährung, der (verständlichen) Versteifung der Vorbehalte des internationalen Kapitals, sich in Rumänien zu engagieren, letztendlich eines wirtschaftlich-sozialen Niedergangs, den man mit keiner Doppezüngigkeit mehr unter den Teppich kehren kann.

Die Forderung der EU und internationaler Gremien sowie der wortführenden Kanzleien Europas und der USA ist einfach und griffig: respektiert die Gesetze und behindert nicht das Funktionieren rechtsstaatlicher Einrichtungen. Aber wer die Kontrahenten kennt, muss feststellen: nichts wird funktionieren, so lange die Machtfrage ungeklärt ist! Also kann man auch bis Jahresende auf nichts Besseres hoffen.

2012 ist ein für Rumänien verlorenes Jahr.