Da, wo einst die Wirtschaft florierte, haben sich heute Armut und Not eingestellt: In Nadrag/Nădrag, der Temescher Gemeinde am Fuße des Poiana-Ruscăi-Gebirges, ist der Alltag oft düster. Die meisten jungen Menschen verließen die Ortschaft, um in Städten wie Lugosch/Lugoj oder Temeswar/Timişoara einen Arbeitsplatz zu finden. Nach der Stillegung des Hüttenwerks „Ciocanul“, vor 1989 der größte Arbeitgeber im Ort, gab in Nadrag kaum noch Alternativen. In der Gemeinde blieben die alten Menschen zurück, die keine andere Wahl hatten. Heute zählt der Ort knapp über 2700 Bewohner.
Vor Kurzem versuchten einige Studierenden der Abteilung für Sozialassistenz an der West-Universität in Temeswar, ein bisschen Licht und Freude in den Alltag einiger älterer Nadrager zu bringen. Im Rahmen des Projekts „Generationsvereinende Stege“ (rum.: Pod Intergenerational Nădrag – PIN) begaben sich die 13 jungen Leute in den ehemaligen Industrieort und führten einige Gespräche mit den hier lebenden Rentnern. Nadrags erzählte Geschichte wollten sie von der älteren Generation erfahren und sich ein Bild machen von dem, wie es früher in der Ortschaft wohl ausgesehen haben mag. „Eine Kollegin von mir wollte eine Migrationsforschung durchführen. Ich überlegte mir dann, auch ein Sozialarbeitsprojekt in Nadrag zu machen“, sagt Prof. Dr. Juliane Sagebiel von der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften an der Hochschule München, die das Projekt initiierte. Auf Nadrag hatte sie Herbert Grün, der Geschäftsführer des Caritasverbands Temeswar, aufmerksam gemacht. Das PIN-Projekt entstand durch die Zusammenarbeit von Juliane Sagebiel und Prof. Dr. Ana Muntean von der Abteilung für Sozialassistenz an der Westuniversität Temeswar.
Die beiden Lehrkräfte pflegen eine enge Kooperation seit nunmehr elf Jahren.
„Als ich in Nadrag war, wurde mir klar, dass dort die mittlere Generation fehlt. Wir wollten diese Brücke zwischen den Generationen bauen“, sagt Juliane Sagebiel. Im Rahmen des Projekts mussten die Studierenden gemeinsam mit den Kindern aus dem Dorf zu den alten Leuten gehen und sich mit diesen über das Leben in der Temescher Gemeinde unterhalten. „Am Anfang waren die Studierenden recht scheu. Doch auch einige der alten Leute brauchten ihren Anlauf“, sagt die deutsche Professorin.
Mehr als 25 Interviews mit den alten Nadragern wurden geführt. „Jetzt erst müssen wir die Brücke wirklich bauen. Der Kontakt zwischen den Schülern, Studenten und den alten Leuten muss bestehen bleiben, die jungen Leute müssten die Alten weiterhin besuchen und ihnen bei Bedarf helfen“, wünscht sich Juliane Sagebiel. Die Kinder aus Nadrag durften sich einer Überraschung erfreuen.
Die deutsche Künstlerin Marlies Poss reiste nach Rumänien, um den Kindern zu zeigen, wie Solarobjekte gebastelt werden können. „Mein Anliegen ist, diese Schnittstelle zwischen Kunst und Technik zu füllen“, sagt Marlies Poss, die Sonne in Form von Solarkunst nach Nadrag brachte. „Ich wollte den Schülern zeigen, was regenerative Energie praktisch bedeutet“, erläutert die Künstlerin. Pappe, Karton und Motoren, dazu noch die Solarzellen: Entstanden sind kleine Autos und andere Dinge, die sich mit Hilfe der Sonnenenergie bewegen. „Die Kinder waren sehr begeistert“, beschreibt die Künstlerin das Feedback, das sie von den Workshopteilnehmern bekam.
Die Solarobjekte können Anfang Dezember in einer Ausstellung besichtigt werden, die zunächst in Nadrag gezeigt wird. Hier werden dann die Ergebnisse des PIN-Projekts vorgestellt. Schließlich soll auch eine wissenschaftliche Dokumentation des Projekts veröffentlicht werden.
Die Expo wird Anfang 2013 auch an der West-Universität in Temeswar und anschließend an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München gezeigt.
„Die Studierenden haben viele praktische Methoden der Sozialarbeit mitbekommen. Sie haben gelernt, wie sie mit jungen und alten Menschen arbeiten müssen, wie Interviews geführt und ausgewertet werden“, sagt Prof. Juliane Sagebiel. Das Projekt soll aber hier nicht enden, denn das Ziel ist, langfristig eine nachhaltige Entwicklung in einer rumänischen Gemeinde anzustoßen, wo die Menschen Ideen bekommen, wie sie selbst zum Wohl der Gemeinschaft beitragen können. „Die Gastwirtschaft, die Schuh- und Holzfabrik müssen in das Nadrag Gemeinschaftsleben involviert werden“, schließt Prof. Juliane Sagebiel.