Sie sieht sich als Mensch mit Fehlern. Die Bezeichnung „starke Frau“ schmeichelt ihr, obwohl es auf keine Person eher zutreffen würde, als auf Letiţia Mark. Die Roma-Aktivistin setzt sich seit Jahrzehnten für die Gleichberechtigung der Roma-Minderheit ein.
Die Vorurteile überwiegen, darum scheint es oft, als würde die Soziologin gegen Windmühlen kämpfen. Dabei geriet sie oft zwischen die Fronten. Sowohl Roma als auch Rumänen begegneten ihr anfänglich mit Misstrauen.
Eine gebildete Romafrau, eine Intellektuelle passt in das vorgefertigte Gesellschaftsbild nicht rein. In der Minderheit muss sie sich besonders als Frau durchschlagen und ihren Standpunkt unter Männern vertreten. Denn die patriarchalische Romagesellschaft sieht die Rolle der Frau hinter dem Mann. Sie hatte als Kind Glück gehabt, weil ihr Großvater sie unterstützte. Er hatte auf Bildung gesetzt und darauf bestanden, dass seine Enkelin zur Schule geht.
Roma setzen besonders auf Familie und respektieren eine hierarchische Ordnung, in der oft der Mann das Oberhaupt ist. Besonders Frauen werden durch alte Traditionen benachteiligt. Arrangierte Hochzeiten sind in der Minderheit üblich. Oft werden die Mädchen im Alter zwischen 12 und 14 Jahren vermählt. Letiţia Mark durfte stattdessen aufs Lyzeum gehen. Die Wahl traf sie nach unüblichen Kriterien. „Ich habe das Lyzeum mit dem schönsten Gebäude ausgesucht“, sagt Mark. Dass es sich um das prestigeträchtige Pädagogische Lyzeum aus Temeswar handelte, wohin zu jener Zeit meist Kinder von Parteimitgliedern gingen, wusste die damals 14jährige nicht. Diskriminiert hatte sie sich nicht gefühlt, obwohl sie das einzige Romamädchen aus ihrer Klasse war.
„Vor der Wende wurden die Roma von der sozialistischen Gesellschaft assimiliert“, erklärt Mark. „Nach 1990 wurde die Diskriminierung spürbar und sie nahm zu.“
Bei der ersten Ratsversammlung Anfang der 90er Jahre wo das „Roma-Problem“ in den Mittelpunkt gestellt wurde, war Mark über die Richtung, in welche die Diskussionen steuerten, entsetzt. Es würden Intellektuelle fehlen, hieß es damals. Die damalige Regierung wollte das Problem damit abschreiben. Sie wären zum Dialog bereit, nur würde seitens der Minderheit die Bereitschaft fehlen. Mark widersprach und versucht seitdem durch Eigenbeispiel das falsche Bild zu hinterfragen.
Heute leitet sie den Verein der Roma-Frauen „Pentru Copiii Noştri“ (dt. „Für unsere Kinder“). Sie setzt auf Bildung und versucht jungen Romamädchen eine Alternative zur Zwangsheirat zu bieten. Angefangen hatte sie in ihrer eigenen Küche, ehe sie von der Stadt ein unfertiges Haus, als Vereinssitz erhielt. „Ich bin enttäuscht darüber, wie die Stadt mit der Roma-Frage umgeht“, meint Mark.
Durch EU-Projekte schaffte es die Aktivistin die nötigen Gelder zusammenzutreiben, um den Vereinssitz in einen angemessenen Zustand zu bringen. Die Stadt unterstützt ihren Verein kaum. Finanziell, aber auch sozial ist es ein ständiger Kampf. Der Verein entstand aus einer Notwendigkeit heraus. Letiţia Mark bereitet zusammen mit anderen Pädagogen Roma-Kinder auf die Schule vor. Sie sah sich schon immer in erster Linie als Pädagogin. „Auch wenn ich im Juni immer ausgelaugt und erschöpft bin, finde ich im September immer die Energie um weiterzumachen, weil es mir gefällt“, erklärt Mark.