Tauschen würden sie ihre Themen nicht und das hat nichts mit dem sprichwörtlichen „Vogel nicht aus der Hand geben“ zu tun. „Es spricht uns einfach an“, sagen die Schüler, egal, ob sie nun aus Temeswar, Karansebesch, Oberwischau, Craiova oder Kischinow kommen. Vielleicht allein schon die Tatsache, dass sie der Kreativität freien Lauf lassen dürfen, lässt die deutschsprachigen Schüler sich mit dem Thema glücklich wähnen. Dazu bekommen sie eigene Verantwortlichkeiten, sind jedoch nicht komplett auf sich allein gestellt – und die Verantwortung wird auf gleich mehrere Schultern verteilt. „Die Lehrer müssen sich zurücknehmen, bisher fremde Schüler kommen zusammen, ad-hoc müssen sie zusammenarbeiten“ und dazu „haben sie meist ein ganz unterschiedliches Sprachniveau“, sagt Dr. Rolf Willaredt, Fachberater/Koordinator in Rumänien für Deutsch und Deutschsprachiger Fachunterricht (DFU) im Auftrag der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA).
Seminare unter dem Begriff „Epochenfestival“ veranstaltete Willaredt zur Lehrerfortbildung – eine Fortbildung, zu der seit Jahren auch Schüler eingeladen waren. Eigentlich erprobten – so wirkt es auf den Außenstehenden – Lehrer und Fachberater, wie sich kreatives Lernen auch in der Klasse umsetzen lässt. Egal, ob es nun um Reisen, um Umwelt oder literarische-geschichhliche Epochen ging, die Schüler nahmen sich dieser Themen an und innerhalb von eineinhalb – zwei Tagen erarbeiteten sie in Gruppen die verschiedenen Themenfelder. Es lastet kein Druck, weder auf Lehrer noch auf Schüler, wenn solche Themen mit Kreativität, mit Zeichnungen, mit Textstellen und mit Stichworten versehen als Plakat erstellt und dann vorgestellt werden. Deshalb seien solche Projekte auch für den täglichen Unterricht durchaus zu nutzen, sagt Thilo Herberholz, Gastlehrer aus Deutschland an der Temeswarer Nikolaus Lenau-Schule. „Wenn sich die Schüler nun intensiv zum Beispiel mit dem Expressionismus befassen, haben sie modernen Unterricht erlebt, und sind sowohl für das Deutsche Sprachdiplom, als auch für das Abitur vorbereitet“, sagt Herberholz.
In Gruppenarbeit wurden Themen behandelt: „Eine weitere Steigerung wäre, nun überhaupt kein Thema mehr vorzugeben“, sagt Willaredt. Mit einer Abschlussveranstaltung beendete er vor Kurzem einen Zyklus der Lehrerfortbildung. Gleichzeitig geht er auch seiner Zeit als Rumänien-Gesandter des ZfA entgegen. Bleiben wird nicht nur die eingerichtete Zentralstelle im siebenbürgischen Mediasch, sondern auch die Erarbeitung von Lehrbüchern, die zum Teil schon in den Schulen sind, sowie eine bisher hierzulande wenig bekannte Variante der Lehrerfortbildung zusammen mit Schülern. Deutschlehrer wie Astrid Otiman oder Magdalene Balogh setzen am Nikolaus-Lenau-Lyzeum in Temeswar Projekte oder Teile von Projekten aus den Lehrerfortbildungen im Unterricht um.
Dass seine Projekte kein Hemmschuh sind oder etwaige Hürden bei der Aufarbeitung des Lehrstoffes, davon ist Rolf Willaredt überzeugt. Verständlich ausdrücken sollen sich die Schüler, die Sprachkompetenz soll sich nicht auf dem Niveau des Inhalts bewegen und die Themen mögen auf dem Niveau des geistigen Horizonts der Schüler sein – darin sieht Willaredt den Nutzwert.
Unweigerlich ist es eine Ansichtssache, aber auch ein schulspezifischer Aspekt und nicht zuletzt auch vom Fach abhängig, wie solche Trends in der täglichen Arbeit mit Schülern aufgenommen werden. Dies darf man zumindest aus den Aussagen von Lehrern deuten, deren Euphorie sich zu solchen Themen durchaus in Grenzen hält. Mehmet Aytar, Gastlehrer für das Fach Deutsch am Arader AMG-Lyzeum, ist überzeugt, dass solche Seminare und Themen nur auf gute Schüler übertragen werden können, die „eigenständig arbeiten“, denn „Schüler lernen meist lieber auswendig, da sie dies aus anderen Fächern so gewohnt sind“, sagt Aytar. Die Biologielehrerin Cristina Zah aus Klausenburg sieht die Zeitfrage als Problem für solcher Art Projekte, obwohl sie eines der Themen aus einem vorangegangenen Lehrgang der ZfA, „Stadt, Land, Fluss“, umgesetzt hat. Trotzdem sieht sie Eifer vor Ort bei ihren Schülern, „wenn diese ihr Projekt als das Beste sehen wollen, auch wenn es keine Noten für die Endfassung gibt“. Und aus der Fortbildung nahm sie gleich was mit, das sie unmittelbar danach in Szene setzen wollte: In der Woche „Schule anders“ - in der vergangenen Woche - sollten ihre Schüler den Nutzen daraus ziehen. Gabriela Benghia sieht Handlungsbedarf für den Lehrer, wenn es darum geht, bei Schülern auf die Euphoriebremse zu treten. „Schüler glauben, wenn man so eine Mappe in zwei Tagen abarbeiten kann, dann reicht genauso viel Zeitaufwand auch für die Vorbereitung zur Prüfung“, sagt die Deutschlehrerin aus dem AMG-Lyzeum in Arad. „Das ist die falsche Botschaft, die sie mitnehmen, und deshalb hat der Lehrer eine zentrale Rolle“.