In der abendländischen Kultur, der sich auch Rumänien seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. annähert, gibt es „Erfolgsformeln“, die mit Reichtum, Macht und Ruhm in Zusammenhang gebracht werden. Es sind zweierlei „Erfolge“, materielle und Anerkennung durch andere. Vereinfacht lautet die Erfolgsformel des Westens, der auch Rumänien sich verpflichtet fühlt: statt arm und unbekannt, lieber reich und berühmt sein. Das ist im Detail nachzulesen in einer 2013 veröffentlichten soziologischen Studie („Valorile angaja]ilor români“/Werte rumänischer Angestellter, Autor: Dorin Badea).
Die Wege zur Verwirklichung dieser Erfolgsformel in Rumänien untersuchte die Beratungs- und Trainingsfirma Result Development, indem sie 1616 Teilnehmer befragte und daraus die Studie „Cultura onestitatii si integritatii la români“ (Die Kultur der Ehrlichkeit und /moralischen/ Integrität bei den Rumänen) herausgab. Nachgegangen wurde der Frage, wie materieller Erfolg – Reichtum – aus der Sicht des einfachen Volkes im rumänischen Kulturmodell verwirklicht werden kann und welches die Denkmuster sind, die Erfolg (= Reichtum, Macht, Ruhm) gewährleisten. Die Untersuchungen erstreckten sich über die Jahre 2010-2014.
Um bei anderen Erfolg zu haben, musst du ihnen sagen, was sie hören wollen, sagten 86,68 Prozent der Befragten. Das Gegenteil hieße: sie lassen sich von moralischen Prinzipien leiten. Und nach diesem Deutungsprinzip sollten alle weiteren Antworten gewertet werden. Denn 83,99 Prozent der Befragten bejahten die Behauptung, dass der Ehrliche heutzutage immer etwas zu verlieren hat, oder jene, dass man ja im Leben nicht mit jedermann gleichermassen korrekt umgehen könne (84,05 Prozent). Hohe Übereinstimmung (92,45 Prozent) gab es zur Behauptung: Wenn du jemand überzeugen möchtest, in einer bestimmten Weise zu handeln, musst du viel stärkere Argumente einsetzen, als die real vorhandenen – die Grundlage des Bakschisch jeder Art... Dazu noch die überwältigende Übereinstimmung aller (96,13 Prozent) zur Behauptung, dass man viel zu verlieren hat, wenn man dem Nächsten volles Vertrauen schenkt – das ist im Volksmund durch das Sprichwort vom unerwischten Dieb (der, unerwischt beim Stiebitzen, ein ehrlicher Händler bleibt) verankert. In unmittelbarer Nachbarschaft davon die Aussage, jeder sei mal zu kleinen Kompromissen bereit, um zum erwünschten Ergebnis zu gelangen (90,69 Prozent) und, dass es manchmal nötig sei, auch mal was zu tun, über das man irgendwann später nicht stolz sein wird (81,4 Prozent) sowie, dass es in jeder Firma Regeln gäbe, die etwas befremdlich seien (97,01 Prozent), aber auch, dass Regeln nur unter Druck und Zwang respektiert werden (88,93 Prozent) und dass jemand selbst mit größter Mühe nicht alle Regeln unserer Gesellschaft einhalten kann (93,28 Prozent).
Das Bild, das hier entworfen wird, ist schonungslos. Erschütternd. Aufschlussreich. Aber: 94,83 Prozent sagen ja, um dorthin zu gelangen, wo du hinwillst, musst du alle „Abkürzungen“ nutzen, die dir das Leben bietet. Q.e.d.