Tränen schossen Eleonora Ringler-Pascu in die Augen, als sie über die Erfahrung zu sprechen begann, das Leben ihrer Mutter Eva Pascu, geborene Ollinger, in dem Band „Germanii din Banat prin povestirile lor“ („Die Deutschen aus dem Banat in ihren Lebensgeschichten“), koordiniert von Smaranda Vultur, gelesen zu haben.
Sicherlich erging es vielen Anwesenden genauso, denn bei der Vorstellung der zweiten, überarbeiteten und erweiterten Auflage des Buches am vergangenen Dienstag im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus ging es um das Leben und das Erlebte der Deutschen aus dem Banat im vergangenen Jahrhundert. Das am häufigsten verwendete Wort war dabei „Trauma“, eben weil viele der im Buch veröffentlichten Interviews mit den Themen Krieg, Russlanddeportation und Kommunismus zu tun hatten.
Die Universitätsprofessorin Eleonora Ringler-Pascu öffnete ihr Herz dabei: „In meiner Kindheit hat meine Mutter nicht viel erzählen wollen; sie hat mich von diesen traumatischen Momenten schonen wollen, von denen sie im Buch erzählt, die Deportation in die ehemalige Sowjetunion. Als sie jedoch darauf angesprochen wurde, hat sie diese Erinnerungen zu Tage gelegt und diese sind nun in dem Buch enthalten“.
Eingeleitet und moderiert wurde die Buchvorstellung von Johann Fernbach, dem Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, der die Geschichte der Deutschen in dieser Region von den drei Schwabenzügen bis in unsere Tage Revue passieren ließ, um zu unterstreichen, dass „wir, die Deutschen, die hiergeblieben sind, die Traditionen, die Sprache und die Kultur weiterführen wollen“: „Das Buch selbst ist sowohl Geschichte als auch Erzählung“, so Johann Fernbach.
Drei Historiker wurden danach eingeladen, über das Buch zu sprechen. Der Klausenburger Universitätsprofessor Rudolf Gräf wies in seinem Diskurs auf die Beziehung Erinnerung – Geschichte hin und griff dabei auf die Worte des deutschen Historikers Reinhard Koselleck zurück: „Was leistet Erinnerung? Sie öffnet den Raum zu dem, was Geschichte genannt werden mag“. Das Buch enthält sowohl Interviews mit Augenzeugen geschichtlicher Ereignisse, wie auch mit deren Kindern: „Nach dem Ableben der Augenzeugen, die von ihren Erfahrungen berichten, ändert sich auch die Erinnerungslandschaft. Es ändert sich die Art und Weise, in der jene Geschichte rezipiert wird“.
Vasile Docea hat sowohl als Angehöriger von Interviewten als auch als Historiker und als Direktor der Zentralen Universitätsbibliothek Temeswar gesprochen, in der das digitalisierte Archiv der Oral-History-Gruppe der Stiftung „Das dritte Europa“ untergebracht ist, zu dem die im Band erschienenen Interviews gehören. Er erinnerte an die verschiedenen Weisen, auf denen Geschichte vermittelt wird oder wurde: „Früher wurde die Geschichte als eine Geschichte der Persönlichkeiten, der Könige und Kaiser erzählt, ein legitimer Standpunkt, weil diese Persönlichkeiten als Modelle dienen sollten. Dann haben Historiker über die Geschichte der Sozialklassen, Rassen, Nationen, ethnischen Gruppen usw. gesprochen. Es sind jedoch leere Konzepte, kalte Begriffe. Die so erzählte Geschichte ist eine entmenschlichte Geschichte. Das heute vorgestellte Buch verleiht der Geschichte ein menschliches Anlitz“.
Der Politologe und Historiker Mihai Panu, der das Begriffsregister am Ende des Buches sowie die Fußnoten mit Hinweisen auf Geschichtliches verfasst hat, gab zu, sich der „der mündlich überlieferten Geschichte mit gewissen Vorurteilen genähert zu haben“, „weil ich Schwierigkeiten mit einer Definition der Erinnerung hatte“. Überrascht wurde er von einer, wie er sie nannte, „Übung des Gleichgewichts und der Verarbeitung der Vergangenheit“.
Die Soziologin Simona Adam, die einige der im Buch enthaltenen Interviews geführt hat, sprach über die Wirkung, die diese Interviews auf sie hatten: „Es waren in mehrfacher Hinsicht erinnerungswürdige Begegnungen mit den Mitgliedern der deutschen Gemeinschaft aus dem Banat: Es waren Begegnungen zwischen den Generationen, da wir damals erst aus dem Studentenalter herauskamen, und es waren interkulturelle Treffen, die mich bereichert haben, und nicht zuletzt waren es zwischenmenschliche Treffen. Von meinen Interviewten habe ich gelernt, wie man Mensch bleiben kann, selbst wenn man dazu gezwungen ist, unter unmenschlichen Zuständen zu leben“.
Zum Schluss der offiziellen Reden kam die Kulturanthropologin und Koordinatorin des Buches Smaranda Vultur zu Wort, die erklärte, welche Neuigkeiten die zweite Auflage bringt: „Sie ist um 20 Interviews bereichert, 16 davon befassen sich mit der Deportation. Es sind Augenzeugenberichte, aber auch Erzählungen der Kinder derer, die in der ersten Auflage interviewt wurden“.
Die zweite Vorstellung des Buches soll nicht wie anfangs angekündigt heute, sondern erst morgen, Donnerstag, in der Buchhandlung „La dou² bufni]e“ stattfinden, alle Interessenten sind dazu um 18:30 eingeladen. Über das Buch sprechen Smaranda Vultur, Bianca Barbu, die Geschäftsführerin des DFDT, der Journalist Werner Kremm, die Schriftsteller Viorel Marineasa, Daniel Vighi sowie die Künstlerin Renée Renard.